Bekämpfung von Antiziganismus: Mehr Bildungsarbeit bei der Polizei
Im Südwesten wirkt der Verband deutscher Sinti und Roma künftig an der Polizeiausbildung mit. Antiziganistische Vorfälle sollen so verhindert werden.
Laut VDSR geht die Entscheidung über eine Zusammenarbeit auf ein Gespräch mit dem Innenminister Thomas Strobl (CDU) zurück. Erst im Frühjahr 2021 hatte es einen Fall gegeben, an dem ein elfjähriger Sinto von der Polizei kontrolliert und mit Handschellen ins Polizeiauto bugsiert wurde. Daraufhin hatte sich der EU-Abgeordnete Romeo Franz (Grüne) für die Notwendigkeit ausgesprochen, die Polizei über interne Antiziganismusprobleme zu sensibilisieren. Auch Chana Dischereit vom Landesverband der Sinti und Roma hatte gegenüber der taz erklärt, dass sich der Fall in eine Reihe von Vorfällen von Polizeigewalt gegen Sinti und Roma füge.
Nun soll mit der Kooperation mit dem VDSR ein Vertrauensverhältnis zwischen der Polizei und der deutschen nationalen Minderheit der Sinti:zze und Rom:nja sowie zugewanderten Rom:nja etabliert werden.
Die Auftaktveranstaltung fand am Mittwoch am Standort Herrenberg der Hochschule für Polizei statt und wurde von Daniel Strauß, dem Landesvorsitzenden des VDSR in Baden-Württemberg, sowie dem Landeskriminaldirektor Klaus Ziwey geleitet.
Die Diskriminierung sitzt tief
In der Eröffnungsrede lobte Strauß die zukünftige Zusammenarbeit: „Es bewegt mich zutiefst, dass wir heute hier miteinander sind, dass wir diesen gemeinsamen Weg zurückgelegt haben, dass die Aufarbeitung vorangegangen ist“, sagte er.
Gleichzeitig holte Strauß weit aus und sprach über die Historie von Sinti:zze und Rom:nja in Deutschland sowie über die Zeit des Dritten Reiches: „Noch am Anfang des Zweiten Weltkrieges beschuldigten sowohl das Deutsche Reich als auch Frankreich die im Grenzgebiet lebenden Sinti und Roma, Spione der jeweils anderen Seite zu sein.“ Laut Strauß sei ab 1933 die Polizei und insbesondere die Kriminalpolizei jene Institution gewesen, die „die lückenlose Erfassung der Minderheit ebenso wie ihre Ausgrenzung und Schikanierung betrieb“.
In der Gegenwart entspräche aber ein vermeintlicher Gegensatz von „Polizei hier, Sinti und Roma dort“ nicht der Realität, so Strauß. Mit Günther Weiss sei schließlich auch ein Sinto und erster Kriminalhauptkommissar (außer Dienst) zugegen.
Gemeinsam Vorurteile abbauen
Um trotzdem antiziganistische Vorfälle seitens der Polizei in Zukunft zu vermeiden, wird auf die geplante Kooperation gesetzt. Für angehende Polizist:innen in Baden-Württemberg soll es Begegnungsprogramme mit jüngeren Sinti:zze und Rom:nja geben. Regelmäßige Aufklärungsreferate gegen Antiziganismus sowie Besuche des RomnoKehr, ein Lern- und Begegnungsort in Mannheim, sollen Teil des Fort- und Ausbildungsprogramms werden.
Der Pressesprecher der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg, Dirk Schmelzer, hofft, durch die Kooperation Verständnis für die jeweils andere Gruppe zu schaffen. „Erste Ergebnisse, also ein vertrauensvolles Miteinander, konnten bereits bei der Auftaktveranstaltung gesehen werden“, erklärt Schmelzer. Von der Zusammenarbeit erhoffe er sich, „dass Probleme erst gar nicht entstehen“.
Auch Dischereit begrüßt „die offene und wertschätzende Zusammenarbeit“ mit der Hochschule Herrenberg. Durch die Kooperation soll ein „gegenseitiges Verständnis und die Vermittlung von Fachwissen aus Perspektive der Minderheit und neuster Forschung“ aufgebaut werden. Der Schwerpunkt liege dabei auf den „Dialog zwischen Minderheit und Auszubildenden“.
Indes feierte in Heidelberg der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma das 40. Jubiläum. Dieser wird am Donnerstag mit einem Festakt zelebriert. Interessierte können die Zeremonie über einen Livestream auf ihrer Webseite oder über die sozialen Medien verfolgen.
Anmerkung der Redaktion: Der Text wurden nachträglich um die Zitate der Polizei ergänzt.
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