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Behörde wird neue Zulassung empfehlenEU-Kommission will weiter Glyphosat

Die Brüsseler Behörde will vorschlagen, die Zulassung des Pestizids zu erneuern. Um die Folgen für die Natur sollen sich die Mitgliedsländer kümmern.

Wirkt Glyphosat indirekt auch auf Vögel? Die EU-Behörden sind sich da bisher nicht sicher Foto: Thomas Warnack/dpa

Berlin taz | Trotz der nicht abschätzbaren Auswirkungen von Glyphosat auf die Artenvielfalt will die EU-Kommission vorschlagen, die Zulassung des Pestizidwirkstoffs zu erneuern. Sie wird dem zuständigen Ausschuss der Mitgliedstaaten im September eine entsprechende Verordnung präsentieren, wie aus einem Berichtsentwurf der Behörde über die Risikoprüfung des Unkrautvernichters hervorgeht. Der vorläufige Bericht, der der taz vorliegt, delegiert die Verantwortung letztlich an die einzelnen EU-Staaten: Wenn ein Mitgliedsland „berechtigte Bedenken“ wegen Folgen für die Biodiversität habe, die nicht durch Auflagen für die Benutzer ausreichend begrenzt werden könnten, dürfe es Pestizidprodukte mit Glyphosat verbieten, schreibt die Kommission.

Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO bewertete ihn 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“. Denn mit Glyphosat gefütterte Ratten und Mäuse hatten Tumore entwickelt. In den USA verurteilten daraufhin mehrere Gerichte einen der Hersteller, die deutsche Bayer AG, zu hohen Schadenersatzzahlungen an Kläger, die ihre Krebserkrankung auf das Mittel zurückführen. Bayer beruft sich dagegen auf verschiedene Zulassungsbehörden, die Glyphosat als sicher einstufen. Das Gift tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt.

Doch wie diese indirekten Auswirkungen zu analysieren sind, dafür gebe es „derzeit keine vereinbarten harmonisierten Methoden“, erklärt die EU-Kommission in ihrem Berichtsentwurf. Die zuständige EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat in ihrer Abschlussanalyse zu Glyphosat kritisiert, dass die Pestizidhersteller keine systematische Literaturzusammenstellung zum Thema geliefert hätten, obwohl dies angefordert worden sei. Aus diesen Gründen seien „keine eindeutigen Schlussfolgerungen“ dazu möglich, wie der Unkrautvernichter sich auf die Artenvielfalt auswirkt.

Umweltschützer: EU-Kommission unverantwortlich

Dennoch ist die Kommission offenbar der Meinung, dass die Mitgliedsländer das Problem leichter in den Griff bekommen können als die EU und die Efsa: „Aufgrund der komplexen und multifaktoriellen Elemente sind die Mitgliedstaaten am besten in der Lage, die indirekten Auswirkungen auf ihr Hoheitsgebiet unter Berücksichtigung ihrer nationalen und regionalen Umweltbedingungen zu bewerten“, schreibt die Brüsseler Behörde. Sie könnten dann gegebenenfalls auch Bedingungen für die Anwender festlegen, um das Risiko zu reduzieren. Die Kommission nennt als Möglichkeiten zum Beispiel Pufferzonen, spezielle Düsen, die Abdrift des Pestizids mindern, und Feldränder etwa mit Hecken.

Die Efsa hatte noch auf weitere Fragen hingewiesen, die sie nicht klären konnte: Dazu zählt „die Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für Verbraucher und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen“. Ungewiss ist laut Efsa zudem, wie giftig ein bestimmter Stoff ist, der produktionsbedingt Glyphosat verunreinigt. Klar sei bereits, dass bei 12 von 23 vorgeschlagenen Verwendungen von Glyphosat „ein hohes langfristiges Risiko für Säugetiere“ bestehe.

Auch die Reaktion auf diese Probleme will die Kommission dem jeweiligen EU-Staat überlassen. Er solle diesen Punkten „besondere Aufmerksamkeit“ schenken, wenn er die fertigen Pestizidprodukte zulasse. Das ermöglicht der Kommission auch ihr Fazit, „dass glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel die Sicherheitsanforderungen weiterhin erfüllen werden“. Die Krebsvorwürfe sieht die Efsa ohnehin für widerlegt an.

Die Umweltorganisation Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) kritisierte, die Kommission weigere sich, die Verantwortung für den Schutz der Bürger und der Umwelt zu übernehmen. „Stattdessen versucht sie, die Last auf die Mitgliedstaaten abzuwälzen, die nun mit den peinlichen Efsa-Ergebnissen zur Toxizität des Herbizids umgehen sollen“, sagte der Geschäftsführer von PAN Europa, Martin Dermine. Die EU-Kommission ging in einer Stellungnahme für die taz nicht konkret auf die Vorwürfe ein. Sie schrieb im Wesentlichen nur, dass regulatorische Entscheidungen auf der Basis von Wissenschaft und Evidenz fielen.

Nun müssen EU-Staaten entscheiden, ob sie die Glyphosat-Zulassung erneuern, die am 15. Dezember abläuft. Bundesagrarminister Cem Özdemir sieht die Efsa-Untersuchung kritisch. Sie berücksichtige die Auswirkungen auf die Natur nicht ausreichend, sagte er vor kurzem in Brüssel. „Das ist, wie wenn Sie ein Fahrzeug fahren und auf alles testen, außer auf die Bremse“, so der Grünen-Politiker.

Sein Koalitionspartner FDP dagegen hat sich für eine Neuzulassung ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien steht: „Wir nehmen Glyphosat bis 2023 vom Markt.“ Wenn sich die Ampelkoalition nicht einigen kann, muss sich Deutschland bei der Abstimmung in Brüssel enthalten. Das könnte sich am Ende wie eine Zustimmung auswirken.

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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Dass die Efsa nun wieder eine derart verklauslierte Begründung für die Zulassung herausgibt "...wurden keine kritischen Bereiche ermittelt, die Anlass zur Sorge geben..." und man wieder nichts davon hört, dass Bayer/Monanto Studien zur Antragsstellung zurückgehalten hatte, und ob dies nun nachgereicht bzw. vollständig vorgelegen haben, um eine seriöse, verantwortungsbewussste Beurteilung seitens der Zulassungsbehörde zu treffen.



    Wie ist denn das Problem mit der Fristverlängerung und der auslaufenden Fristen schlussendlich geregelt worden?

    Dass gerade die FDP hier wieder, entgegen aller Regelungen, Zusicherungen und Koalitionsverträge, im entscheidenden Moment quer schlägt, ist doch wieder derart auffällig, sodass solche Vorgänge verantwortlich sind, dass das Vertrauen der Bürger in die EU und in die Politik derart erodiert.

  • In anderen Berichterstattungen wurde mitgeteilt, dass bei den EU-Zulassungsverfahren von Seiten des Antragstellers prinzipiell ALLE Forschungsergebnisse und Studien zwecks Zulassung vorgelegt werden MÜSSEN.



    Dem ist der Antragsteller (Bayer/Monsanto) nicht nachgekommen, die übersendeten Studien waren lückenhaft, es wurden Studien zurückgehalten.



    Die logische Konsequenz in solchen Zulassungsverfahren/Institutionen ist ganz einfach und auch zwingend, dass die Zulassung wg. lückenhafter Unterlagen nicht gegeben werden kann/darf, ganz einfach!



    Auf welcher Rechtsgrundlage sollten nun, wenn die EU eine Zulassung eigentlich nicht erteilen darf, die EU-Länder selbst anders bzw. dafür stimmen können, sie sind doch EU-Mitgliedsstaaten und unterliegen der EU-Zulassungsehtscheidung (oben sticht unten).



    Wenn sich die EU nun auf unkonkretisierte "multifaktorielle Elemente" beruft, so wäre es doch gerade die Aufgabe dieser EU-Zulassungsbehörde diese konkret zu definieren, und die Vorgaben für den Umgang damit vorzugeben, um Risiken, die für "Säugetiere" (der Mensch ist auch ein Säugetier), und die Bodenlebewesen und Insekten zu vermeiden, v.a. da es bereits Forschungsergebnisse über die Toxität bei der Gehirnentwicklung von Föten, Säuglingen und Kindern gibt, die u.a. mit Verhaltensauffälligkeiten und ADHS in Verbindung gebracht werden. In allen Staaten gibt es Menschen Säugetiere, Bodenlebewesen und Insekten, was daran "multifaktoriell" anders sein sollte, erschließt sich nicht.

    Zudem sind die Rückstände des Giftes in bestimmten Obst-und Gemüsesorten als extrem überhöht, schädigend und unverantwortlich wissenschaftlich festgestellt und bewertet worden.

    Die Delegierung der ureigensten Verantwortung/Aufgabe der EU-Zulassungsbehörden an hirarchisch untergeordnete Institutionen ist unzulässig, die Behörde verweigert damit ihre ureigenste Aufgabe/Funktion. Ein Armutszeugnis der EU bei einer derartig blöden Argumentationsweise und "Nebelbombentaktik", m.E. Lobbyverdachtsfall.

  • Verdammt noch mal. Die Studie dir micht passt, ist gefälscht,gelogen und natürlich gekauft. CÖ als Minister denkt wohl auch so. Es darf nicht sein was soll. Beispiel aus der Landwirtschaft: Acker wird nach der Ernte "liegen gelassen" oder eine Zwischendrucht gedrillt.. In Frühjahr wird Glyphosatz gespritzt und anschließend mit Minimalbodembearbeitung eine Frühjahrskultur gedrillt (Mais,Zuckerrüben ,Sommergetreide usw.)Vorteil. Weniger Dieselverbrauch= weniger co2 azusstoß. Noch etwas. Glyphosat muss keineswegs von (verhassten) Bayer/Mosanto (Roundup) gekauft werden. Es gibt zahllose Anbieter vondiesem. Außerdem ist Glyphosat einTotalherbizid und kein Insektizid. Die Wirkung auf die Insekten ist kleiner als angenommen. Es wird relativ kurz vor der Aussaat gespritzt so die vielgeschmähte "Insektenfuttervernichtung" nicht sehr hoch ist. Der Ackerpflug würde auch das Feld "säubern.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Warum nicht das Recht und den Anspruch auf Vorsorge bemühen?



    Letztgültige Befunde sind dafür nicht Voraussetzung. Sonst wäre es keine Vorsorge sondern Gefahrenabwehr.

    Ist das hier nicht hinreichend?

    eur-lex.europa.eu/...ary-principle.html

    "Das Vorsorgeprinzip verfolgt den Ansatz der Risikovermeidung, die besagt, dass eine Politik oder Maßnahme nicht durchgeführt werden darf, wenn sie der Allgemeinheit oder der Umwelt Schaden zufügen kann und weiterhin kein wissenschaftlicher Konsens zu diesem Thema besteht. Die Politik oder Maßnahme kann erneut in Erwägung gezogen werden, sobald weiterführende wissenschaftliche Informationen verfügbar sind. Das Vorsorgeprinzip wird in Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) festgelegt."

    • @31841 (Profil gelöscht):

      Stimme dir ja eigentlich voll zu. Und wenn ich mich richtig erinnere wurde 92 auf der Konferenz in Rio das Vorsorgenprinzip schon international ins Spiel gebracht.

      Seit einiger Zeit hadere ich aber mit diesem Prinzip. Nicht weil es schlecht ist, sondern weil wir es die letzten Jahrzehnte nicht angewendet haben. Dadurch sind wir an vielen Ecken in Probleme gerutscht, die jetzt schnell gelöst werden müssen. Und da kann der Ausschluss "jeglicher Gefährdung" auch schnell ein Bremsklotz für notwendige Veränderungen werden.



      Möchte nur als Beispiel Vogelschlag durch Windräder anführen. Es war ein gefundenes Fressen für Blockierer aller Art bei der Energiewende. Dann kamen die e-Autos dran. Bei diesem Thema hatten die Öl- und Gaslobby und die deutsche Autoindustrie grosse Sicherheitsbedenken..... u.a.m.

      Ich denke das Vorsorgeprinzip wäre gut, wenn es nicht zu stark durch Lobbyisten missbraucht worden wäre/wird. In einer anderen Kultur (Utopia) könnte es fester Bestandteil jeder Entwicklung sein. IN einer Welt voller Populisten und Lobbyisten verliert es seinen Wert.

      Und konkret denke ich wir müssen heute ein bestimmtes Risiko eingehen. Konservativ und gegenüber gegen über Neuerungen überkritisch (Deutschland aber normal) reicht unsere Transformationsgeschwindigkeit nicht.



      Ich weiss, ich weiss....das riecht nach blindem Glauben in die Technik. Ist aber so nicht gemeint.

      • 3G
        31841 (Profil gelöscht)
        @Heiner Petersen:

        Ja, wer wie vorsorgen darf ist eben auch eine Machtfrage. Vorsorgeanspruch politusch und auf dem Rechtsweg anzumelden ist eine Möglichkeit, die Machtfrage zu thematisieren. Wie organisiert man Ressourcen, um in den damit verbundenen Auseinandersetzungen zu bestehen und weiter zu kommen?

  • Vernunft und Wissenschaft siegt doch noch über Ideologie und populistische Meinungsmache.



    Ich hatte schon an der EU gezweifelt- alles gut!

  • Manchmal könnte man meinen das die Natur den Menschen stört.

  • Na klar, die einzelnen EU-Staaten kümmern sich um Umweltbelastung. Hervorragende Idee, die bestimmt dem Einfluss der Chemie-Lobby geschuldet ist. Und unsere EU Kommission? Frau vdL ist doch überhaupt nicht an solchen Problemen interessiert. Die ist wirtschaftshörig, no less: Und selbst wenn es anders wäre, wer nimmt die Dame denn noch ernst??

  • "... FDP dagegen hat sich für eine Neuzulassung ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien steht: „Wir nehmen Glyphosat bis 2023 vom Markt.“ Wenn sich die Ampelkoalition nicht einigen kann, muss sich Deutschland bei der Abstimmung in Brüssel enthalten. Das könnte sich am Ende wie eine Zustimmung auswirken."

    Niemand - siehe EU - will scheinbar mehr irgend etwas entscheiden. Oder sich an etwas halten, was zuvor entschieden worden ist (FDP).

    Den Schwund an Insekten wird inzwischen vermutlich jeder - der kein Insektenhasser ist - selbst bemerkt haben. Was nicht zu schwinden scheint, sind die Giftvorräte in den Gartenhäuschen der Nation, egal ob gewerblich oder privat. Roundup und Co. für die Außerhausversion von "wir-sind-sauber-und-ordentlich". Längst verboten, soviel ich weiß, - zumindest privat. Wen interessiert das? Die Lage verschlimmert sich, da in den meisten Kommunen auch niemand den A ... in der Hose hat, sich mit den Häuslebauern anzulegen, die statt (oder zusätzlich) zum Gift zu Pflastersteinen, Fliesen und Verschotterung greifen, - gleichgültig, was irgendwelche Gesetze oder Verwaltungsgerichtsurteile sagen. In unserem Landkreis soll in diesem Herbst "die Schonfrist für Schottergärten ablaufen". Viel Hoffnung habe ich nicht.

    • @Woodbine:

      Ich erlebe mein Umfeld, Mieter und Eigenheimbeitzer, als immer mehr bemüht, auch in ihren Gärten und Verhaltensweisen auf Natur/Insektenschutz zu achten.

      Das viel größere Problem ist m.E., dass Bayer/Monsanto ganze Anbaumethoden, Erntegeräte, Saatgutpatente, Saatgutbanken und die dazugehörigen Pestizide, Insektizide und Düngemittel aufeinander und auf sich ausgerichtet und von sich abhängig gemacht hat. Bestimmte Kornarten haben eine geringere Wuchshöhe, insofern sind auch andere Geräte erforderlich, die dann auch von Bayer verkauft werden. Ein perfides System also. Dem auszuweichen ist extrem schwierig geworden, da das ursprüngliche Saatgut kaum noch erhältlich oder patentiert ist. Zudem ist es so, je mehr Glyphosat ein Landwirt versprüht, umso einfacher und effektiver ist die Erntemethode, die Effektivität und deren Kostenaufwand. Es wird also nicht nur versprüht, um die Pflanzen zu schützen, sondern auch um die Erntemethoden und Systeme zu optimieren. Versprüht wird



      Glyphosat also vermutlich massenweise von der Landwirtschaft, da ist der Einsatz in Privatgärten sicherlich vernachlässigbar.