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Beginn des Wirecard-ProzessesDie Politik schläft weiter

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Genauso wichtig wie die juristische Aufarbeitung wäre es, die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik transparenter zu machen.

Der früheren Wirecard-Vorstandschef Markus Braun (r.) geht beim Prozessauftakt neben seinem Anwalt Foto: Peter Kneffel/dpa

D ass zweieinhalb Jahre nach dem Auffliegen die juristische Aufarbeitung des Wirecard-Skandals vor dem Landgericht München begonnen hat, ist erfreulich. Es ist an der Zeit, eines der größten Wirtschaftsverbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik endlich juristisch aufzuarbeiten.

Die Hoffnung ist groß, dass das Gericht aufklären kann, wie es einem im DAX gelisteten Unternehmen gelingen konnte, im großen Stil zu betrügen und einen Milliarden-Schaden zu verursachen. Doch bei der Verhandlung geht es nur um die strafrechtlichen Folgen. Die erforderlichen politischen Konsequenzen werden weiterhin nicht gezogen. Das ist fatal.

Betrugsfälle wie die bei Wirecard können sich wiederholen. Denn weder die alte Bundesregierung mit dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz noch die neue mit dem zum Bundeskanzler aufgestiegenen Sozialdemokraten haben ausreichende Lehren aus dem Fall gezogen. Wirtschaftsprüfungsfirmen wie EY, die bei Wirecard komplett versagt hat, haben weiterhin eine ungeheure Macht, werden aber selbst nur unzureichend kontrolliert. Die Finanzindustrie prüft sich nach wie vor weitgehend selbst.

Manager von Wirecard haben über viele Jahre gelogen und betrogen, Gewinne und Geschäfte vorgetäuscht. Den Wirtschaftsprüfern ist das nicht aufgefallen, obwohl es zahlreiche Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gab. Als ein renommierter Finanzjournalist die Machenschaften aufdeckte, gingen die Behörden dem Verdacht nicht nach – im Gegenteil.

Die Finanzaufsicht BaFin zeigte den Journalisten sogar noch wegen versuchter Marktmanipulation an und stellte sich schützend vor Wirecard. Zwar musste der damalige Chef Felix Hufeld gehen. Aber strukturell hat sich seitdem zu wenig geändert. Noch immer fehlt eine echte Bilanzpolizei, die sich mit forensischen Mitteln selbst einen Überblick verschaffen kann.

Während die Aufsichtsbehörden die Augen verschlossen, heuerte Wirecard Ex-Politiker wie den ehemaligen Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU), Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und andere mit großer Nähe zur Regierung an, die ihnen einen Draht bis ins Kanzleramt verschafften. Das zeigt: Wer genug investiert, kann sich einflussreiche Für­spre­che­r:in­nen leisten, die Türen zu den Schaltstellen der Macht öffnen.

Auch daran hat sich nichts geändert. Der Einfluss von Lob­by­is­t:in­nen muss aber zurückgedrängt werden. Dafür ist eins wichtig: vollständige Transparenz. Jeder Lobbyisten:innen-Kontakt, jedes Gespräch von In­ter­es­sen­ver­tre­te­r:in­nen im Bundeskanzleramt, in Ministerien oder mit Abgeordneten muss sichtbar werden.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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11 Kommentare

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  • Die auf arte gerade gezeigte TV-Dokumentation zu Wirecard macht fassungslos.



    Eine der Whistleblower erklärte sich das Nichthandeln der Bafin mit Bestechung.



    Die Bafin bezeichnete sich im Untersuchungsausschuss als Lernende Behörde, was zum Himmel schreit. Denn einige Mitarbeiter lernten besonders gerne, wie man privat mit Aktien Geld macht. Sie spekulierten mit Wirecard-Aktien und anderen Aktien, was sogar erlaubt war. Ein Mitarbeiter verkaufte gar Finanzprodukte mit Wirecard-Aktien, wofür er später freigestellt wurde.



    Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Insiderhandels. Doch das sind Tropfen auf einen heißten Stein.

    Gibt es ein Verbot des Handelns mit Finanzprodukten und Aktien für Bafin-Mitarbeiter und ihre engsten Angehörigen? Sicher nicht.

    Gab es bei Bafin-Mitarbeitern eine zu große Nähe mit Mitarbeitern der Prüfungsgesellschaften, der Banken, die sie prüften? Trank man das eine oder andere Bier zusammen? Gab es Bestechung?

    Reine Spekulation, die entsteht, weil das Versagen der Bafin im Fall Wirecard so unerklärlich ist.

    Aus den ganz dunklen Bereichen der Finanzindustrie dringt so gut wie nie etwas an die Öffentlichkeit.



    Close Shop. Doch im Hamburger cum ex-Skandal gab es zumindest einen kleinen Einblick, was hinter den Kulissen gespielt wird.

    Bleibt zu hoffen, dass Whistleblower Aufklärung schaffen, wo es der Staat nicht tut.



    Die Behörden versagten reihenweise im Fall Wirecard, redeten sich im Untersuchungsausschuss systematisch aus Verantwortung heraus, schoben sie anderen Behörden zu.

    Fabio Di Masi betonte in den Tagesthemen die vielen offenen Fragen zu Wirecard.

    Wirecard ist ein gigantischer Kriminalfall,, aber auch ein gigantischer Fall von Staatsversagen auf vielen Ebenen, dessen Aufklärung in vieler Hinsicht noch offen ist.

    www.sueddeutsche.d...ttlungen-1.5262378

    www.bundestag.de/d...wirecard-fr-822768

  • "Genauso wichtig wie die juristische Aufarbeitung wäre es, die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik transparenter zu machen."

    Wie soll das denn gehen? Wenn das ernsthaft umgesetzt werden sollte, dann würde sich doch kaum noch jemand finden, der in die Politik gehen will.

    Der Trend ist doch genau gegenteilig. Bei genauer Betrachtung sind auch erhebliche Teile der Politik schon seit längerer Zeit quasi privatisiert, wenn auch nur inoffiziell über den Umweg eines inflationären Experten- und Beratertums.

  • Eine effiziente Börsenaufsicht erreicht der Staat aber auch nur mit qualifiziertem Personal. Und dafür will auch wieder keiner Geld ausgeben oder es endet in Neiddebatten. Einen erfahrenen IT Prüfer oder Wirtschaftsprüfer wird man nicht für A13-A14 finden, wie es die BaFin aktuell auf ihrer Website versucht.



    Mich hätte genau dieser Aspekt in dem Artikel interessiert. Mit welchem Personal prüft denn die BaFin aktuell, nachdem die DPR aufgelöst wurde?

    • @DanPan:

      Eine effiziente Börsenaufsicht ?

      Da friert wohl eher die Hölle ein.

    • @DanPan:

      Für A13 - 14 findet man das Personal durchaus. Das Problem ist vielmehr, dass der Posten üblicherweise für Beamte so bewertet wird, der Stelleninhaber aber gar nicht verbeamtet wird.

      Für E 13 - 15ü steht tatsächlich keine Schlange vor der Tür.

      Während der Beamtensold netto und von den übrigen Vergünstigungen (Pension, private KV) noch durchaus konkurrenzfähig ist, sieht das bei der Tarifbeschäftigung deutlich anders aus.

  • Der Wirecard AG Bilanzbetrug in Tateinheit mit mutmaßlicher Geldwäsche allein der Jahre 2015-2018 erinnert auf Hintergrund Iran Atomabkommens durch EU, Great Britain, USA, China, Russland, nach Verhandlungen endlich Abschluss dann durch Donald Trump halbes Scheitern, indem die USA sich zurückziehen, Iran aus grenzüberschreitenden Weltzahlungsverkehrssystem Swift suspendieren, während EU, Great Britain, China, Russland Iran verheißen, unabhängig von Swift, grenzüberschreitendes Zahlungsverkehrssystem zu entwickeln, an Drehbuch für Politik, Wirtschaft, die am Iran Abkommen festhalten, in Wirecard AG gerade in DAX aufgestiegen, global aufgestellter Zahlungsdienstleister als Weißen Ritter ihrer Wunschträume mit der Lösung zu sehen, wenn die Politik nur bereit ist, unbürokratisch über sich hinausgewachsen, global strategisch zu denken, Wirecard Weg in Rolle systemrelevanten Bausteins eigenen Weltzahlungssystems zu ebnen. Bei dieser politischen Mission organisieren, eingedenk entflohen Beschuldigtem Jan Masarek ist von involvierten Geheimdiensten die Rede, voran Österreich in Wien, Russland in Moskau, die BaFin, die sich im Fall Wirecard AG zwar für unzuständig erklärt, während BaFin Mitarbeiter mit Wirecard Aktien spekulieren, gleichwohl BaFin Wirecard vor investigativer Recherche abschirmt, anwaltlich gegen Journalisten vorgeht, dazu andere Aufsichtsämter, die trotz Hinweisen untätig bleiben. Dank bestehend politischem Weisungsrecht von Ministern in Bund Ländern gegenüber BKA, Aufsichtsämtern, Generalbundesanwalt, Staatsanwaltschaften, entgegen Forderungen Europol, Interpols zuletzt 2018, wird Münchner Staatsanwaltschaft bei Wirecard Ermittlungen kurz vor Anklage ausgebremst. Zu dem Drehbuch gehört Kryptowährung Schneeballsystem Schattenfinanzwelt. Ist Wirecards 1.9 Milliarden € Schwund gar nicht Luftbuchungen womöglich Bitcoin Fehlspekulationen geschuldet zulasten Steuerzahler

    • @Joachim Petrick:

      Bleibt eine neben anderen vieler Fragen, haben BaFin Mitarbeiter*nnen mit eigenem Geld privat oder auf dienstliche Anweisung Steuergeld finanziert mit Wirecard Aktien gehandelt, deren Kurse an Börsen aus übergeordnet finanzpolitisch strategischen Motiven zu stützen, vor Leerverkäufen zu schützen, eingedenk einmaligen Vorgangs in Deutschland an Börsenplätzen, dass die BaFin Leerverkäufe bei einer einzigen Aktie, nämlich der Wirecard AG amtlich verbietet

  • Die Politik schläft natürlich nicht!

    Sie stellt sich nur schlafend.

    Kennt doch jeder aus der Kinderzeit: Wenn ein Lapsus passiert war haben sich alle schnell schlafend gestellt ...

  • Da es sich bei Wirecard um eine AG gehandelt hat wäre auch der Weg über eine effiziente Börsenaufsicht hilfreich gewesen. Die SEC als mächtige Institution in den USA könnte hier Vorbild sein.



    Stichwort Lobbyisten, das ist in DE schwierig. Solange in den Ministerien vorwiegend Juristen und Verwaltungsfachleute sitzen, muss sich jedes Ministerium seine Fachexpertisen bei Beratern oder eben Verbänden holen. Aber richtig, so lange man das weiß und transparent macht wäre es auch ein Fortschritt. Jedoch, wie genau soll das dokumentiert werden? Satz 3 des neuen Gesetzes zu xy-Thema wurde vom Verbandsvorsitzenden Müller Maier beigetragen!? Schwierig!

    • @Tom Farmer:

      Wie arg die SEC dran ist sieht man ja bei Musk....genauso gefährlich wie das hiesige Kartellamt....nichts dahinter...

    • @Tom Farmer:

      Stichwort "Fußabdruck".

      Aber das wird ja auch immer wieder verschleppt und vertrödelt ...