Begehrtes olympisches Maskottchen: Ein Stofftier und seine Hehler
Vor Beginn der Winterspiele war das Maskottchen „Bing Dwen Dwen“ noch ein Ladenhüter. Jetzt interessieren sich sogar Spekulanten für ihn.
D ie Luft ist mittlerweile endgültig raus. Wenn in Peking jemals ein Funken von Olympia-Euphorie zu spüren gewesen war, dann ist dieser längst erloschen. Der Kneipenbesitzer um die Ecke sagte mir neulich erst, dass der Unterschied zu den Sommerspielen von 2008 wie Tag und Nacht sei: Damals wären selbst die Athleten und Coaches nach ihren Wettkämpfen auf ein Feierabendbier vorbeigekommen, gemeinsam mit den Anwohnern habe man ein regelrechtes Volksfest veranstaltet. Doch davon sei diesmal nichts mehr zu spüren.
Erst neulich bin ich beim Eishockey-Derby China gegen die USA unfreiwillig ins Hintergrundbild eines ARD-Beitrags gerutscht. Wir Korrespondenten waren an jenem Abend auf der Suche nach den euphorischsten Public-Viewing-Events. Doch statt chinesischen Zuschauern fanden wir in unseren Nachbarschafts-Pubs vor allem ausländische Kollegen mit Kameras und Aufnahmegeräten vor. Nur mit Glück haben sich ein paar einheimisch Fans finden lassen, die zum O-Ton bereit waren.
Ganz anders schaut es in Sanlitun beim Souvenir-Shop aus. Dort standen die Menschen bereits im Morgengrauen trotz eisiger Minusgrade Schlange – teilweise mit Heizdecke und Campingstuhl. Dort gab es jedoch weder Freibier noch ein neues Iphone. Stattdessen wollten die Pekinger dort „Bing Dwen Dwen“ ergattern, das offizielle Maskottchen der Winterspiele.
Der pummelige Panda im Astronautenanzug schaut in der Tat recht putzig aus, aber dass er mittlerweile unter Chinesen zum Spekulationsobjekt aufgestiegen ist, entzieht sich endgültig meinem Verständnis. Mehr als das Zehnfache zahlen Fans für ein Stofftier von „Bing Dwen Dwen“. Zuletzt musste sogar die Polizei einschreiten, um mehrere Hehler festzunehmen.
Dabei war ebenjener Panda noch kurz vor Beginn der Sportveranstaltung ein regelrechter Ladenhüter. Für meine Recherchen habe ich den olympischen Souvenirladen besucht – nur einen Steinwurf von der spektakulären „Big Air“-Schanze, auf der Superstar Eileen Gu zur Goldmedaille gesprungen ist. Damals kam ich mir vor wie in einem nordkoreanischen Supermarkt in Pjöngjang: volle, aufgeräumte Regale, allerdings absolut menschenleer. Die Chance, ins schwarz-weiße Plüschtier zu investieren, habe ich leider verpasst. Wer hätte auch ahnen können, dass Chinas größter Marketing-Streich der Olympischen Spiele ein 20 Zentimeter großer Panda ist?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett