Beeinflusster Weltklimarat: Datenlecks belegen Lobbyversuche
Dokumente sollen Industrienationen bei dem Versuch zeigen, den Weltklimarat zu beeinflussen. Doch es ist nicht so eindeutig, wie die BBC das darstellt.
In aufdeckerischer Manier beschrieb der Artikel 32.000 Dokumente, in denen Regierungen und Interessengruppen den Wissenschaftler:innen ihre Meinung unterjubeln wollten. Vermittelt hat die Papiere ein von Greenpeace finanziertes Investigativprojekt namens Unearthed. Saudi-Arabien und Australien zum Beispiel hätten darin nahegelegt, eine schnelle Abkehr von der fossilen Energiegewinnung nicht allzu stark zu betonen. Und Argentinien und Brasilien würden sich an der Erkenntnis stören, dass Fleischkonsum klimaschädlich ist.
Die BBC-Autor:innen befürchten, dass das Leck nun die Ernsthaftigkeit der anstehenden Weltklimakonferenz in Glasgow infrage stelle. Nur kommen die meisten Beispiele nicht gerade überraschend. Es sind Positionen, die die genannten Regierungen bisher längst auch öffentlich preisgegeben haben.
Und dass die meisten Staaten trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht genug tun, ist auch bekannt. Das Klimasekretariat der Vereinten Nationen hatte kürzlich ausgerechnet, dass die aktuell im Rahmen des Paris-Abkommens eingereichten Klimaziele bis 2100 noch auf 2,7 Grad Erderhitzung gegenüber vorindustriellen Zeiten hinauslaufen würden. Ziel ist ja eigentlich, dass bei deutlich unter 2 Grad Schluss ist.
Dass Regierungen die Berichte des IPCC kommentieren, ist indes auch nicht neu – es gehört sogar offiziell zum Prüfprozess des zwischenstaatlichen Gremiums. Für seine Berichte treten Tausende Wissenschaftler:innen von Unis und Instituten weltweit zusammen, um den aktuellen Sachstand der Klimaforschung zusammenzutragen. Die Ergebnisse werden erst unbeteiligten Fachkolleg:innen vorgelegt, dann Klimaexpert:innen der Regierungen. Heraus kommen Tausende Kommentare. Berücksichtigen müssen die Autor:innen nichts davon.
Etwas anders ist es bei den sogenannten Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger:innen. In tagelangen Sitzungen gehen die Wissenschaftler:innen die Kurzfassungen Satz für Satz mit den Regierungen der Vereinten Nationen durch. Ziel dieses doch absonderlichen Prozederes ist es, Formulierungen zu finden, die Regierungen auch verstehen – denn Sinn und Zweck des IPCC ist es, die Grundlage für wissenschaftsbasierte Politik zu liefern. Dabei ist die ursprüngliche Wortwahl auch schon verwässert worden.
Der Weltklimarat hat also durchaus politische Aspekte. Dass die Berichte demnächst fälschlicherweise aussagen, dass Steaks und Öl gut fürs Klima sind, ist aber eher nicht zu befürchten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“