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Bedrohungen ausgelöst von „Welt“-AutorBewusst exponiert

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Rainer Meyers Blog bei Springer und Psychoterror gegen Journalist*innen. Der Verlag hingegen sieht kein Problem.

Der Springer Verlag sieht kein Problem im Verhalten ihres Bloggers Rainer Meyer Foto: Schöning/imago-images

Die sozialen Medien sind für den Journalismus nicht bloß Gegenstand argwöhnischer Betrachtung. Sie sind längst Teil des journalistischen Ökosystems – vor allem Twitter, aber auch Facebook, Instagram und Youtube, neuerdings TikTok. Die klassischen journalistischen Medien erhalten auf diesen Plattformen Hinweise, treffen auf Quellen, Protagonist*innen, Expert*innen. Für freie Journalist*innen sind die sozialen Netzwerke deshalb wichtige berufliche Plattformen. Immer mehr journalistische Stimmen etablieren sich zum Beispiel auf Twitter, ehe sie von Redaktionen regelmäßig beauftragt oder befragt werden.

Gleichzeitig ist die Präsenz auf Social Media für Sie eine Gefahr. Ein gewisser Bekanntheitsgrad dort macht es wahrscheinlicher, zum Ziel von gezielter Hetze zu werden. Das betrifft insbesondere Menschen, die über Dinge schreiben, die im rechten Spektrum Reizthemen sind. Und es betrifft insbesondere Frauen, denen gegenüber die Trollarmeen auch sexualisierte Gewaltdrohungen zur Einschüchterung einsetzen. Doppelten Druck baut auf, dass freie Journalist*innen alleine arbeiten und keiner Institution angehören, die ihnen juristisch zu Seite stehen könnte.

Redaktionen beginnen, das zu verstehen, aber langsam. Ende letzten Jahres haben die Fälle um das Umwelt-Kinderlied des WDR und um den ehemaligen BR-Journalisten Richard Gutjahr gezeigt, der seine Zusammenarbeit mit dem BR beendete und das mit fehlender Unterstützung gegen Hass aus dem Netzbegründete. Es zeigte sich, dass die Sender Bedrohungen durch Online-Mobs unterschätzten oder zögerlich reagierten.

Das ist zumindest fahrlässig. Erschreckend aber wird es, wenn Medien den Mob im Netz offenbar bewusst anheizen, Bedrohungen von Personen in Kauf nehmen und das Ganze dann als unvermeidbar in der öffentlichen Debatte herunterspielen. Wer das seit Jahren tut, ist der Springer-Verlag mit Blogger und Autor Rainer Meyer, der unter dem Künstlernamen „Don Alphonso“ auftritt. Meyer schrieb ab 2009 seine Blogs „Die Stützen der Gesellschaft“ und „Deus Ex Machina“ unter dem publizistischen Dach der FAZ, 2018 wechselten die Blogs zur Springer-Zeitung Welt.

Gezielte Diffamierung

Meyers Marke ist das Antagonisieren des linken und liberalen Spektrums. Angriffsfläche für seine Texte sind unter anderem Feminismus, Antirassismus und Antifaschismus. Dabei hebt Meyer immer wieder Einzelpersonen hervor, die in den sozialen Medien aktiv sind und aus seiner Sicht dieses Spektrum repräsentieren.

2014, damals noch unter der der FAZ-Marke, veröffentlichte Meyer einen Text, der sich an der feministischen Autorin Anne Wizorek abarbeitete. Meyer war nicht einverstanden mit Wizoreks Haltung zum Umgang mit Vorwürfen sexueller Gewalt, aber der Text war von einer Kritik oder Argumentation weit entfernt. Gezielt diffamierte Meyer Wizorek als „selbststilisierte Aufschrei-Initiatorin“ und verglich sie mit dem Verschwörungsideologen Akif Pirinçci. Das geschah im selben Jahr wie #Gamergate, also Fällen von orchestriertem Mobbing gegen Feminist*innen, die Sexismus in der Videospiel-Szene beklagt hatten. Es war also bekannt, dass Texte in entsprechender Tonlage, die konkrete Personen, zumal Feminist*innen derart hervorheben, solches auslösen.

Meyer hat seitdem immer wieder Personen auf diese Weise hervorgehoben, unter anderem die Journalist*innen Sibel Schick, Sebastian Pertsch und Anna-Mareike Krause berichten von massiven Wellen von Gewaltdrohung nach Texten von Meyer. Es ist nicht Meyer selbst, der droht, sondern Accounts aus dem rechten Spektrum, die ihm folgen oder ihn lesen und bereit sind, Zeit zu investieren um jede Person, die er auswählt, fertigzumachen.

In diesen Tagen ist die freie österreichische Journalistin Natascha Strobl betroffen. Strobl erforscht und schreibt über Rechtsextremismus, vor einer Woche trat sie im ARD-Recherchemagazin „Panorama“ auf. „Panorama“ berichtete über Indizien, dass der Social-Media-Chef der Bundeswehr, Marcel Bohnert, Kontakte zu rechtsradikalen Personen unterhalte.

Strobl, die mit der Recherche an sich nichts zu tun hatte, war angefragt, über rechtsextreme Strukturen zu sprechen und wurde zum Beispiel gefragt, ob ein „Gefällt mir“ unter einem rechten Tweet als Bekenntnis zu werten sei, was Strobl bejahte. Nach dem Panorama-Beitrag starteten rechte Accounts bei Twitter einen Shitstorm, in den auch Strobl hineingeriet. Allerdings sagt sie der taz, es sei erst unerträglich geworden, als Rainer Meyer am Mittwoch auf welt.de einen Text über sie veröffentlichte.

Nach inhaltlicher Kritik kam die Hetze

„Als der ARD-Beitrag ausgestrahlt wurde, gab es zunächst gute inhaltliche Kritik von Personen, mit denen ich bereichernd diskutieren konnte“, sagt Strobl. „Nachdem sich Rainer Meyer eingeschaltet hat, war mein Twitteraccount hingegen nicht mehr benutzbar.“ Strobl spricht von Benachrichtigungen alle fünf Sekunden, von denen nicht alle, aber die große Mehrheit diffamierende und handfest bedrohende Nachrichten und Kommentare seien. Man sei nur noch „damit befasst Screenshots zu erstellen und zu blockieren“.

Meyer stört sich an der Beweislage, die das Magazin „Panorama“ in seinem Bericht über Bohnert heranzieht, aber dem wird im Text wenig Platz gewidmet. Stattdessen geht es um Strobl, die in dem ARD-Sendung als Expertin auftritt, also als nachträgliches Extra angefragt wurde, als die Hauptrecherche längst vollendet war. Sie spielt eine Nebenrolle, und doch fokussiert sich Meyer auf sie, bezeichnet sie als „linksextreme Aktivistin“ und listet Strobls vergangene Kooperationen mit linken Organisationen auf, teils inkorrekt. Etwa wenn es um eine Antifa-Veranstaltung in Kiel geht, bei der Strobl aufgetreten sein soll, was sie bestreitet.

Die Redaktion von „Panorama“, die beim NDR angesiedelt ist, sagt auf taz-Anfrage: „Natascha Strobl ist als Politikwissenschaftlerin eine anerkannte Expertin für die Neue Rechte und für Sprach- und Strategiemuster bei Social Media, die auch von anderen Medien hierzu regelmäßig interviewt wird.“ Strobl selbst sagt, Meyer versuche, ihr ihren Expertinnenstatus abzusprechen. „Er versucht etwas zu skandalisieren, das nicht skandalös ist und außerdem längst bekannt: dass ich eine linke Einstellung habe. Wenn er mich einfach gefragt hätte, hätte ich das offen gesagt. Stattdessen tut er so als hätte er mir ein Geständnis abgenötigt.“

„Zum Abschuss freigegeben“

Strobl bezeichnet das, was sie seit Meyers Artikel erlebt, als „Psychoterror“. Sie erhält zusätzlich zu persönlichen Gewaltandrohungen auch Drohungen gegen ihre Familie. Auf Twitter teilt sie Screenshots vom Online-Kondolenzbuch ihres kürzlichverstorbenen Vaters, das ebenfalls gekapert wurde. Sie fühle sich, als sei sie digital „zum Abschuss freigegeben worden“, sagt Strobl. „Wir sehen das nicht zum ersten Mal, es ist eine völlige Enthemmung, es geht nicht mehr um Fakten oder darum, was diese Person getan hat. Menschen projizieren ihren Lebensfrust auf mich, ihren Frust an der gesellschaftlichen Situation. Und es gibt niemand, der diesen Diskurs wieder begrenzt, im Gegenteil, er wird immer wieder angefacht.“

Als freie Journalistin hat Strobl keine Redaktion und kein Justiziariat, das ihr selbstverständlich beisteht. Die NDR-Redakteur*innen stehen mit ihr in täglichem Kontakt und „versuchen, sie zu unterstützen“, heißt es auf Anfrage, Konkretes möchte man nicht sagen. Allgemeiner heißt es, der NDR unterstütze Personen, die durch seine Sendungen (etwa durch Auftritte als Expertin) verstärkter Bedrohung ausgesetzt sind. „Wir bitten um Verständnis, dass wir nicht alle Wege offenlegen.Der NDR schaltet zum Beispiel gegebenenfalls die Polizei ein und/oder unterstützt durch seine Rechtsabteilung“. Strobl wird zudem von der Organisation „HateAid“ in juristischen Fragen unterstützt, erfährt Solidarität bei Twitter – und Bekannte helfen ihr, den Hass aus ihren Accounts zu filtern.

Und der Springer-Verlag? Auf taz-Anfrage wird darauf verwiesen, dass Bedrohungen und Beleidigungen in sozialen Netzwerken „leider an der Tagesordnung“ seien. „Das müssen regelmäßig auch unsere Journalistinnen und Journalisten erleben. Wir halten diesen Zustand in jedem Fall für absolut inakzeptabel und nicht hinnehmbar. Es obliegt dabei in erster Linie den zuständigen Behörden, dagegen wirksam vorzugehen.“ Auf die Frage, ob der Verlag sich in einer Verantwortung Strobl gegenüber sehe, gibt es keine Antwort.

„Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt spricht derweil online von „Täter-Opfer-Umkehr“. Nach all den Jahren darf man dem Verlag und der „Welt“-Redaktion zutrauen, dass sie wissen, was die Figur „Don Alphonso“ im Netz auslöst, wer ihr folgt, und zu was diese Menschen zum Teil fähig sind.

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11 Kommentare

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  • Wenn es um diesen Artikel gehen sollte: www.welt.de/kultur...eit-taeuschen.html

    Sollen politische Vernetzungen von Personen zur linksextremen Szene nicht mehr veröffentlicht werden dürfen? Das sind m.E. schon wichtige Hintergrundinformationen.

    • @Rudolf Fissner:

      Ja ,der Artikel isr es. Und er folgt in der Art der „Argumentation“ ziemlich dem Panorama Bericht, also: welche Kontakte gibt es online, wo ist jemand aufgetreten usw....Eine Art, die ich problematisch finde, aber die m.E. hier nur „gespiegelt“ wird. Ich fände den Artikel also schlechter, wenn er nicht eine Antwort wäre auf einen ähnlichen Bericht.

  • Sorry, habe vom Thema so gut wie keine Ahnung, finde es aber höchst beschämend, erst aus den Kommentaren erfahren zu müssen, dass der Besagte bei der FAZ nicht weitermachen konnte. Das gehört - da ganz elementar - in den Text.

  • Frau Strobl hat bei Twitter auf Nachfragen und Gegenargumente umgehend mit Blocken reagiert, weit vor dem Rant bei welt.de. Und auch Journalisten selbst, z.B. einer vom nd, haben als "Argumentationslinie" offenbar hemmungslos das Mittel der persönlichen Bloßstellung genutzt. Auseinandersetzungen auf Twitter lassen sich nicht so simpel in gut/böse bzw. Täter/Opfer einteilen.

  • Man kann von 'Don Alphonso' halten, was man will, aber dass er ein - legitimes - Meinungsspektrum abbildet und dazu über Personen schreibt, deren öffentliche Äußerungen ihm nicht gefallen, kann man ihm schlecht vorwerfen. Die TAZ tut das - zum Beispiel hier - immer wieder. Und auch Panorama war im Umgang mit Herrn Bohnert nicht gerade zimperlich. Dass heutzutage jeder, der medial in die Kritik gerät, mit übelsten Anfeindungen rechnen muss, ist wahr, und es ist ein Problem. Was bedeutet das für Journalisten? Auf Polemik und Zuspitzung verzichten? Ich möchte das nicht, und ich glaube nicht, dass das viel brächte. Das eigentliche Problem ist doch, dass immer mehr Leute nicht begreifen wollen, dass Meinungsunterschiede auszuhalten sind nicht dazu ermächtigen, anderen ans Leder zu gehen. Unserer Gesellschaft scheint die gute alte Toleranz abhanden zu kommen, dafür bräuchte es Lösungen.

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch -

    “Waffenhändler -



    taz.de/Bedrohungen...lt-Autor/!5705120/



    „Als der ARD-Beitrag ausgestrahlt wurde, gab es zunächst gute inhaltliche Kritik von Personen, mit denen ich bereichernd diskutieren konnte“, sagt Strobl. „Nachdem sich Rainer Meyer eingeschaltet hat, war mein Twitteraccount hingegen nicht mehr benutzbar.“ Strobl spricht von Benachrichtigungen alle fünf Sekunden, von denen nicht alle, aber die große Mehrheit diffamierende und handfest bedrohende Nachrichten und Kommentare seien. Man sei nur noch „damit befasst Screenshots zu erstellen und zu blockieren“.







    Typen wie Don Alphonso sind mediale Waffenhändler, und die sind nie Schuld am Krieg.“







    kurz - So geht’s zu in Die Welt & Auch tazis gern da Händchen hält. - 🤮 -

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Twitter ist generell ganz schlecht für's Gemüt. Kann sein dass das mit dem Konzept "follower" zusammenhängt. Wenn man den falschen Leuten suggeriert sie hätten eine "Gefolgschaft", dann macht das mitunter seltsame Sachen mit denen.

  • Die FAZ hat seinen Blog damals eingestellt, der ist nicht freiwillig zur Welt.

    "Liebe Leser, wir wollen unsere Blogplattform als Experimentierfeld wiederbeleben: Wir integrieren Podcasts und ordnen die Blogs thematisch neu. Wir werden neue hinzufügen und bisherige einstellen. Dazu gehören „Stützen der Gesellschaft“, „Deus ex Machina“ und „Digital/Pausen“."

    mobile.twitter.com...970976132106457088

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @Sven Günther:

      ...und zwar nicht wegen mangelnder Klickzahlen. Ich glaube das waren auch auf faznet recht gut besuchte Blogs!

      • @164 (Profil gelöscht):

        Das kann schon sein, aber nicht alles was erfolgreich ist, muss man auch machen.

        Ich habe ein, zwei Texte gelesen, Schreibstil und Inhalt gefiel mir beides nicht. Was mir nur auffiel, ich habe den Text gelesen und dann die Kommentare und viele der Kommentatoren zogen aus dem Text völlig andere Schlüsse als ich. Die Kommentarapalte war das, warum ich immer mal wieder reingeklickt habe, wie da der Untergang des Landes, der Freiheit und was sonst noch beschworen wurde...

        Aber auch wieder hier ein Beispiel für mich, warum ich mich nie in "sozialen Netzwerken" angemeldet habe, dieses Verhalten kannte ich schon aus vielen Jahren Gaming Foren und wer etwa bei WoW regelmäßig schrieb und auch Videos machte wusste, was es für Leute mit zuviel Zeit und Wut auf Alles und jeden gibt, da poste ich nicht auch noch persönliches von mir dazu.