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Offener Brief an den KanzlerHilferuf aus Afghanistan

200 Af­gha­nen mit deutscher Aufnahmezusage bitten Friedrich Merz in einem Brief um Einreise nach Deutschland. Sie fürchten Folter und Hinrichtungen.

Eine afghanische Frau und ihre kleine Tochter mit einer Aufnahmezusage für Deutschland am Flughafen in Islamabad, am 1.9.2025 Foto: Nabila Lalee/dpa

Berlin taz/dpa | Etwa 200 Afghaninnen und Afghanen mit einer Aufnahmezusage Deutschlands fordern in einem offenen Brief an Kanzler Friedrich Merz eine möglichst schnelle Ausreise in die Bundesrepublik. Die Gruppe wurde Mitte August von Pakistan nach Afghanistan abgeschoben und sieht sich dort von den herrschenden islamistischen Taliban bedroht.

Zu befürchten seien Entführungen, Folter, willkürliche Verhaftungen und sogar Hinrichtungen, heißt es in dem Brief. Zuvor hatte bereits der Spiegel berichtet.

Bei der Gruppe handelt es sich nach eigenen Angaben um Künstler, Bürger- und Menschenrechtsaktivisten, Richter, Staatsanwälte, ehemalige afghanische Regierungsangestellte, weibliche Haushaltsvorstände sowie Ortskräfte der Bundesregierung und Journalisten. In Kabul sind sie demnach nun von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in sogenannten Schutzhäusern untergebracht. Ihr Versteck sehen sie aber als nicht sicher an.

Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das auch an das Außen- und Innenministerium gerichtet ist: „Die ständige Bedrohung, dass die Taliban eindringen, die Angst vor Rache, willkürlicher Inhaftierung, Entführung, Folter oder Tod haben zu unerträglichen psychischen Traumata geführt.“ Jede Stunde Verzögerung könne sie das Leben kosten. „Wir haben an Ihre Versprechen geglaubt. Bitte lassen Sie nicht zu, dass dieses Vertrauen uns – und unsere Kinder – das Leben kostet.“

Unterstützt wird die Gruppe von den Grünen. Parteichef Felix Banaszak und mehrere Bundestagsabgeordnete schrieben ebenfalls an die Bundesregierung und stellten sich hinter die Forderungen der Afghanen.

Aufnahmeprogramm im Mai gestoppt

Die schwarz-rote Bundesregierung hatte nach ihrem Amtsantritt das Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen im Mai gestoppt. Seither werden keine neuen Anträge mehr aufgenommen, lediglich Afghanen mit bereits erteilter rechtsverbindlicher Aufnahmezusage können einreisen, oft müssen sie dafür Klage einreichen.

Neben früheren Ortskräften deutscher Institutionen und ihren Angehörigen sollten über das Programm auch Afghanen aufgenommen werden, die Verfolgung durch die islamistischen Taliban fürchten müssen, etwa weil sie sich in der Vergangenheit für Menschenrechte eingesetzt haben.

Am Montagabend sind 47 weitere Personen aus Afghanistan in Hannover gelandet. Bei ihnen handelt es sich laut Bundesinnenministerium nicht um einstige Ortskräfte der Bundeswehr oder anderer in Afghanistan tätiger deutscher Einrichtungen, sondern um von den Taliban verfolgte Personen.

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