Bauspielplatz mit trans*-Angebot: Angriff nach „Russia Today“-Artikel
„RT Deutschland“ berichtete im Februar über einen Hamburger Bauspielplatz für trans* Kinder. Nun tauchten dort Hakenkreuze und Geschmiere auf.
Das Angebot speziell für trans* Kinder war schon zuvor ins Licht einer größeren Öffentlichkeit gezogen worden. Unter der Überschrift „Hamburg: Spielplatz mit ‚Safe Place für Trans- und Nicht Binäre Kinder‘“ erschien am 8. Februar auf der Seite von „Russia Today Deutschland“, dem deutschsprachigen Internetangebot des russischen Propagandasenders RT, ein Artikel über das Angebot des Bauspielplatzes, auch „B-you“ genannt.
RT Deutschland soll, so die Kritik, vor allem Rechte und Verschwörungstheoretiker gezielt in ihrer Meinung bestätigen und entsprechende Desinformationen verbreiten. Nach den EU-Sanktionen gegen Russland sperrte die EU unter anderem „Russia Today Deutschland“, die finden aber Wege, weiter zu veröffentlichen.
Der Text über den Bauspielplatz wurde auf mehreren Seiten publiziert. Auch die Adresse des Treffens wurde genannt.
Der Träger des Platzes, die Gemeinwesenarbeit St. Pauli (GWA), war alarmiert und gab am 22. März eine „Stellungnahme zur Hetze in rechten Foren“ heraus. Der Bauspielplatz Hexenberg arbeite seit gut zwei Jahren an einem diversitätsorientierten Konzept mit Fokus auf queersensible Arbeitsweise. Ergebnis sei ein monatliches Freizeitangebot für trans* und nicht-binäre Kids, zu dem man Acht- bis Zwölfjährige einlade.
77 Institutionen der Hamburger Jugendhilfe unterzeichnen
„Erschreckenderweise wurde auf zwei rechten Plattformen und einem YouTube-Channel ein Hetzartikel über den Bauspielplatz gefunden, der genau gegen jenes Angebot in abfälliger Art berichtet und die Einrichtung diffamiert“, hieß es dort.
Man sähe sich gezwungen, das Angebot kurzfristig an einen anderen Standort zu verlegen. Damit sei die Idee, ein offenes Angebot für junge Menschen anzubieten, nicht mehr durchführbar. Aktuell könne man Ort und Zeit nur bei verbindlicher telefonischer Anmeldung durchgeben.
Die Stellungnahme wurde inzwischen von 77 Institutionen der Hamburger Jugendhilfe und 28 Einzelpersonen unterzeichnet. Am 16. Mai zum Beispiel wurde auf einem Treffen der Landesarbeitsgemeinschaft Kindheit und Jugend der Linkspartei zum Unterzeichnen aufgefordert. In der Nacht vom 17. auf den 18. Mai passierte dann der Übergriff auf den Platz.
Der Hamburger Verband für Kinder- und Jugendarbeit (VKJH) berichtet darüber auf seiner Homepage. „Vielleicht haben einige von euch mitbekommen, dass es einen erneuten Angriff gegen die Einrichtung gab, bei dem das Gebäude beschädigt und Sachen entwendet wurden“, heißt es dort. „Außerdem wurde im angrenzenden Park ein Hakenkreuz aus Holzteilen gelegt.“ Das zeige, wie dringend notwendig die große Solidarität mit dem B-you-Aktivplatz sei.
Die Sozialarbeiterin, die den Übergriff entdeckt hatte, rief die Polizei. Nach Auskunft der Polizei-Pressestelle wurde die Hausfassade der Einrichtung mit Kreide und Sprühfarbe beschmiert und unterschiedliche Schriftzüge angebracht, darunter haufenweise „ACAB“ und „1312“ (All Cops Are Bastards und die Anfangsbuchstaben als Zahlen ausgedrückt), das sind auch im linken Spektrum gebräuchliche Parolen, außerdem „666“ oder „Hail Satan“, sowie der Satz „Jeder kann machen, was er will, nur nicht mit Kindern“. Auch von dem Hakenkreuz aus Holzteilen auf der benachbarten Wiese berichtet die Polizei.
„Es handelte sich um queerfeindliche Sprüche“, sagt B-You-Leitung Kat Zeiger. Der Übergriff sei am Tag vor dem nächsten Treffen der trans* und nicht-binären Kinder passiert. Sie sieht außerdem einen Zusammenhang zu dem Artikel. Beides, Artikel und Übergriff, sei ihres Wissens beim Landeskriminalamt zu einem Aktenzeichen zusammengefasst, sagt sie auch dem Sender FSK. Schwierig an dem Artikel sei das Bloßstellen des Angebots, das Aneinanderreihen von aus dem Kontext gerissenen Informationen. „Es war nicht wertschätzend, nur kritisch gegenüber dem Angebot.“
„Perfider Artikel“ über Arbeit mit trans* Kindern
GWA-Geschäftsführer Martin Karolczak hatte schon nach dem Erscheinen des Artikels beim bürgernahen Beamten der Polizei um Rat gesucht, wie er berichtet. „Dieser ist perfide und formal nicht angreifbar“, sagt er. So wird dort aus lokalen Medien zitiert, dass der Platz im Juli 2023 an einem neuen Standort für 1,57 Millionen Euro neu gebaut wurde. „Das suggeriert, dass das ganze Geld für die Arbeit mit trans* Kids ausgegeben wird“, so Karolczak.
Bei der Bauspielplatzeröffnung hatte die grüne Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg gesagt, sie hoffe, dass Kinder sich dort frei bewegen können. Denn jüngste Studien hätten gezeigt, dass Kinder heute keinen Purzelbaum mehr schlagen und nicht mehr rückwärts laufen könnten und ihnen basale Fertigkeiten fehlten.
Der RT-Artikel nimmt das auf – und endet mit der Bemerkung, ob ein regelmäßiger Treffpunkt für trans* und nicht-binäre Kinder auf „genannte Defizite positiv und pädagogisch unbedenklich einwirkt, obliegt dabei rein subjektiven Mutmaßungen“. In den Leserkommentaren darunter ist von „Irrsinn“ und beängstigender Experimentierfreudigkeit der Gesellschaft die Rede. Einer schreibt: „Schande über diesen Staat“.
Nach dem Bekanntwerden der Schmierereien trat nun die Lokalpolitik auf den Plan. Auf Antrag der Grünen äußerte der Hauptausschuss der Bezirksversammlung Altona große Besorgnis über die rechtsextremen Angriffe auf den Bauspielplatz. Und Bezirkschefin von Berg erklärte: „Nazi-Symbole zu nutzen, um Kinder und Jugendliche einzuschüchtern, ist schlicht erbärmlich.“
Denkbar wäre, dass die Schriftzeichen am Bauspielplatz von jungen Menschen aus dem Viertel stammen, die sich an dem Angebot stoßen. Danach gefragt, sagt Zeiger: „Jugendliche aus dem Stadtteil waren es definitiv nicht.“ Der Platz hat werktags am Nachmittag für drei bis dreieinhalb Stunden für alle geöffnet. Zusätzlich gibt es vier monatlich tagende Gruppen, wozu auch eine Afro-Kids-Gruppe für Schwarze, eine Inklusionsgruppe und eine BIPOC-Familiengruppe gehört, das Kürzel steht für „Black, Indigenous, and other People of Color“.
Die Einrichtung habe sich lange mit der Diversitätsorientierung auseinandergesetzt, sagt Kat Zeiger. „Es gibt viele Personen, die brauchen einen Ort für sich, der sie empowert.“ Ziel sei dabei immer, dass die Kinder dann vom spezifischen Gruppenangebot in den Alltag hinüberwechseln und auch unter der Woche zum Bauspielplatz kommen. Das ist ein vergleichsweise neuer Ansatz. Erst seit Juni 2021 ist – angeregt durch den Bundesrat – im Jugendhilfegesetz verankert, dass es solche spezifischen Angebote geben soll.
Ignorieren oder nicht?
Bei der Lektüre des RT-Artikels, der am Anfang der Reaktionskette steht, fällt auf, dass er über weite Strecken nur öffentlich verfügbare Informationen aneinanderreiht. „Ich kann in dem Artikel nichts finden, was eindeutig unter Hetze fällt“, sagt der Geschlechterforscher und Transmann Till Amelung. „Ich finde es eher kritikwürdig, dass mehrere Sachverhalte vermengt werden und nicht so richtig klar wird, was vermittelt werden soll.“ Die Stellungnahme der GWA St. Pauli hält er für überzogen. „Ich hätte von diesem Mittel der Reaktion abgeraten. Ignorieren wäre besser gewesen.“
Es sei ihnen wichtig gewesen, den medialen Angriff sichtbar zu machen, „weil das auch andere Angebote treffen kann“, sagt indes Kat Zeiger. Die Solidarität sei „sehr motivierend und ein tolles Signal“.
Auch wenn der Artikel formal wenig angreifbar ist, entspricht er nicht allen journalistischen Standards: Das lokale Angebot des Bauspielplatzes wird mit dem Text überregional publik gemacht, ohne dass mit den Akteuren geredet worden wäre. Die taz fragte per Mail bei RT.DE nach, was sie dazu sagen. Eine Antwort kam bis Redaktionsschluss nicht.
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