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Bauernprotest in Schleswig-HolsteinSymbol von Naziwegbereitern

Hunderte Bauern formen mit ihren Traktoren Zeichen der „Landvolk“-Bewegung. Die verübte in den Zwanzigern Anschläge und wurde von der NSDAP vereinnahmt.

Bauern-Protest: Eklat um Symbol Foto: NDR

Berlin taz | In Schleswig-Holstein haben Hunderte Bauern mit Treckern das Symbol einer gewalttätigen Bewegung aus den 1920er Jahren nachgestellt, von der die NSDAP profitierte. Sie stellten ihre Traktoren am Donnerstagabend Lokalmedien zufolge im nordfriesischen Oldenswort so auf, dass aus der Luft ein riesiger Pflug und ein Schwert zu erkennen war. Es handele sich um das Zeichen der „Landvolk“-Bewegung in der Weimarer Republik, sagte Organisator Jann-Henning Dircks in einem Internet-Video.

Der Landwirt berief sich auf diese Gruppierung, „weil auch damals unsere Vorfahren nur von vorne bis hinten gegängelt wurden, nicht mehr weiterwussten“. Facebook-Beiträge aus dem Umfeld der aktuellen Gruppe richten sich zum Beispiel gegen Auflagen zum Umwelt- und Tierschutz, die Bauern wirtschaftlich unter Druck setzten. Dircks und weitere Mitstreiter haben am Montag in Berlin Mahnwachen begonnen, um auf die Lage der Bauern aufmerksam zu machen.

Die Grünen in Nordfriesland bezeichneten die schleswig-holsteinische Landvolkbewegung als „eine antisemitische und völkische Bewegung, die in Schleswig-Holstein den Grundstein für den Durchbruch der Nationalsozialisten gelegt hat“. In den Hochburgen der Bewegung habe die NSDAP bereits bei den Reichstagswahlen 1928 weit überdurchschnittliche Wahlergebnisse erzielt. „Die Übergänge zwischen Landvolkbewegung und NSDAP waren fließend, viele Landvolk-Akteure waren 1928 schon Mitglied der NSDAP.“ Teile der Bewegung damals hätten mehrere Bombenanschläge auf Landrats- und Finanzämter in Norddeutschland verübt. Auch in den Privathäusern von Beamten seien Bomben deponiert worden. „Es ist nicht hinnehmbar, dass heute hier bei uns in Nordfriesland das Symbol einer terroristischen Gruppe, die den Nationalsozialisten mindestens sehr nahe stand, für eine bislang friedliche Protestbewegung genutzt wird“, so Peter Schröder, Sprecher des Grünen-Kreisverbands.

Dircks bestritt daraufhin in einem Video, dass die wichtigsten Anführer der damaligen Bewegung, Claus Heim und Wilhelm Hamkens, rechtsextrem gewesen seien. Zudem distanzierte er sich „von jeden radikalen Sachen und Gedankengut“.

Bauernverband und Land schafft Verbindung verurteilen die Protestaktion

Bauernschaft spaltet sich weiter

Georg Janßen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der als Agrarstudent Zeitzeugengespräche mit Heim geführt hatte, sagte der taz jedoch: „Die Landvolk-Bewegung war nicht von vornherein die Landtruppe der NSDAP.“ Die Bauern hätten sich gegen Steuern und Zwangsversteigerungen gewehrt. „Aber es gab massive Einflussnahmen seitens der Nazis. Sie schafften es, die Bewegung politisch aufzuspalten und zu vereinnahmen.“ Die meisten Landvolk-Leute hätten später die ­NSDAP unterstützt. Der Historiker Christian M. Sörensen schreibt, die Bewegung habe mit ihrem Kampf gegen das „System“ die Abkehr von den bisherigen Parteien verstärkt, die Bauern für politische Betätigung mobilisiert und so „– ungewollt – den NSDAP-Aufstieg gefördert“. Janßen kritisierte deshalb den Treckeraufmarsch mit dem Landvolksymbol: „Es ist politisch unverzeihlich, so ein Aktionsbild zu wählen“.

Auch der Bauernverband Schleswig-Holstein und die Organisation „Land schafft Verbindung Deutschland“ (LSV) verurteilten die Aktion. Das zeigt, dass sich die Bauernschaft weiter spaltet und ein Teil radikalisiert. Denn bisher war es LSV gelungen, Zehntausende Landwirte zu Demonstrationen gegen Umweltauflagen zu mobilisieren und den Bauern eine Stimme zu geben, denen die Positionen und die Rhetorik des Bauernverbands zu lasch sind. Die letzten LSV-Aktionen waren aber bedeutend kleiner.

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25 Kommentare

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  • Ich pflanze jetzt die Kartoffeln auf dem Balkon oder nur aus Südamerika.



    Genug ist genug.

    • @Demokrat:

      Eigentlich ja.

  • Die Frage, ob die Bewegung eine Nazi-Bewegung und die Anführer Claus Heim und Wilhelm Hamkens Nazis gewesen seien, entscheidet sich auch daran, ob man heutige oder damalige Maßstäbe anlegt.

    Von Heim ist mir nichts dergleichen bekannt, aber mindestens Hamkens war bekennender Antisemit und schlachtete antisemitische Narrative auch für die Sache der Landvolk-Bewegung aus. Nach heutigen Maßstäben steht er damit sehr weit rechts, damals war das wohl näher am Durchschnittsdenken.

    Den historischen Nationalsozialisten scheinen beide Führungspersönlichkeiten ein Stachel im Fleisch gewesen zu sein. Heim entging wohl nur durch Einflussnahme seines Nazi-Schwagers dem KZ, Hamkens opponierte offen gegen die Gleichschaltung seiner Bewegung durch die Nazis und zog sich nach seiner Niederlage ins Private zurück.

    Wenn man die Bedeutung der Landvolk-Bewegung in ihrem historischen Kontext beurteilen will, sollte man das Hauptaugenmerk nicht auf das richten, was sie mit einem großen, vielleicht dem größten Teil der Bevölkerung teilte (Antisemitismus), sondern auf das, was damals das besondere an der Bewegung war: Dass es sich um eine in Teilen militante Bewegung zur Verteidigung bäuerlicher Rechte handelte, die sich in ihrer Symbolik und Rhetorik teilweise auf frühere Bauernbewegungen, wie die "Bauernrepublik Dithmarschen" bezog.

    Nicht der Antisemitismus, sondern der Grundcharakter als Bauernrechtsbewegung dürfte der Grund sein, warum heutige Bauern sich mit dem Landvolk identifizieren. Heute wie damals sehen sich Bauern als unterdrückt und in ihren Rechten beschnitten. Heute wie damals nutzen sie historische Symbole, um darauf aufmerksam zu machen.

  • Bauers, mit solchem Quatsch macht ihr euch keine Freunde. Tut ihr mittlerweile alles, um Aufmerksamkeit zu erregen? Warum wird 100 Jahre alter Kram wieder aus der Schublade geholt? Das hilft euren Argumenten nicht, die "Stadtleute" werden ihre Vorurteile höchstens bestätigt sehen. Also wollt ihr wohl nicht reden, sondern nur provozieren.

  • Typisch deutsch, typisch heute. Sich lieber an Symbolen hochziehen als die Ursachen der Misere zu erläutern.

  • Die Bauern sind traditionell eher unpolitisch und neigen daher zu konservativen Weltbildern, sind Argumenten gegenüber prinzipiell skeptich eingestellt, interessiert an einfachsten Lösungen und infolge dessen empfänglich für Polemik. Die Arbeiterbewegung war nie eine Bauernbewegung und die Bauern haben sich im besten Fall eher da rausgehalten. Auch wenn die Bezeichnung des ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaates das anders suggerieren mag. Leider haben es die wenigsten verstanden diesen tradierten Wiederstand zu überwinden. Dass es gehen kann haben spätestens die Proteste um Wackersdorf bewiesen. Der Bauernverband jedenfalls arbeitet grundsätzlich gegen die Interessen der kleineren Landwirte, kann diese aber gewinnen, indem et ihnen einredet, dass Veränderungen immer zu ihrem Nachteil sein werden. Es sei denn, diese versprechen kapitalistische Vorteile. Zum Glück gibt es aber immer mehr nachhaltige Bewirtschaftung. Und wenn ein Bauer sieht, dass etwas funktioniert, was ein Bauer gemacht hat, dann sticht das jedes Argument von außen. Hierbei handelt es sich, wohlgemerkt, um meine Meinung.

    • @Vollgut2000:

      In der Vollerwerbslandwirtschaft sind bis heute zumeist Selbständige tätig. Allein aus diesem Grund gab es nie Gemeinsamkeiten bzw. Schnittmengen mit der Arbeiterbewegung. Die Bauern waren und sind halt froh auf dem Land zu leben und nicht in der Stadt. Wir die Landmenschen und da die Städter – das hat in vielen Landwirtschaftsfamilien heutzutage noch Bestand.

  • Sind nicht Teile der deutschen Landwirte politisch konservativ eingestellt, welche sich bspw. über “Öko-Spinner“ lustig machen? Das umstrittene Bild (Pflug und Schwert) besteht ja aus mehr als nur einem Traktor.

    • @Thomas Brunst:

      In der Tat, die Bauern wählen ganz überwiegend CDU. Ist das schlimm? Über Öko-Spinner machen sie sich gerne lustig. Öko-Spinner im Sinne der Bauern, sind Menschen die zwar keine Ahnung von Landwirtschaft haben, aber den Bauern vorschreiben wollen wie sie ihre Betriebe zu bewirtschaften haben.

      • @Bernhard Hellweg:

        “... den Bauern vorschreiben wollen wie sie ihre Betriebe zu bewirtschaften haben.“ Die Spinner liefern neben der Kritik eben auch Lösungsansätze!



        Das ist auch typisch, dass angebrachte Kritik generell und kategorisch Besserwisserei sei und die Arbeit des Bauern an sich und somit die Welt generell aus den Angeln heben will. Diese Reaktion ist menschlich aber recht unreif. Wenn Kritik kränkt, sagt das mehr über den Gekränkten denn den Kritiker. Und egoistisch ist es allemal, weil die Landwirtschaft nunmal Auswirkungen auf das Land und die Luft und das Wasser hat. Und unbedingt da, haben wohl alle Menschen ein Wörtchen mitzureden, würde ich meinen.

        • @Vollgut2000:

          KEIN Landwirt wird sich über eine Kritik aufregen, wenn sie berechtigt ist. Jeder Landwirt weiß, das seine Arbeit unmittelbar Auswirkung auf seinen Boden und Tiere hat.



          WARUM aber sollen sich Landwirte nicht beschweren, wenn sie pauschal ALLEINE für alle Problemen Schuld sein sollen. Nehmen Sie z.B. Populistische Aussagen wie von Frau Künast, Landwirte sind schuld an Corona : www.agrarheute.com...dwirtschaft-569153



          WARUM wird wie beim Nitrat nie über den Anteil von Industrie, Verkehr, und den Abwasser von 80 Mill. Menschen gesprochen ?



          WARUM wird nicht das ganze System hinterfragt, die Preise für Lebensmittel künstlich tief zu halten, dafür den Landwirten einen Ausgleich zu zahlen, damit der Verbraucher mit seinem gespartem Geld den Konsum am laufen hält ?

          • @Günter Witte:

            Nein, nein, nicht Auswirkungen auf „seinen Boden“, sondern Auswirkungen auf unsere Umwelt, Grundwasser, Tierwelt. Das ist schonmal eine völlig abstruse Grundhaltung, mit der du und ja auch die Landwirte die Problematik betrachtest.

      • @Bernhard Hellweg:

        Die Öko-Spinner, die obwohl sie keine Ahnung von Landwirtschaft haben, dennoch erkennen, dass massiver Einsatz von Pestiziden und Insektiziden zwar spitze für die Überproduktion von Lebensmitteln ist, aber schlecht für die Umwelt?



        Und erkennen, dass die Überproduktion dazu führt, dass die Märkte (besonders) in Afrika mit unserem Getreide und Fleisch überschwemmt werden?



        Was zu Armut bei den heimischen Bauern führt?



        Und zu Unterbeschäftigung bei jungen Menschen?



        Und, dass das eine Hauptursache für (Armuts-)Migration darstellt?



        Worüber sich dann wieder die Spinner vom rechten Rand aufregen?



        Die Welt ist globalisiert, auch Schleswig Holstein, also handelt danach.



        Und dass die meisten Bauern CDU wählen ist nicht schlimm, aber bezeichnend.

        • @Spider J.:

          Ihrer Ansicht nach hat also nur die Arbeit von Landwirten Auswirkung auf diesen Planeten, nicht aber die Lebensweise der ganzen Bevölkerung ?

        • @Spider J.:

          Der Satz "(...) obwohl sie keine Ahnung von Landwirtschaft haben, dennoch erkennen (...)" lässt die Interpretation zu, dass Sie glauben Ahnung zu haben. Trotzdem möchte ich mir erlauben, zu Ihren Kritikpunkten kurz Stellung zu nehmen:



          1. Das Wort Pestizide existiert in der Landwirtschaft nicht, sondern wird von Außenstehenden gerne als Synonym für Pflanzenschutzmittel genutzt. Da neben Herbiziden, Fungiziden auch Insektiziden zu den wichtigsten Pflanzenschutzmitteln gehören, macht Ihre Aufzählung ("Pestizide und Insektizide") wenig Sinn. Insektizide sind bereits eine echte Teilmenge von Pestiziden.



          2. Überproduktion? Für die Saison 2019/2020 weist die neuste Schätzung der USDA eine globale Weizenproduktion (wichtiges Grundnahrungsmittel) von 773 MMT aus. Dieser Produktion stehen 753 MMT Nachfrage (Konsum) gegenüber. Die Überproduktion beträgt somit voraussichtlich 20 MMT. Es werden damit ca. 2,66% (!) mehr Weizen geerntet, als nachgefragt wird. Diese Überproduktionen (von ganzen 2,66%) sind notwendig, um Jahre mit geringer Produktion auszugleichen.



          3. Afrika: Der Norden Afrikas ist zum größten Teil Wüste (Sahara). Um Ihnen das Produktionspotenzial der nordafrikanischen Landwirtschaft aufzuzeigen, greife ich auf mein liebstes Beispiel zurück: Ägypten. Die ehemalige Kornkammer Roms verfügt über eine landwirtschaftliche Nutzfläche von ca. 3,7% der Gesamtfläche. Deutschland, welches von der Gesamtfläche etwas kleiner ist, weist eine ldw. Nutzfläche von fast 50% auf. Die Bevölkerung in Ägypten ist dabei um einige Millionen größer.



          Süden Afrikas = Regenwald.



          4. Die Hauptursache für die Migration aus (Nord-)Afrika ist eine Mischung aus hohem Bevölkerungswachstum und vergleichsweise niedrigem Wirtschaftswachstum. Die Landwirtschaft könnte auf Grund der geringen Produktivität nicht den Arbeiterüberschuss absorbieren. In der Industrienation Deutschland sind ca. 550 000 Menschen in der Ldw beschäftigt. Insg. gibt es aber 45 000 000 Beschäftigte in Deutschland (=1,22%).

        • @Spider J.:

          Landwirtschaft kann entweder zuviel oder zuwenig produzieren, passend geht nicht. Ein Zuwenig bedeutet Hunger, also bleibt nur ein Zuviel. Apropos Migration, Afrika kann sich nur zu rd. 70% allein ernähren, sollen wir den Afrikanern nichts mehr verkaufen? Dann müssten 30% verhungern oder zu uns kommen.

        • @Spider J.:

          3 Daumen hoch..... Sie haben es auf den Punkt gebracht.

      • @Bernhard Hellweg:

        Wenn sich aber Bauern mit rechtsradikalem Gedankengut verbinden hört der Spass auf. Gut Bauern verstehen was von Landwirtschaft das ist klar aber leider sind die Agrokonzerne die die Landwirtschaft immer mehr steuern eben nicht die "Bauer" sondern verfolgen andere Interessen.



        Und da hab ich den EIndruck dass die Kritik der Ökospinnern zu denen ich mich auch gerne zähle sehr angebracht ist.

        • @Opossum:

          Bauern wählen ganz überwiegend die CDU. Ist das rechtradikal? Übrigens, die Agraropposition hat diese Fahne auch schon vor sich hergetragen..

          • @Bernhard Hellweg:

            in dem Artikel gings um die Landvolk Bewegung oder



            wer hat welche Fahne vor sich hergetragen ???

  • Danke fürs wikipedia zitieren. Das ist Qualität...

  • Naja, Landvolkbewegung gleich (oder nahe dran) Nazi/NSDAP ist historisch falsch. Besser als hier wird die Geschichte beim NDR kurz beschrieben:

    www.ndr.de/geschic...eumuenster608.html

    • @Chutriella:

      Nein, die Gleichsetzung ist vollkommen gerechtfertigt.

      • @Hampelstielz:

        Da hätte ich mir ausreichende Untermauerung der Behauptung gewünscht. Aber Differenzierung stört nur bei Meinungsabtausch.