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Bauern nach Mercosur-AbkommenÜbertrieben und scheinheilig

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Europäische Bauern fürchten, der Markt könne überschwemmt werden. Dabei ist es die EU, die Produkte in rauen Mengen subventioniert und exportiert.

Kritik an Mercosur kommt auch von hiesigen Bauern Foto: Pia Bayer/dpa

M anche Kritikpunkte am Handelsabkommen der Europäischen Union mit vier Staaten der südamerikanischen Mercosur-Gruppe mögen gerechtfertigt sein: zum Beispiel, dass es die industrielle Entwicklung von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay behindern könnte. Aber die Kritik vieler europäischer Bauern ist übertrieben und teils scheinheilig.

Anders als die Landwirte behaupten, werden die Agrarmärkte der EU keinesfalls mit Billigware aus Südamerika überschwemmt. Schließlich wird die Europäische Union nur überschaubare Kontingente einräumen, die die Mercosur-Staaten zu niedrigeren Zöllen als bisher exportieren können. Beispielsweise 99.000 Tonnen Rindfleisch pro Jahr. Das entspricht lediglich 1,6 Prozent der gesamten EU-Rindfleischproduktion und ist rund die Hälfte der 196.000 Tonnen, die der Mercosur schon jetzt in die EU verkauft.

Im Ergebnis würde die EU nach den Zollsenkungen nur knapp 1 Prozent weniger Schweine- und Geflügelfleisch produzieren als vorher. Das geht aus einer Modellrechnung des bundes­eigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts hervor. Noch niedriger wären die Einbußen bei Rind- und Schaffleisch, Milchprodukten, Zucker, Getreide, Obst und Gemüse sowie Bioethanol.

Europäer sind Exportweltmeister

Heuchlerisch ist die Kritik unter anderem des Deutschen Bauernverbands an Importen aus dem Mercosur. Er drängt ständig darauf, dass die EU neue Exportmärkte für ihre Bauern öffnet. Die Union ist der größte Agrar- und Lebensmittelexporteur der Welt. 2023 exportierte die EU in dem Sektor für 70 Milliarden Euro mehr, als sie importierte. Die Europäer sind Weltmeister bei der Ausfuhr von Käse und Schweinefleisch.

Zwar stimmt es, dass zum Beispiel die Löhne in Deutschland höher sind als in Brasilien. Aber dafür können südamerikanische Landwirte von Agrarsubventionen auf EU-Niveau nur träumen: Die Europäer päppeln ihre Bauern mit 55 Milliarden Euro pro Jahr. Wer so viel subventioniert und exportiert, sollte sich nicht über ein paar zusätzliche Importe aus Mercosur-Staaten beklagen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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15 Kommentare

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  • Scheinheilig ist es wenn man für die Landwirtschaft in Deutschland, Europa immer strengere Regelungen verlangt dann aber Produkte um die halbe Welt transportiert die mit Mittel, die bei uns seit Jahrzehnten verboten sind, produziert werden. Wir lassen ja auch keine Autos ohne Bremsen, Licht aus anderen Ländern auf unsere Straßen, auch wenn sie nur 1% ausmachen würden.

  • Kein Wort über die Bedingungen in Südamerika. Hier in Europa gibt es die strengsten Gesetze zu Pflanzen- und Tierschutz. In Südamerika werden noch Pflanzeschutzmittel eingesetzt, die in Europa seit 50 Jahren verboten sind. Der europäische Landwirt findet sich jetzt in Konkurenz mit dem Bauern aus Entwikclungsländern. Die europäische Industriue schützt sich und die Verbraucher mit der CE-Maschinenrichtlinie und vielen weiteren Richtlinien und Gesetzen. Im Lebensmittelbereich ist es völlig wumpe, da geht es ja nur um unsere Gesundheit.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Volkmar Katenkamp:

      Die Konkurrenz aus Entwicklungsländern für EU-Bauern bleibt eben sehr klein. Auch nach Inkrafttreten des Mercosur-Abkommens dürfen die südamerikanischen Staaten nur überschaubare Mengen zu günstigen Importzöllen in die EU verkaufen.

  • Wer schweres Gerät einsetzt um unsere Infrastruktur lahmzulegen ist ein Terrorist. Diese feigen Agrar-Terroristen müssen enteignet und bestraft werden. Weshalb passiert das nicht?

  • Die Bauern brauchen sich hier keine Sorgen zu machen wenn alle Verbraucher in Deutschland so einkaufen, wie sie immer behaupten. Wenn die auf die hohen Standards bestehen die sie von deutschen Bauern einfordern, dürften Importe an Lebensmitteln aus den Mercosur- Staaten hier wenig Absatz finden.. Und dann noch der negative Effekt den die Importe auf das Klima haben würden.

    • @Thomas2023:

      Da der Handel, Entschuldigung, Özdemir ja nur eine Kennzeichnungspflicht für verpacktes, unbehandeltes Fleisch eingeführt hat, können jetzt die Handelsriesen jegliches Fleisch, egal ob mit Hormonen, egal welche Qualität, für Wurst, Fertiggerichte verarbeiten weil sie es da nicht deklarieren müssen. Der Handel wusste damals schon, als sie für Özdemir das Gesetz geschrieben haben, wie sie es für ihren Vorteil nutzen können.

      • @Günter Witte:

        Sie haben meine völlige Zustimmung. Mein Beitrag sollte etwas zum Nachdenken anregen und war eher ironisch gemeint. Es besteht eben ein Unterschied in dem was alle sagen/fordern und dem was in der Realität an der Ladentheke passiert.

        • @Thomas2023:

          Aber das wirklich traurige an der Sache ist wie sich die Argumentationen verschoben haben. Wurden früher noch die unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen, ob Bio, ob Konventionell gegeneinander ausgespielt, so werden heute Landwirte pauschal diffamiert. Gut, jede Gruppe hat ihr Feindbild und in Deutschland werden dafür die Landwirte genutzt !!

  • Wie wäre es mit flexiblen Zellen, wie z.b. in der Schweiz, wo es saisonale Tarife gibt. Wenn dort genug Erdbeeren produziert werden ist der Importzoll hoch, wenn die Saison endet, sinkt der Zoll. Wenn man da zwischen den Import- und Exportländern einen entsprechenden Ausgleich findet, könnte man in einem gewissen Rahmen besser nach Bedarf produzieren und Überproduktion und unnötige Transporte vermeiden.

  • Wer vertraut schon noch den Ausagen des Bauernverbandes, nach seinen Einlassungen zur Nähe der Rechtsradikalen in unserem Land und seiner Duldung von gewaltsamen Demonstrationen mit Unfällen Dritter die knapp an tödlichen Ausgängen vobeigeschrammt sind.



    Und was die wirtschaftliche Tragweite der Landwirte in desem Land anbelangt, sollte nur mal von den Subventionen den Exporterlös abziehen. Da bleiben ganz 15 Milliarden übrig. Und dafür betreiben wir einen rießigen Verwaltungs- und Bürokratieaufwand, damit dieses Ergebnis zustande kommt. Andere Branchen können von solchen Verhältnissen nur träumen. Dabei verursacht die Landwirtschaft noch zusätzlich volkswirtschaftliche Flurschäden in einem Ausmass, welches die 15 Milliarden instand verpuffen lässt, würde die Landwirtschaft diese Schäden selbst bezahlen müssen.

    • @Sonnenhaus:

      Sie meinen damit, dass es völlig OK ist, sämtliche Bauern in einen Topf mit Rechtsradikalen und Gewalttätern zu werfen, nach dem Motto "sind eh alle Nazis, die sollen einfach den Mund halten"?



      Ansonsten wäre ich mal gespannt, wie es wohl wäre, wenn Sie sich mit Ihrem kleinen Schrebergarten, sofern Sie überhaupt einen solchen haben, selbst versorgen müssten statt dank EU-Subventionen auf ein reichhaltiges Lebensmittelangebot zurückgreifen zu können.



      PS: Die EU-Landwirtschaftssubventionen wurden vor allem aus der Erkenntnis heraus eingeführt, dass man sich ausgerechnet bei Lebensmitteln nicht von weit entfernten Kontinenten wie den beiden Amerikas oder Asien abhängig machen sollte. Während der Covid19-Pandemie haben wir bei FFP2-Masken und vielen Medikamenten gesehen, was passiert, wenn man seine Produktion auf andere Kontinente ausgelagert hat.

    • @Sonnenhaus:

      Es würde mich wirklich interessieren wann die gewaltsamen Demonstration der Landwirte stattgefunden haben sollen. Ich selbst habe nur friedlich Protestierende Landwirte gesehen. Könnten Sie mir konkret die Unfälle aufzählen mit fast tödlichen Ausgang? (Es gab keine, nicht so wie bei der letzten Generation, die durch Blockaden an diversen Stellen, andere Personen offensichtlich gefährdet haben --> auf Landebahnen festgeklebt, Rettungswagen behindert......)



      Zum Verwaltungs- und Bürokratieaufwand bezüglich der Deutschen Landwirte gebe ich Ihnen recht. Jedes Jahr wird versucht noch mehr Bürokratie und neue Paragrafen der deutschen Landwirtschaft aufzubürden.



      Leider habe ich nicht verstanden welchen volkswirtschaftlichen Schaden die Landwirtschaft anrichtet, zahlen die keine Steuern? Sind die Subventionen die ausgezahlt werden etwa nicht dem Einkommen zuzurechnen? Ich habe keine konkreten Zahlen, aber ohne groß zu rechnen kann man davon ausgehen, das die Landwirtschaft wesentlich mehr Geld in die Staatskasse spült, als das Sie erhält.

    • @Sonnenhaus:

      Danke, meine Rede...