Bauern nach Mercosur-Abkommen: Übertrieben und scheinheilig
Europäische Bauern fürchten, der Markt könne überschwemmt werden. Dabei ist es die EU, die Produkte in rauen Mengen subventioniert und exportiert.
M anche Kritikpunkte am Handelsabkommen der Europäischen Union mit vier Staaten der südamerikanischen Mercosur-Gruppe mögen gerechtfertigt sein: zum Beispiel, dass es die industrielle Entwicklung von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay behindern könnte. Aber die Kritik vieler europäischer Bauern ist übertrieben und teils scheinheilig.
Anders als die Landwirte behaupten, werden die Agrarmärkte der EU keinesfalls mit Billigware aus Südamerika überschwemmt. Schließlich wird die Europäische Union nur überschaubare Kontingente einräumen, die die Mercosur-Staaten zu niedrigeren Zöllen als bisher exportieren können. Beispielsweise 99.000 Tonnen Rindfleisch pro Jahr. Das entspricht lediglich 1,6 Prozent der gesamten EU-Rindfleischproduktion und ist rund die Hälfte der 196.000 Tonnen, die der Mercosur schon jetzt in die EU verkauft.
Im Ergebnis würde die EU nach den Zollsenkungen nur knapp 1 Prozent weniger Schweine- und Geflügelfleisch produzieren als vorher. Das geht aus einer Modellrechnung des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts hervor. Noch niedriger wären die Einbußen bei Rind- und Schaffleisch, Milchprodukten, Zucker, Getreide, Obst und Gemüse sowie Bioethanol.
Europäer sind Exportweltmeister
Heuchlerisch ist die Kritik unter anderem des Deutschen Bauernverbands an Importen aus dem Mercosur. Er drängt ständig darauf, dass die EU neue Exportmärkte für ihre Bauern öffnet. Die Union ist der größte Agrar- und Lebensmittelexporteur der Welt. 2023 exportierte die EU in dem Sektor für 70 Milliarden Euro mehr, als sie importierte. Die Europäer sind Weltmeister bei der Ausfuhr von Käse und Schweinefleisch.
Zwar stimmt es, dass zum Beispiel die Löhne in Deutschland höher sind als in Brasilien. Aber dafür können südamerikanische Landwirte von Agrarsubventionen auf EU-Niveau nur träumen: Die Europäer päppeln ihre Bauern mit 55 Milliarden Euro pro Jahr. Wer so viel subventioniert und exportiert, sollte sich nicht über ein paar zusätzliche Importe aus Mercosur-Staaten beklagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Deutsche und das syrische Regime
In der Tiefe