Batterierohstoff aus Thermalwasser: Erdwärmekraftwerk zu Lithiumquelle
Das begehrte Lithium wird in Deutschland bislang nur importiert. Die Geothermieanlage im badischen Bruchsal soll den Rohstoff künftig liefern.
Unter anderem die EnBW und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wollen die entsprechende Anlage in den kommenden Monaten entwickeln und im Laufe des Jahres aufbauen. Die Technik basiert auf einem vom KIT mit Partnern entwickelten mehrstufigen Verfahren, an dessen Ende ein Lithiumsalz ausgefällt wird.
3,4 Millionen Euro sind für das Projekt veranschlagt, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie finanziert davon 80 Prozent. Selbstbewusst hat man das Vorhaben „UnLimited“ genannt. Das steht für: „Untersuchungen zur Lithiumproduktion aus heißen Tiefenwässern in Deutschland“.
Es gebe bereits „vielversprechende Ergebnisse im Labormaßstab“, sagt eine Sprecherin der EnBW. Nun solle das Verfahren in der Pilotanlage „auf Herz und Nieren geprüft“ und weiter optimiert werden. In der Theorie ist das Konzept zweifellos attraktiv. Basierend auf der Fördermenge von 24 Litern Tiefenwasser pro Sekunde ergibt sich rechnerisch – je nach Laufzeit der Anlage – eine jährliche Ausbeute von bis zu 100 Tonnen Lithium. Bei einem Lithiumbedarf von bis zu 10 Kilogramm pro Pkw-Akku würde das für einige Tausend Fahrzeuge reichen.
Wirtschaftlichkeit fragwürdig
Bislang deckt Deutschland seinen Bedarf an Lithium vollständig über Importe. Die größten Förderländer sind Australien, Chile, Argentinien und China. Pläne für die Gewinnung von Lithium in Deutschland gab es schon vor Jahren; die Firma Solarworld hatte bereits 2010 das Ziel verkündet, im östlichen Erzgebirge Lithium bergmännisch abzubauen. Doch 2017 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Inzwischen verfolgt die Deutsche Lithium GmbH, eine Ausgründung aus dem in Liquidation befindlichen Solarkonzern, das Thema weiter.
Die Gewinnung von Lithium aus Tiefenwasser hat gegenüber dem klassischen Bergbau, der viel Fläche verbraucht und Abraum produziert, unstrittig Vorteile. Nicht überall jedoch enthält das Thermalwasser das begehrte Element. Nach Erkenntnissen des KIT sind erhöhte Lithiumgehalte in Deutschland im Norddeutschen Becken und im Oberrheingraben zu erwarten. Und so gibt es neben dem Projekt Bruchsal auch schon ein zweites am Oberrhein, nämlich am Geothermiekraftwerk Insheim in der Pfalz.
Ob das Verfahren als wirtschaftlich tragfähig gelten kann, ist unterdessen noch unklar. Die EnBW, die das Kraftwerk in Bruchsal heute betreibt, will sich dazu nicht äußern; dafür sei es noch zu früh. Am KIT versichert Geochemiker Jochen Kolb, man werde „zum jetzigen Weltmarktpreis fördern“ können, schränkt aber zugleich ein: „Wenn wir das Upscaling erfolgreich bestreiten“ – wenn also der Schritt aus dem Labor in die Praxis gelingt.
Fragezeichen sind bei der Wirtschaftlichkeit angebracht, zumal wenn es um mögliche Nachfolgeprojekte geht. Denn schon das Kraftwerk in Bruchsal wurde erst durch massive Fördergelder von Bund und EU möglich. Die 17 Millionen Euro teure Anlage blieb deshalb bis heute das einzige Erdwärmekraftwerk Baden-Württembergs, trotz einst zahlreicher Pläne.
Schließlich kann die geringe Stromausbeute kaum motivieren. Zahlen nennt die EnBW zwar auch nach nunmehr zehn Betriebsjahren nicht, doch allzu hoch können diese schon rechnerisch nicht sein bei einer elektrischen Leistung der Anlage von gerade 440 Kilowatt. So vermag die jährliche Stromproduktion selbst unter optimalen Annahmen nicht einmal die Ausbeute einer einzigen mittelgroßen Windkraftanlage zu erreichen.
Die Frage aus Sicht der Geothermie wird also vor allem diese sein: ob die Lithiumgewinnung die Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke verbessern kann – oder aber sogar weiter verschlechtert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen