Bamf-Prozess vorm Bremer Landgericht: Den wahren Skandal erkennen

Der Prozess um den vermeintlichen Bremer Bamf-Skandal braucht eine große Bühne. Nur auf ihr wird anschaulich, wie grotesk das Verfahren ist.

Fluchtursachen bekämpfen steht auf dem Transparent das Demonstrierende vor dem Konzerthaus Die Glocke halten. Drinnen tagt das Bremer Landgericht

Im Konzerthaus „Die Glocke“ tagt das Gericht. Draußen erinnern Demonstrierende an den wahren Skandal Foto: Michael Bahlo (dpa)

Kurz blitzte am Donnerstag die Frage auf, ob das Landgericht nicht eine Nummer zu groß sei für die Verhandlung des vermeintlichen Bremer Bamf-Skandals. „Sie hätten ja auch“, sagte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, Silke Noltensmeier von-Osten, in Richtung der Vorsitzenden, „runtereröffnen können.“ Sprich: Die Verhandlung an das Amtsgericht verweisen.

Rechtlich wäre das korrekt gewesen. Aber trotzdem ist es so besser, und nicht nur aus verfahrens­ökonomischen Gründen. Den juristisch stichhaltigen Bodensatz aus der Anklageschrift rauszusieben, war personal- und zeitintensiv – und das noch einmal einer überlasteten Einzelrichterin überzuhelfen, hätte niemandem genützt. Aber wichtiger ist, dass nur die große Bühne der politisch-gesellschaftlichen Dimension der Affäre gerecht wird.

So zeigt sich erst im riesigen Konzertsaal, in dem sich eine Handvoll Zu­schaue­r*in­nen verliert, wie grotesk dieses Verfahren ist – und der vorherige Aufruhr war. Dazu passt, dass die Staatsanwaltschaft ausgerechnet das Delikt „Verletzung des Dienstgeheimnisses“ ins Feld führen muss: Sie hatte sich während der Ermittlungen als eigenständiges Klatsch-und-Tratsch-Organ zu profilieren versucht, bis ihr das vom Verwaltungsgericht ausdrücklich verboten wurde.

Die Lüge vom massenhaften Asylmissbrauch war lange vor dem Prozessauftakt zerstoben. Daran hat Nazanin Ghafouri vom Bremer Flüchtlingsrat vor Beginn der Verhandlung erinnert. Beim Getöse von 2018 sei es darum gegangen, „das Recht auf Asyl selbst zu untergraben“.

Dieser Verdacht kann sich darauf stützen, dass mit Ulrike B. eine Frau ins Fadenkreuz geriet, die in der Behörde für die mittlerweile verwaltungsrechtlich als richtig erkannte Rechtsauffassung gekämpft hatte. Sprich: Sie hat menschenrechtswidrige Abschiebungen verhindert.

Dass diese unbeirrbare Treue zu den fundamentalen Normen nicht belobigt, sondern verfolgt wird, ist ein Skandal. Ihn sichtbar zu machen, kann keine Bühne zu groß sein. Zu hoffen bleibt, dass auch das Gericht ihn erkennt.

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Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

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