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Balkanreise des KanzlersDa muss mehr kommen

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Auch um Russland zurückzudrängen braucht der Balkan eine echte Integrationsperspektive gen Westen. Scholz hat das erkannt – und agiert trotzdem zu zögerlich.

Immerhin hat Scholz Klartext gesprochen: Treffen mit Bulgariens Premier Petkov am Samstag in Sofia Foto: reuters

O laf Scholz hat bei seiner Reise auf den Balkan immerhin Klartext geredet. Das war nicht mehr das verhaltene Geschwurbel seiner Vorgängerin. Er war bereit die Konfliktpunkte offen anzusprechen und hat einige Akzente gesetzt. So in Serbien und Bulgarien. Aber ein Durchbruch war das noch nicht.

Die härtesten Nüsse hat er also nicht knacken können. Zwar war ersichtlich, dass die deutsche Diplomatie Serbien nicht mehr wie früher als einen „stabilisierenden Faktor“ begreift, sondern als das, was es ist: ein Unruhefaktor, der erhebliche „Defizite“ bei Rechtsstaat und Pressefreiheit aufweist, ein Land, das sich von Russland und China militärisch aufrüsten lässt, das Konflikte mit Kosovo und in Bosnien provoziert.

Doch Präsident Aleksandar Vucic wich keinen Millimeter von seinen Positionen ab. Serbien wird weiter Gas und Öl aus Russland beziehen und die Unabhängigkeit Kosovos nicht anerkennen. Basta. Wie will Serbien so aber in die EU aufgenommen werden?

Auch in Bulgarien musste Scholz erkennen, dass das Nato- und EU-Land nicht nur im Korruptionsstrudel steckt, sondern weiterhin altertümlich anmutende nationalistische Positionen in Bezug auf Nordmazedonien vertritt. Tragisch für Nordmazedonien, das seit 2005 fast alle Kriterien für die Aufnahme in die EU erfüllt hat. Aber da scheint immerhin das letzte Wort noch nicht gesprochen zu sein.

Es kommt jetzt darauf an, den Schwung mitzunehmen, den der Krieg Russlands in der Ukraine ausgelöst hat. Russland sieht Serbien und die serbische Teilrepublik in Bosnien als Einfallstor auf dem Balkan an. Dem entgegenzutreten ist im strategischen Interesse des gesamten Westens.

Endlich habe eine „Mehrheit in der EU“ (Scholz) erkannt, dass man dem westlichen Balkan wieder eine ernsthafte Perspektive für die Integration geben muss. Da reicht der „Berliner Prozess“ mit vagen Versprechungen nicht aus. Da muss aus Berlin und endlich auch aus Paris mehr kommen.

Der prowestlichste Staat der Region, Kosovo, wartet sogar immer noch auf die Visafreiheit. Fünf EU Staaten haben das Land noch nicht diplomatisch anerkannt. Scham für Europa. Das muss sich ändern. Auch dass viele EU-Repräsentanten extremistische Nationalisten in Bosnien und Herzegowina unterstützen, anstatt sie zu bekämpfen, ist ein Skandal. Scholz hätte ein Zeichen gesetzt, wenn er auch dieses Land besucht hätte.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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14 Kommentare

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  • "Der prowestlichste Staat der Region, Kosovo, wartet sogar immer noch auf die Visafreiheit. Fünf EU Staaten haben das Land noch nicht diplomatisch anerkannt. Scham für Europa. Das muss sich ändern."



    Beschämend für "Europa" ist doch eher die Existenz des Kosovo und das so viele EU-Länder diesen Mafia-Kleinstaat anerkennen. "Prowestlich" zu sein,war schon während des Kalten Krieges kein ganz unumstritten ausreichender Grund sich mit jedem Diktator gegen "den Kommunismus" zu verbünden. Heutzutage werden die westlichen Werte doch noch mehr betont,da fragt man sich schon was das /der(?) Kosovo da eigentlich im Angebot hat :Drogenhandel (20% der gesamten Wirtschaftsleistung) ,Menschenhandel,Zwangsprostitution ,Geldwäsche, OK-Verstrickung bis in die Regierung?



    Danke Joschka!

  • Auf keinen Fall sollten diese Staaten Mitglied in der EU werden. Wir haben schon genug Länder die zwar geil auf EU Gelder sind, sich aber in keinster Weise irgendwelchen Werten verpflichtet fühlen

  • Scholz sagte, dass Länder die sich nicht anerkennen, auch niemals Mitglied der EU werden können. Da fünf Mitgliedsstaaten den Kosovo nicht anerkennen, kann man den Beitrittsmumpitz auch gleich sein lassen. Es ist schon schlimm genug, wie Nordmazedonien seit fast zwei Jahrzehnten gedemütigt wird. Der Durchschnittslohn in Serbien liegt über dem von Bulgarien, wozu überhaupt noch EU-Mitglied werden? Damit man einen weiteren "Parkplatz" für ungewollte Flüchtlinge hat und billige Arbeitskräfte für die EU sichert?

  • Bevor die EU neue Länder aufnimmt, sollte sie sich erst um eine Reform der internen Strukturen kümmern. Polen und vor allem Ungarn zeigen doch in unglaublich dreister Art und Weise als was sie die EU verstehen: nämlich nicht als Wertegemeinschaft sondern als Selbstbedienungsladen und als willkommenes Feindbild für längst überkommen geglaubte nationalistische Wahlkämpfe. Und die EU bzw. die anderen Staaten können nichts dagegen tun in den gegenwärtigen Strukturen. Das muss abgestellt werden, vorher darf die EU nicht erweitert werden. Sonst holt sie sich all die Befindlichkeiten und Streitereien des Balkans ins Haus und wird (noch) handlungsunfähiger.

    Ich bin seit jeher ein absolut überzeugter Anhänger der EU und der europäischen Integration. Aber wenn sie ch sehe wie in Polen und Ungarn der Rechtsstaat und die Freiheit unverhohlen demontiert werden und diese EU nicht in der Lage ist das zu verhindern, dann finde ich das unglaublich frustrierend. Eine rein ideologische getriebene Erweiterung nur damit sich beispielsweise Serbien nicht weiter Russland zuwendet wird mit den jetzigen Mechanismen ein kontraproduktives Eigentor sein. Sind sie einmal drin und gelten die gleichen Regeln weiter, dann wird Ungarn noch das kleinste Problem sein.

    • @Fran Zose:

      Genau!

  • Da EU-Deutschland-Problem hatte ja schon Frau Baerbock zu spüren bekommen, das war schon -insbesondere beim Zusammenspiel mit Frankreich- vorher beim Besuch von Frau Baerbock zu spüren, ist ja nicht neu und verschärft sich erneut, wo sich gerade herausstellt, dass die Einführung des € mit der Übertragungen der 'Staatsschulden' an die EZB nur eine Milchmädchenrettung war. Schliesslich hat die Verlagerung der billigeren Produktion, der Übernahme ganzer Wirtschaftssektoren durch mitteleuropäische Unternehmen und den Konkurrenten aus Nordamerika in Richtung Osten nur zu einer vorübergehenden Konjunktur gesorgt und letztlich auch nationale Ressentiments neu befördert. Und Staaten, deren Infrastruktur zu große Investitionen nötig machen, müssen sich erst 'qualifizieren', bevor es lohnenswert erscheint, auch dort bessere Geschäfte machen zu können. Ökonomisch sind sich die EU alles andere als einig, im Gegenteil, die Regierungen, die den Laden zusammenhalten sollen, werden immer schwächer. Die Wahlen in Frankreich werden es noch einmal deutlich machen. Da kommt 'Hilfe' von jenseits des Atlantik besser an als diejenigen, für die Scholz 'Hilfestellung' leisten möchten, zumal insbesondere für die deutschen Unternehmen der chinesische Markt viel attraktiver erschien und die chinesische Führung gern bereit war, westliches know how zu integrieren, um jetzt den Spiess umzudrehen.

  • Deutschland hat auf den West Balkan auf Serbien gesetzt, da kann mann sich nur wundern. Deutschland und die Politik gegenüber Bosnien und Herzegowina ist



    auch von arroganter Art geprägt.

  • Wieso muss es ein Ziel sein, Russland aus dem Balkan zurückzudrängen?

    • @Dörte Dietz:

      Um Frieden zu schaffen.



      Rußland hat lediglich das Interesse, die EU durch möglichst viele Konflike zu schwächen...

      • @mensch meier:

        Umgekehrt wird ein Schuh draus.

  • Zur Integration gehören immer mindestens zwei und bereits die vorhanden osteuropäischen EU-Staaten verweigern sich dieser seit Jahren komplett. Das Geld westeuropäischer Steuerzahler wird veruntreut, Gesetze und Regeln nicht anerkannt, Pflichten ignoriert und bei jeder kleinsten Kritik werden Westeuropäer einfach als "Rassisten" oder ähnliches beschimpft.

    Gewählte Staatsoberhäupter Westeuropas werden von osteuropäischen Regierungen regelrecht mit Hetzkampagnen verunglimpft, manchmal mit einem himmelschreinden Antisemitismus (Orbàn gegen mehrere EU-Politiker wie Juncker) oder durch die Darstellung als Nazis (sehr beliebt in Polen). Es fehlt jeglicher Respekt vor demokratischen Entscheidungen, die westeuropäische Bürger für ihre eigenen Staaten getroffen haben, stattdessen erheben osteuropäische Staaten pausenlos den Anspruch, sich in die inneren Angelegenheiten westeurppäischer Staaten einzumischen.

    Sei es die Wirtschaft (mit wem darf man handeln, welche Industrie darf man fördern?), Integration, Rechtsstaatlichkeit oder Gesundheitpolitik (Osteuropa hat frühe Bestellungen beim Covid-19 Impfstoff blockiert), überall hat Osteuropa die Souveränität Westeuropas mit Füßen getreten und die Bevölkerung hat diese kindische Machtdemonstrationen jedes Mal laut bejubelt.

    In dem Sinne bin ich gegen jede weitere EU-Erweiterung bevor sich die momentanen Neumitglieder nicht endlich an die bestehenden Regeln halten.

  • Serbien darf niemals aufgenommen werden, bevor nicht das Einstimmigkeitsprinzip abgeschafft wurde. Und das wird wegen Orban nie passieren.