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Bahnfahren in Corona-ZeitenSelbsthilfe gefragt

Trotz Abstandsgebot setzt die Bahn fremde Menschen nebeneinander – selbst in leeren Zügen. Mit einem Trick lässt sich dieses Risiko aber verringern.

So leer wie zu Beginn der Coronakrise sind die ICEs inzwischen längst nicht mehr Foto: dpa

Wer in diesen Tagen bei der Bahn einen Sitzplatz reservieren will, kann eine unangenehme Überraschung erleben: Auch wenn ein Zug weitgehend leer ist, kommt es vor, dass man mehrere Stunden unmittelbar neben einer fremden Person verbringen soll – mit allen Risiken, die das in Coronazeiten birgt.

Denn das Reservierungssystem der Bahn ist nicht an das offiziell geltende Abstandsgebot angepasst worden, bestätigte Bahn-Vorstand Berthold Huber am Montag: Es ist nach wie vor darauf ausgerichtet, nicht gemeinsam buchende Reisende nebeneinander zu setzen, auch wenn im Rest des Waggons noch komplette Doppelsitze frei sind. Die Zugbegleiter würden darauf achten, dass die Fahrgäste auseinandergesetzt würden, sagte Huber. Aber: „Wir können nicht garantieren, dass Fahrgäste nicht nebeneinander sitzen“, räumte er ein.

Wer sich nicht darauf verlassen will, dass das Zugpersonal tatsächlich aktiv wird und Fahrgäste umsetzt, und auch keine Lust hat, sich selbst einen neuen Platz zu suchen, wenn der direkte Nachbarsitz reserviert ist, muss schon beim Reservieren Eigeninitiative zeigen. Denn wenn man den Sitzplatz selbst auswählt, statt einfach den vom System vorausgewählten Platz zu akzeptieren, sieht man genau, welche Plätze schon reserviert sind und welche nicht. Auf diese Weise kann man zumindest verhindern, dass man an einem Tisch mit einem direkten Gegenüber sitzt oder neben einen bereits belegten Sitz platziert wird.

Um zu verhindern, dass der freie Nebenplatz später von jemand anderem reserviert wird, ist etwas mehr Aufwand erforderlich: Man muss diesen zusätzlich reservieren. Das geht über die Funktion „nur Sitzplatz“ (in der App) oder „Nur Reservierung“ (auf der Webseite) auch ohne eine Fahrkarte zu kaufen und kostet lediglich die übliche Reservierungsgebühr von 4 Euro. Weil auf diesem Platz dann niemand sitzt, kann er später trotzdem von einem Fahrgast ohne Reservierung spontan genutzt werden – aber die Wahrscheinlichkeit, dass er belegt wird, ist auf jeden Fall deutlich geringer.

Einzelsitze nur in der 1. Klasse

Wer völlig sichergehen will, ohne direkten Sitznachbarn zu reisen, muss in die 1. Klasse ausweichen: Dort gibt es im ICE in jedem Wagen eine Reihe von Einzelsitzen, die man bei der manuellen Sitzplatzwahl auswählen kann. Um einen Preisschock zu vermeiden, sollte man dann aber rechtzeitig buchen, um von Super-Sparpreis oder Sparpreis profitieren zu können. Und wer diese Möglichkeit häufiger nutzen will, für den ist dann auch der Umstieg auf eine BahnCard 1. Klasse empfehlenswert, um auch dort Rabatt zu bekommen.

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15 Kommentare

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  • Einfach sich woanders hin setzen?

  • taz fährt 1. klasse

  • Es wäre schön, wenn die Bahn ihre App so anpasst, dass man nur für zusammen gekaufte Fahrkarten, Plätze nebeneinander bekommt.

    Am besten wäre es überhaupt, wenn endlich die Reservierungspflicht (wäre dann mit im Preis) für Fernzüge käme. Ist wo anders längst Pflicht und macht das Reisen entspannter.

  • Irgendwann isses aber auch mal gut, mit der Alltagsparanoia.

    Im ÖPNV sitzen und stehen jeden Tag unzählige völlig fremde Menschen nebeneinader, meist mit geringerem Abstand als in der Bahn. Ein Reservierungssystem existiert da überhaupt nicht. Noch vor Kurzem gabs da nicht einmal eine Maskenpflicht und kaum jemanden hats gejuckt.

    Laut Statisktik nutzten während der Corona Zeit bislang rund 10 Mio Deutsche täglich den ÖPNV. Untersuchungen haben keinerlei Fallhäufigkeit durch das benutzen öffentlicher verkehrsmittel festgestellt.

    (www.ages.at/servic...eispiel-covid-19/)

    Und wer komplett keimfrei und ohne Mitmenschen durch die Krise kommen will, bleibt halt zu Hause, kauft sich teure Schutzausrüstung oder schließt während der Fahrt auf der Bahntoilette ein.

    • 0G
      02881 (Profil gelöscht)
      @Deep South:

      Ihr Link funktioniert leider nicht... so bleibt Ihr Verweis auf eine bestimmte "Untersuchung" (Was ist damit gemeint? Eine Befragung? Nach welchen Kriterien und Anforderungen?) erstmal obsolet.

      • @02881 (Profil gelöscht):

        Probiers doch einfach mal ohne Klammer.

        www.ages.at/servic...beispiel-covid-19/

        Der Link führt zu einer wissenschaftlichen Studie der österreicheischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit über die Ausbreitung des Corona Virus.

        "Unter den abgeklärten Clustern lassen sich keine Fallhäufungen zurückführen auf den Besuch von Geschäftslokalen oder die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln"

  • Der Artikel ist etwas überflüssig: eine Reservierung, die 20 Minuten nach Abfahrt nicht eingenommen wird, ist aufgehoben.

    • Malte Kreutzfeldt , Autor des Artikels, ehemaliger Redakteur
      @mr. fantasy:

      Dass der Platz trotzdem von jemand anderem genutzt werden kann, steht ja im Text. Er kann aber nicht von jemand anderem reserviert werden. Die Chance, dass er frei bleibt, ist also deutlich höher.

    • Malte Kreutzfeldt , Autor des Artikels, ehemaliger Redakteur
      @mr. fantasy:

      Dass der Platz trotzdem von jemand anderem genutzt werden kann, steht ja im Text. Er kann aber nicht von jemand anderem reserviert werden. Die Chance, dass er frei bleibt, ist also deutlich höher.

    • @mr. fantasy:

      Ja, aber wenn dann einer kommt und so dämlich ist, sich neben einen besetzen Platz setzen zu wollen, kann man ihn noch höflich bitten, sich doch bitte woanders zu plazieren.

      Zur Not untermalt mit etwas Husten.

  • im moment sind die züge noch relativ leer also zu teil sitzt in jeder dritten sitzreihe eine person.ansonsten schaut nach den billigen tickets mit dem sparpreisfinder auf der bahnapp weil die billigen züge sind nicht so voll.

  • Das sind tolle Tipps für Millionäre, die gerne 16€ für vier Reservierungen zahlen, um einen Sitz ohne Nachbarn zu ergattern (und diese dann ev. doch vertreiben müssen, wenn sie sich trotz Reservierung dort hinsetzen) bzw. ohne Wimpernzucken 463 Euro für eine Bahncard 50, 1. Klasse zahlen, um dann drei bis vier mal im Jahr mit dem Zug zu fahren.

    Für die weniger Betuchten: Einfach nicht reservieren und schauen, was frei ist. Am besten in den allerersten bzw. allerletzten Wagen, möglichst weit vom Aufgang zum Bahnsteig. Dann ärgert man sich auch weniger, wenn man sich umsetzen muss oder die Reservierung wegen einem der Tausend täglichen Bahnkataströphchen obsolet ist.

    • Malte Kreutzfeldt , Autor des Artikels, ehemaliger Redakteur
      @Dorian Müller:

      Ich glaube, man muss kein Millionär sein, um 4 Euro mehr auszugeben, wenn man damit in diesen Zeiten das Risiko verringert, stundenlang direkt neben einem Fremden sitzen zu müssen.

    • @Dorian Müller:

      Millionäre?

      Umgekehrt wird ein Schuh draus. Leute buchen für 70 Euro ein Ticket für einen Zug, der freitagnachmittags zwischen Berlin und Hamburg fährt und gucken dann vollkommen erstaunt, dass doch tatsächlich alle Sitzplätze besetzt sind. Wer sitzen will, MUSS in einigen Zügen reservieren. Die 4 Euro sollte man dann halt auch noch haben.

    • @Dorian Müller:

      Millionäre trifft man wohl eher selten in der Bahn.

      Ich selbst bin bis vor ca. 10 Wochen regelmäßig mit der Bahn quer durchs Land gegondelt. 1. Klasse, Bahncard 25 First.

      Wenn man ein, zwei oder mehr Wochen Vorlauf hat und nicht auf einen bestimmten Tag festgelegt ist, kostet der Spaß selten mehr als 50 oder 60 Euro.

      Also etwa die Summe, die Millionäre am Tag für Zigarren ausgeben.