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Bärenangriff in ItalienJJ4 macht Ärger

Zum ersten Mal seit 150 Jahren hat in Italien ein Bär einen Menschen getötet. Jetzt wächst die Kritik am Umgang mit den Predatoren in der Region.

In diesem Wald in Norditalien ist der 26 Jahre alte Jogger ums Leben gekommen Foto: Provinzregierung Trentino/dpa

Berlin taz | Erstmals seit 150 Jahren hat ein Bär in Italien einen Menschen getötet: Der 26 Jahre alte Mann wurde am 6. April beim Joggen in der nördlichen Provinz Trentino von einem wild lebenden Bären angegriffen, wie die Regionalbehörden mitteilten. Sie berufen sich auf das Ergebnis einer Autopsie. Eine Erbgutuntersuchung zeigt laut Staatsanwaltschaft, dass es sich um die Schwester des 2006 in Bayern erschossenen „Problembären“ Bruno oder JJ1 handelte. Nach einem DNA-Abgleich stehe nun fest, dass das bereits öfter auffällige Bärenweibchen JJ4 den Mann in einem Wald getötet habe.

Dessen Leiche war in der Gemeinde Caldes im bei Wanderern und Touristen beliebten Val di Sole nahe einem Forstweg gefunden worden. Der Körper wies tiefe Kratzer im Gesicht und am Rumpf, Bisswunden sowie eine tiefe Wunde am Bauch auf. An den Überresten des jungen Mannes wurden DNA-Rückstände der Bärin entdeckt.

Die Eltern von JJ4 und JJ1 sind zwei slowenische Bären, Jose und Jurka, die zwischen 2000 und 2001 im Rahmen des EU-Projekts „Life Ursus“ nach Italien gebracht wurden. Bruno wanderte damals nach Bayern aus.

Das 17-jährige Bärenweibchen JJ4 ist im Trentino nicht unbekannt. Es hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft unter anderem bereits im Sommer 2020 zwei Menschen, einen Vater und seinen Sohn, auf dem Monte Peller angegriffen. Bereits damals sollte sie eigentlich getötet werden, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Ein Verwaltungsgericht hob die Entscheidung jedoch auf, nachdem Tierschützer Einspruch eingelegt hatten. Die Bärin wurde mit einem Funkhalsband ausgestattet. Dieses funktioniere jedoch derzeit nicht und übermittle keine Daten über ihre Bewegungen, teilten die Behörden mit.

Bären könnten auch die deutschen Alpen wieder besiedeln

Bundesamt für Naturschutz

In Italien hat seit dem Tod des Joggers eine hitzige Debatte über das Zusammenleben von Mensch und Bär begonnen. Schon am Samstag hatte der Regionalpräsident von Trentino-Südtirol, Maurizio Fugatti, entschieden, dass der Bär gesucht und erlegt werden solle. „Dieser Bär muss entfernt werden, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten“, erklärte er. Tierschützer dagegen fordern, die Bärin nur zu fangen und an einem „sicheren Ort“ unterzubringen. Nach neuesten Erhebungen wiegt das Tier der Umweltschutzorganisation Leg­ambiente zufolge etwa 120 Kilogramm und misst 1,90 Meter.

Am Dienstag trafen sich Fugatti und Italiens Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin, um über das Problem zu sprechen. Fugatti plädierte für einen Massentransfer von Bären aus dem Trentino in andere Gebiete, um die Population in der Gegend zu halbieren. Im Trentino gibt es nach Angaben der Provinz etwa 100 Bären.

Der Agrarvereinigung Coldiretti zufolge stellt die Ausbreitung der Bären nicht nur ein ernsthaftes Risiko für die Sicherheit der Bevölkerung dar, sondern auch für die Wirtschaft, von der Landwirtschaft bis hin zum Tourismus.

Die UmweltschützerInnen von Legambiente dagegen verteidigten „Life Ursus“ als eine „aus ökologischer Sicht wichtige Initiative, die eine ikonische Art in die Zentralalpen zurückgebracht hat“ und die Region für TouristInnen sogar attraktiver gemacht habe. Es habe aber eine Kommunikations- und Informationskampagne gefehlt, die zu einem friedlichen Zusammenleben hätte beitragen können.

Auch in Deutschland streng geschützt

In Deutschland gilt der Braunbär als ausgestorben. „Die letzten Tiere wurden 1835 und 2006 in Bayern erschossen“, schreibt das Bundesamt für Naturschutz (BfN). Das letzte Exemplar war Bruno oder JJ1. Er war aus dem Trentino nach Norden gewandert und hielt sich schließlich im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet auf. Das Tier riss Schafe, plünderte Bienenstöcke und Kaninchenställe. Seine Bezeichnung als „Problembär“ durch den damaligen bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber wurde vor 17 Jahren zum geflügelten Wort. Nach der Tötung Brunos wurde auch 2019 ein Bär in Deutschland nachgewiesen.

In Österreich gibt es laut BfN eine kleine Braunbärenpopulation, die sich aus Tieren aus Slowenien und Norditalien zusammensetzt. „Diese sind auch die möglichen Quellen für eine natürliche Wiederbesiedlung des deutschen Alpenraumes durch den Braunbären“, so die Behörde. Die Art ist wie der Wolf nach der Europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie streng geschützt und darf nicht gejagt werden.

Wer Bären in freier Wildbahn sieht, sollte dem Umweltverband WWF Österreich zufolge stehen bleiben und „den Bären durch lautes Reden und Bewegen der Arme auf sich aufmerksam“ machen. Wer angegriffen wird, sollte sich auf den Boden und die Hände in den Nacken legen. „Der Bär erkennt so, dass Sie keine Gefahr für ihn sind. Stellen Sie sich tot und wehren Sie sich nicht. Warten Sie, bis der Bär wieder weit genug weg ist“. (mit dpa)

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15 Kommentare

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  • Nun, da ein Jogger getötet wurde, kommt die Debatte in Fahrt über den Sinn bzw. Unsinn der Ansiedlung von Wölfen und Bären. Warnzeichen gab es, doch es fehlt eine Grundlage, wo und wie viele dieser Tiere anzusiedeln sind. Die Alpen sind definitiv keine Wildnis, sondern das am Besten erschlossene Hochgebirge der Welt. Im öffentlichen Interesse werden daher leider zahlreiche Tiere umgesiedelt oder erschossen .

  • Menschen töten Tiere



    Und Tiere töten Menschen



    Dies ist nichts Neues. Das war schon immer so und ist gerade bei Wölfen auch Gegenstand vieler Sagen und Märchen.

    Nun zu behaupten, tierische Beutejäger wären harmlos, ist ein klein wenig fragwürdig, um nicht zu sagen naiv.



    Dies trifft noch um so mehr auf die neuen Wolfspopulationen in D zu, in einem inzwischen (seit deren Ausrottung) wesentlich dichter besiedelten Gebiet.



    Die"Tierschützer" müssen sich schon entscheiden, wer ihnen wichtiger ist, das Leben von Menschen oder das Leben neu angesiedelter Predatoren.

    Wenn Wölfe nun Herdetiere wie junge Lämmer reißen (anstatt der ihnen eigentlich zugedachten Rehe und Wildschweine, weil junge Lämmer in Gehegen einfach leichter zu reissen sind) steht hier auch Tierwohl gegen Tierwohl.

    Auch diese Diskussion erscheint mir von Seiten der Tierschützer ausgesprochen elitär und selbstgerecht ), ähnlich wie es die taz ja selbst in einem taz Artikel zur "Letzten Generation" betitelt.

  • Wieviel Menschen kommen bei Jagundfällen durch Wildschweine und Hunde um? Wenn wir es mit dem Klima und Naturschutz ernstmdinen müssen wir weg vom Denken das der Mensch und seine Anliegen immer zuerst kommen muss. Ein paar Bären und Wölfe überall in Europa würden keine wirkliche Gefahr für den Menschen darstellen aber Europa global Europa Glaubwürdigkeit verpassen wenn es um Artevielfalt und Naturschutz geht.

    • @Machiavelli:

      Keine wirkliche Gefahr für den Menschen? Für den Jogger wohl schon.

      • @Jochen Laun:

        Ein Fall in was 150 Jahren? Wie gesagt wenn das das Argument ist müssten eine Menge Hundearten verboten werden und die Jagd sowieso.

    • @Machiavelli:

      Wenn im Namen des Klimaschutzes wunderschöne Mischwaldkulturen abgeholzt werden, während massiv vorgeschädigte Fichtenmonokulturen direkt nebendran stehen gelassen werden (so geschehen in Dossenheim, Bergstrasse), so ist die Glaubwürdigkeit, von der Sie sprechen, schon lange auf der Strecke geblieben.

  • Vor ein paar Tagen sind 7 Menschen bei einem Autounfall gestorben? Werden Autos jetzt verboten?

    • @schnarchnase:

      Aber das Auto hat die Menschen nicht angegriffen nur um zu töten.

    • @schnarchnase:

      War selbst einmal Opfer eines nicht von mir verursachten Verkehrsunfälles, bei dem ich fast gestorben wäre. Soll ich jetzt auch noch auf meine Waldwanderungen verzichten, weil ein paar sogenannte Tierfreund:innen meinen, man müsse in unserem dicht besiedelten Land wieder gefährliche Wildtiere ansiedeln? Was ist daran artgerecht? Etwa, dass ein Wolf sich an grasenden Schafen und Kühen einfach bedienen kann und nicht andere Wildtiere jagen muss - was ja eigentlich sein Lebensstil war?

      • @resto:

        Ich war im Gebiet in dem der Jogger gefunden wurde sehr oft zu Fuß und mit dem Rad unterwegs. Ebenso in den Karpaten, Finnland etc. und ich habe nie einen Bären gesehen und hatte auch keine Angst. Das wäre schlicht irrational.

        • @schnarchnase:

          Wie lange ist das her? Dass dort jetzt rund 100 Bären leben ist ja ziemlich neu.

        • @schnarchnase:

          Unwahrscheinlich ist es. Das Gebiet zu meiden allerdings eine eher rationale Entscheidung. Den geschilderten Verletzungen nach ein wirklich grausamer und sehr schmerzhafter Tod. Und wenn es ihr Kind trifft, denken Sie vielleicht auch anders. Ich unzerstütze wirklich viele Maßnahmen, die dem Naturschutz dienen. Dass Menschen ihre Angehörigen an Wildtiere verlieren, muss aber wirklich nicht sein. Wir müssen die Natur so gut schützen wie möglich, wir müssen uns an sie aber nicht verfüttern.

          • @Peter Borgscheid:

            Dieses furchtbare Geschehen zeigt meines Erachtens nach auch, wie wichtig es ist, solche Maßnahmen wie „Life Ursus“ oder auch die Entwicklung von Wolfspopulationen ständig fachlich zu begleiten und die Menschen in den entsprechenden Gebieten ausreichend aufzuklären. Ihre Ängste und Bedenken müssen Ernst genommen werden!

          • @Peter Borgscheid:

            Auch der Jogger, der so brutal sein Leben verlor, diente nicht als Futter. Es ist sicher wichtig, die „Bärenlage“ im Trentino zu untersuchen und korrektive Maßnahmen durchzuführen. Auch die Sterilisation einzelner Tiere könnte bedacht werden. All diejenigen, die von diesem Unglück nicht selbst betroffen sind, sollten versuchen, zu einer unpolemischen und zielführenden Diskussion zurück zu finden.

          • @Peter Borgscheid:

            Nein, völlig irrational da die Wahrscheinlichkeit einem Bär allein zu begegnen weitaus geringer ist als bei einem Verkehrusunfall bei der Anreise zu sterben oder schwer verletzt zu werden.