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Baerbock im Nahen OstenKleine Brötchen

Kommentar von Susanne Knaul

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock will neuen Schwung in den Nahost-Friedensprozess bringen. Fürs Erste genügen kleine Schritte.

Steht im Nahen Osten vor einem Balanceakt: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Foto: Kay Nietfeld/dpa

S eit fast 30 Jahren versuchen sich westliche ChefdiplomatInnen und RegierungschefInnen wieder und wieder am nahöstlichen Friedensprozess, verbrennen sich die Finger und ziehen unverrichteter Dinge ab. Annalena „Baerbock will neuen Schwung in Nahost-Friedensprozess bringen“, kündigte die dpa im Vorfeld des Besuchs der Außenministerin in Jerusalem an. Ganz so hoch dürfte sich selbst eine so ambitionierte Politikerin wie Baerbock das Ziel kaum stecken. Allenfalls bereit stehen kann die deutsche Außenministerin, wenn eine der beiden Konfliktparteien oder beide um Beistand bitten. Vertrauen auf beiden Seiten muss ihr Ziel sein, wie es einst der grüne Außenminister Joschka ­Fischer genoss, und damit an Einfluss gewinnen.

Das zu erreichen, erfordert einen Balanceakt in kleinen Schritten. Das von Ex-Kanzlerin Angela Merkel vorgegebene Mantra von Israels Sicherheit und der deutschen Staatsräson gehört dazu, und auch ohne eine Distanzierung von der antiisraelischen Boykottbewegung BDS wird man in Jerusalem nicht glücklich sein mit der neuen deutschen Außenministerin. Umgekehrt erwarten die PalästinenserInnen eine klare Haltung gegen Menschenrechtsverletzungen und gegen den Siedlungsbau im Westjordanland.

Dieses Pflichtprogramm ist Baerbock vorgeschrieben, viel spannender wird es, wie sie die Kür besteht. Was heißt es konkret, wenn Baerbock Israels Sicherheit zur deutschen Staatsräson erklärt? Gehören atomar aufrüstbare U-Boote dazu? Und was will sie tun, um gegen die wiederholten Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästinensergebiet zu wirken? Mit routinierten Verurteilungen, wenn die Häuser palästinensischer Familien geräumt werden und Israel den Bau neuer Siedlungen plant, wird sie so wenig erreichen wie ihr Vorgänger im Amt.

Zumindest bieten die Regierungswechsel in beiden Staaten die Chance für eine veränderte Kommunikation. Merkel und ihr Amtskollege Benjamin Netanjahu hatten Mühe, ihre gegenseitige Abneigung zu verbergen. Die NachwuchspolitikerInnen in Berlin und Jerusalem starten bei null.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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16 Kommentare

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  • Richtig, Israel verfolgt - wie alle Staaten - in erster Linie seine eigenen nationalstaatlichen Interessen. Das wäre dann nicht "ausgerechnet" Israel, sondern "eingerechnet". Darüber hinaus spielt die humanitäre und menschenrechtliche Motivation aber durchaus eine Rolle, wenn auch der Sicherheitsaspekt leider vieles erschwert.



    Auch an die Ermordung Jitzchak Rabins dürfen Sie ruhig erinnern. Seit seinem Tod 1995 wird sehr häufig an ihn erinnert, zu seinen Lebzeiten schien mir das Interesse an ihm nicht so groß, so wissen wohl die Wenigsten, daß bei einem Interview ca. 1 Monat vor seinem Tod eine Rückgabe des Westjordanlands abgelehnt hat. Rabin, ehemaliger Stabschef Israels, später im Friedensprozess aktiv wurde von einem Rechtsextremisten erschossen, ebenso wie 1981 Anwar as-Sadat, auch er ein ehemaliger Militär, der sich im Friedensprozess engagierte von einem fantischen Muslimbruder ermordet wurde.



    Der Friedensprozess wurde damit übrigens *nicht* beendet! Stichwort: Räumung aller Siedlungen und Rückzug der Armee aus Gaza - 10 Jahre nach Rabins Tod.

    • @Henriette Bimmelbahn:

      Ist verrutscht, war als Antwort an ABDURCHDIEMITTE gedacht.

  • Fischer hat wohl in der Öffentlichkeit eine gute Figur abgegeben, aber in Sachen Israel/ Palästina hat er auch im Ergebnis nichts erreicht, also hier von "Einfluss" den sich Fischer erworben habe zu fabulieren, passt irgendwie nicht, aber das dürfte ihm bei dem Thema kaum vorzuwerfen sein. Hier den Erwartungshorizont an Baerbock künstlich hochzusetzen, was soll das? Schlechter als Steinmeyer und Maas wird sie hoffentlich nicht. Steinmeyer mit seinen ermüdenden Reden, hätte vielleicht reale Chancen gehabt, Israel u Palästina zum Frieden zu zwingen, wenn er nur jeden Tag eine Rede in Jerusalem angekündigt hätte. Das ganze Grundkonzept der dt. Außenpolitik sowohl gegenüber Russland als auch gegenüber Israel ist falsch. Man kann nicht bei jedem Besuch in beiden Ländern Kränze niederlegen und sich Asche aufs Haupt streuen und dann sagen, ach übrigens: das was ihr in der Ukraine macht oder was ihr mit den Palästinensern macht, das geht gar nicht, man bekommt da einfach nicht "die selbe Augenhöhe", wenn man immer mit gesenktem Kopf herumläuft. Der Geschichte, den Opfern Referenz zu erweisen u n d klare Worte bzgl der gegenwärtigen Politik , Fischer war da ganz klar besser u rhetorisch sehr begnadet, aber wie gesagt, in der Sache hat selbst Fischer nichts erreichen können. Es ist also ungerecht hier die Messlatte zu hoch zu legen. Zumal vor Ort, bei den Regierungen ohnehin aus den unterschiedlichsten Gründe keine Lust auf Veränderung besteht. kleine Brötchen backen, macht man dort schon immer, bewegt hat es rein gar nichts. Es müsste vor allem bei den Amis der Wille bestehen entscheidendes zu verändern. Wenn man da zu lange wartet u in Amerika die Evangelikalen u moralbefreiten Trumpisten das Ruder übernehmen, könnte es böse enden. Irgendwie erinnert mich das sehr an Rom und Herodes

  • Israelis und Palästinenser müssen miteinander reden. Sonst wird das nie was. Da können sich noch so viele Leute einmischen.

    • @Angelika Adler:

      Eben. Die Zwei-Staaten-Perspektive muss wieder auf den Verhandlungstisch ... ein dorniger Weg zurück für beide Konfliktparteien - insbesondere aber für Israel - , aber die USA und Europa könnten dabei unterstützen. Und es ist höchste Eisenbahn ... sind in Washingten erst einmal wieder die dystopischen "Israelfreunde" um Trump am Drücker, könnten sie ihre Armageddon- Fantasien in Nahost vorantreiben. Dann wird auch von Israel nichts mehr übrig bleiben (deshalb "Israelfreunde" in Anführungszeichen).

  • "Bundesaußenministerin Annalena Baerbock will neuen Schwung in den Nahost-Friedensprozess bringen." heißt es im Vorspann des Artikels. Gemeint ist der Israel/Palästinenser-Konflikt. Von welchem "Friedensprozess" mag da die Rede sein? Ist mir etwas entgangen? Laufen da irgendwo Verhandlungen? Gibt es ein Angebot einer Seite, über das verhandelt werden könnte? Mir ist das alles unbekannt. Es gibt keinen Friedensprozess. Es gibt nur einen Konflikt. Und der wird nicht zuletzt von Seiten Deutschlands und der EU mit viel Geld für die Palästinensische Autonomiebehörde, die UNWRA und eine Vielzahl von "NGOs" (die es ohne deutsche oder europäische Staatsknete gar nicht gäbe) finanziert.

    • @Budzylein:

      Ach so, die UNWRA interstütz den Konflikt? Können Sie das belegen? Dagegen ist Fakt, dass die Politik der israelischen Regierung gegenüber den Palästinrnsern von Amnesty International als Apartheid bezeichnet wurde. Apartheid bedeutet Konflikt.

      • @Rinaldo:

        Die UNRWA ist dazu da, den Konflikt aufrechtzuerhalten. Nur bei palästinensischen Flüchtlingen wird der Flüchtlingsstatus vererbt, und das UNRWA tut nichts dafür, dass palästinensische Flüchtlinge und ihre Nachkommen in den Staaten, in denen sie leben, eingebürgert werden, sondern hält an der Fiktion eines "Rückkehrrechts" nach Israel für Menschen fest, die größtenteils nie in Israel waren.

        Sie wollen Belege? Benutzen Sie eine Suchmaschine; die Diskussionen um die UNRWA sind ja nicht neu. Eine ganz gute Zusammenfassung mit Beschreibung des Kontrasts zum UNHCR, das für alle anderen Flüchtlinge außer palästinensischen zuständig ist, finden Sie hier: www.mena-watch.com...wahre-katastrophe/

        • @Budzylein:

          wenn Millionen Juden weltweit potentiell nach Israel einreisen können, also auch ein "Rückkehrrecht" haben, warum sollten dann nicht Palästinenser auch eins haben? Aber ich denke das Problem ist weitestgehend ohnehin rhetorischer Natur. Es leben jetzt schon bald mehr Menschen dort als es die Wasserressourcen erlauben und es sind bei bestehendem Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahren noch einmal erheblich mehr Menschen zw Meer u Jordan zu erwarten. Parallel ist der Klimawandel im vollen Gange, von dem der Nahe Osten besonders betroffen sein soll, da wird es schnell ans Eingemachte gehen. Selbst wenn es zu einer 2- Staatenlösung kommt, könnte ein palästinensischer Staat auf keinen Fall die Masse an Rückkehrern mit dem dann nötigen Wasser versorgen. Auch Israel wird, auch wenn es sich jetzt noch Gedanken macht so viel Juden aus aller Welt wie mgl zur Einwanderung zu bewegen, irgendwann in 15 bis 20 Jahren, wenn nicht eher, einen Einwanderungsstopp verhängen.

        • @Budzylein:

          Na ja, als unabhängiger Nahost-Thinktank, wie sich Mena-Watch selbst bezeichnet, kann Ihre Quelle nun wirklich nicht bezeichnet werden ... eher als Lobbyorganisation pro-israelischer Interessen und Standpunkte in der Nahost-Region. Das springt sofort ins Auge, liest man weitere Beiträge der Website über den von Ihnen verlinkten hinaus.



          Ist ja auch nicht ehrenrührig und vollkommen in Ordnung, auf derartige Quellen zu verweisen ... dann sollte man aber auch nicht mittels scheinhumanitärer Agitation so tun, als wäre einem am Schicksal von über fünf Millionen palaestinensischen Flüchtlingen gelegen. Klar hat Israel ein Interesse daran, dass alle diese Menschen dort eingebürgert werden, wo sie gerade (möglicherweise seit 70 Jahren schon, das ist wahr) leben ... dann wäre man mit einem Schlag das palaestinensische Flüchtlingsproblem los, müsste keine Verantwortung aus der Katastrophe von 1948 übernehmen und außerdem wäre der israelische Landraub im Westjordanland damit ein für allemal legitimiert.



          Der Aufrichtigkeit halber muss natürlich erwähnt werden, dass die arabischen Staaten auch ein vitales Interesse daran haben, den Flüchtlingskonflikt am Köcheln zu halten ... aber dass ausgerechnet Israel gegenüber den Palaestinensern irgendwelche humanitären Motive verfolgen sollte? Da kommen mir glatt die Tränen.



          Aus israelischer Sicht wäre es ja nett, die UNWRA einfach aufzulösen ... aber damit wäre ja keines der Probleme gelöst. Israel kann nicht darauf hoffen, dass sich ohne UNWRA fünf Millionen Palaestinenser einfach in Luft auflösen ... ist man nicht bereit, die Annexion der Palaestinensergebiete in langfristiger Perspektive zu beenden - etwa durch Rückkehr zu Verhandlungen über die vielgeschmähte Zweistaaten-Lösung - wird auch Israel niemals Frieden finden.



          Davon kann auch eine Diskussion über die Rolle der UNWRA in diesem Konflikt nicht ablenken.

          • @Abdurchdiemitte:

            Wieso "scheinhumanitär"? Halten Sie es für falsch, was das UNHCR macht? Sind Sie dagegen, dass in Deutschland anerkannte Flüchtlinge eingebürgert werden, weil dann ja die Herkunftsländer "keine Verantwortung mehr übernehmen" müssen? Oder gilt das alles nur, wenn es um Israel geht? Und wieso ist Israel dafür verantwortlich, dass es 1948 angegriffen wurde?

          • @Abdurchdiemitte:

            Warum soll "ausgerechnet Israel" keine humanitären Motive verfolgen? Klingt als wollten Sie andeuten, dass dort die personifizierte Bosheit zuhause ist? Das ist doch Käse und das wissen Sie hoffentlich auch selbst. Israelische Regierungen haben immer wieder Vorschlägen unterbreitet, die Antwort war Komplettverweigerung. Wissen Sie von einem Lösungsvorschlag jenseits der Selbstauflösung, den die Palästinensern gemacht hätten?

            • @Henriette Bimmelbahn:

              Nein, ich wollte nur andeuten, dass Israel - wie alle Staaten dieser Welt - in erster Linie seine eigenen nationalstaatlichen Interessen verfolgt ... das halte ich für ganz normal und hat mit "personifizierter Bosheit" nichts zu tun. Den Antisemitismus-Schuh lasse ich mir nicht anziehen.



              Misstrauisch werde ich nur, wenn all das mit humanitären oder menschenrechtlichen Motiven verbrämt wird ... darum geht es meistens überhaupt nicht. Auch da unterscheidet sich Israel nicht von anderen Staaten. Wieso auch?



              Und Sie wissen auch, dass Israel und die Palaestinenser schon einmal auf einem gemeinsameren besseren Weg waren ... muss ich an die Ermordung von Jitzchak Rabin erinnern?

  • Ich bin gespannt, wie Frau Baerbock sich aufstellt. Insbesondere bin ich gespannt, ob sie neue Ideen in den gefühlt längsten und schwierigsten Konflikt auf der Welt einbringen kann. Jeder Mini-Schritt zur Befriedung der Streithähne wäre zu begrüßen.

  • Warum sollte es eigentlich um Sachthemen gehen, wenn dort alles Psychologie und Emotion ist? Soll sie es doch mit Charisma versuchen.