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Bärbel Bas als neue SPD-ChefinRiskante Rochade

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Klingbeil und Bas müssen ihre Ministerien leiten und gleichzeitig an einer Neuausrichtung der SPD arbeiten. Rein zeitlich ist das kaum stemmbar.

Bärbel Bas: Bundesarbeitsministerin und neue Co-Parteichefin der SPD Foto: Christophe Gateau/dpa

F ür jemanden wie Bärbel Bas wurde die SPD erfunden. Die 57-jährige hat sich nach Hauptschulabschluss und Ausbildung über Fortbildungen nach oben gekämpft, ist über die Betriebsratsarbeit in die Politik und den Bundestag gekommen. Eine sozialdemokratische Aufstiegsgeschichte wie aus dem Lehrbuch. In ihrem Wahlkreis fliegen ihr nach wie vor die Stimmen zu. Nichts spricht auf den ersten Blick dagegen, dass die bisherige Bundestagspräsidentin neben Lars Klingbeil neue Parteivorsitzende wird.

Nichts – außer der Tatsache, dass beide in Personalunion auch Mi­nis­te­r:in­nen sind, und zwar in prägender Position der schwarz-roten Regierung. Bas wird als Arbeits- und Sozialministerin dafür zuständig sein, das als sozialdemokratisches Prestigeprojekt gemeinte Bürgergeld abzuwickeln. Und Klingbeil muss als Finanzminister und Vizekanzler noch in diesem Jahr zwei Haushalte zusammenzimmern, die wohl auch schmerzhafte Einsparungen beinhalten. Gleichzeitig sollen beide die inhaltliche Neuausrichtung der SPD vorantreiben.

Die Partei ist nach dem Wahldesaster noch immer paralysiert, die gesamte Kreativität der Führung kreiste bis dato um den Koalitionsvertrag und das Regierungsteam. Doch wenn es darum geht, wieder mehr Menschen für die SPD zu begeistern, müsste es nun um Fragen gehen, die weit über diese Legislatur hinauszielen: Wie werden wir künftig leben und arbeiten? Kann es gelingen, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und dabei Industrieland zu bleiben? Wie sieht eine humane Flüchtlingspolitik in einer krisenhaften Welt aus?

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Bei aller sozialdemokratischen Lebens­erfahrung: Es spricht wenig dafür, dass die halb neue Doppelspitze neben ihrer Arbeit als loyale Ministerinnen der Merz-Regierung noch genügend Freiräume haben wird, solche Fragen zu beackern. Es wäre mutiger gewesen, wenn auch Klingbeil seinen Hut als Parteichef genommen hätte. So wäre der Weg frei für eine Doppelspitze, die Zeit und Kraft hat, die SPD intel­lektuell und personell wiederzubeleben.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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15 Kommentare

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  • was fehlt



    ""......Neuausrichtung....""



    ===



    Der Generalsekretär organisiert die Partei nach innen, schärft das Profil der Sozialdemokraten nach aussen und er hat die Aufgabe, Wahlkämpfe zu organisieren.

    Der neue Generalsekretär der SPD, einziges Direktmandat in Schleswig - Holstein, Jahrgang 1991 und seit 2024 Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion ist derjenige, der das schlechte Wahlergebnis analysieren wird -- und folglich ist er auch derjenige, der in der Profilierung der Sozialdemokraten die Hauptarbeit erledigen wird.

    Warum Anna Lehmann den Dritten im Dreiergestirn der SPD nicht nennt, trotzdem der Generalsekretär die Aufgaben wahrnimmt, die Ihrer Meinung nach zu einer Überlastung des Vorstands führen sollen, erschliesst sich nicht.

  • Das SPD-Vorstand hat sich vollkommen von der Pateibasis abgekoppelt, die brauchen beim nächsten Parteitag mal richtig einen vor den Latz.



    NRW und SH sollten erst der Anfang sein.



    Die Frauen und Männer an der Basis sollten das nicht durchgehen lassen. Da behandeln einige Akteure die Partei wie ein Selbstbedienungsladen ohne irgendeine Legimitation.



    So wird die SPD bald Geschichte.

  • Danke für den Artikel. Zu glauben, die SPD mache eine Neuausrichtung (für die Ärmsten und "working poor" ) ist wohl Wunschdenken.

    Doch wer weiß, als rote "Robin Hood's" könnten sie ja auch eine Vermögenssteuer aktivieren, das Klimageld einführen, eine 2% Klimapauschale für Milliardäre einführen, Einkommen unter 30. 000 Euro steuer-und sozialabgabenfrei frei erklären, auf ein "Positive Money System" umswitchen, eine Übergewinn- und Finanztransaktionssteuer einführen, Cum Ex Geschäfte konsequent strafrechtlich verfolgen, Schattenbanken verbieten, die Wohnungswirtschaft per Gesetz in Gemeinwirtschaft umwandeln und damit den Artikel 15 unserer Verfassung zum 75. Geburtstag endlich mal anwenden:

    www.bundesregierun...ikel-15-gg-2267844

    Sozial sein kann so einfach sein. :-D

    Müssen nur wollen... . ;-)

  • Ekelhaft diese Machthäufung. So offensichtlich, das es nur noch um Macht geht, und nicht etwa um das zerbröselnde Deutschland oder gar der Menschen .. Was für ein beknackter "Neuanfang".

  • Neuausrichtung der SPD? Da lachen ja die Hühner. nach den vier Jahren wird die SPD Mühe haben, die Zweistelligkeit zu erreichen. Klingbeil wird dann den Vorsitz der CDU-Fraktion übernehmen.

  • Ein gut gemeinter Rat.



    Allerdings muss in einem Ministerium nicht nur der Chef arbeiten.



    Und auch in einer Partei sind nicht nur die SpitzenverterInnen arbeitsfähig.



    Ein Ministeramt ist das eines Managers oder einer Managerin.



    Es geht darum, die MitarbeiterInnen zu fördern und ein Miteinbeziehen in die Entwicklung ist ebenfalls motivierend .



    Mit den Investitionsprogrammen hat die SPD schon Erfolge erzielt, bevor die Regierung überhaupt im Amt war.



    Das ist das Gegenteil von "paralysiert" wie im obigen Artikel beschrieben.



    Natürlich ist eine Partei intensiv mit einem Koalitionsvertrag beschäftigt.



    Hier geht es ja bereits um die Planung der nächsten Jahre. Und neben dem sozialdemokratischen Erfolg, Investitionen für unser Land zu ermöglichen, wurden auch viele weitere SPD Akzente gesetzt.



    Frau Bas scheint im Übrigen gerade konstruktive Ideen zur Rente vorzuschlagen, auch wenn die CDU gerne Alles so lassen möchte, wie es ist.



    Die neue Führungsriege der SPD ist jünger und weiblicher geworden. Da darf man gespannt sein.



    Dennoch sind die bisherigen MinisterInnen Alle noch da und sicher auch fähig, Akzente in der Parteientwicklung oder inhaltlicher Art zu setzen.

  • Wo liegt das Problem? Zuerst macht sie die Arbeitslosen fertig und dann die Partei...

  • Ja wiie? Wat issen nu wieder ditte - wa!

    “Bärbel Bas als neue SPD-Chefin



    Riskante Rochade



    Klingbeil und Bas müssen ihre Ministerium leiten und gleichzeitig an einer Neuausrichtung der SPD arbeiten. Rein zeitlich ist das kaum stemmbar.“ Schonn. But.

    Es geht um Schenkeldruck! Woll



    Auch DamHerrenreiterattitüde genannt! 🏇🏇Newahr



    Dazu werden neben Reitstiefeln gern Breeches gereicht! - 🙀🥳 -



    &



    Ein Weggefährte sprach schon von Noske 2.0



    Normal

    unterm——für Unberittene



    Breeches ist die Bezeichnung für eine Art von Hose, deren Form sich im Verlauf der Zeit von der Kniebundhose zur Reithose wandelte. Während sie am Oberschenkel weit gearbeitet ist, liegt sie unterhalb des Knies dicht an.



    de.wikipedia.org/wiki/Breeches



    Herrenreiter steht für: Amateur-Rennreiter, zur Unterscheidung von Berufs-Rennreitern, siehe Vielseitigkeitsreiten #Olympische Geschichte. Spottname des deutschen Reichskanzlers Franz von Papen, siehe Franz von Papen #Bewertungen.



    & Herr Reul darf nicht fehlen auch wg Noske 2.0



    Politik muss ihre moralische Herrenreiter-Attitüde gegenüber der Polizei ablegen



    Von Herbert Reul



    www.welt.de/politi...l-Schluss-mit-der-

    • @Lowandorder:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - merkt an:

      “Schimmel. Reiter. Herren? Reiter..



      Und so geht es immer weiter







      Meerkatzen (Aapen) und Reulen



      Reul und von Papen



      wat wiss maken?







      Glückauf!“

    • @Lowandorder:

      Danke für den Hinweis auf den Artikel.

      Sie haben recht, ein interessanter Artikel.

      Erinnert mich an Berlin und die rot-grün-roten Koalitionsverhandlungen.

      Als die Grünen und die Linken die Innenverwaltung partout nicht haben wollten.

      Dabei ist der Innensenatorposten als stellvertretender Bürgermeister mit viel Prestige verbunden.

      Man hätte sich aber nicht mehr so schön als Herrenreiter darstellen können.

      Man hätte mit dem widerlichen Plebs zu tun gehabt.

      Schließlich hat's die SPD gemacht.

      Hat aber nicht wirklich mit dem Thema des Artikels zu tun, oder?

      • @rero:

        Daßse das nicht erkennen - mit Verlaub - wundert mich nicht sonderlich - wa!



        “Schenkeldruck“ is the goal.



        Die Kombi Min+Vors x 2! Get it?



        Fein.



        Ergänzt um die ”Friedrich Ebert“Seite vs zB Lasalle … , Willy …



        Als Rosa Luxemburg & Clara Zetkin knapp einem Anschlag entgangen waren - hielt Ebert eine salbadernde Rede!…würdge Bestattung …etc! Weit kam er damit nicht! Newahr



        “Laß man Fritze!“ Clara Zetkin: “ “Hier ruhen die letzten Männer der Sozialdemokratie“ als Inschrift reicht!“



        & was mit Noske 2.0 gemeint ist - dürfte selbst ehna klar sein! Woll



        Normal - I hope 🙀🥳

  • "Riskante Rochade" als Titel mit traditionellem Bezug im klassischen Verständnis des Spiels:



    Von dieser Flexibilität und Modernität ist die Führung der ältesten demokratischen Partei Deutschlands und Europas weit entfernt:



    "Wie funktioniert die Rochade im Freestyle Chess?



    Freestyle Chess, auch bekannt als Chess960, bringt eine spannende Wendung ins klassische Schachspiel."



    shop.chess-tigers....im-freestyle-chess

  • Das Problem ist nicht die zeitliche Trennung, sondern die organisatorische.

    Wie reisen eine Arbeitsministerin oder ein Finanzminister zu einer Talkschau, in der es inhaltlich dann möglicherweise um vollkommen ressortfremde Themen geht. Wird dazu dann der Ministerdienstwagen nebst Chauffeur genutzt?

    Wie treten die beiden auf, wenn der Kanzler von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch macht?

    Als KanzlerIn ist eine Personalunion möglicherweise unkritisch, als Junionpartner eher schwierig.

    Aber, wenn Frau Bas das Amt als Ministerin oder als Co-Chefin nicht übernommen hätte, dann wäre sofort Frau Esken zur Stelle gewesen. Insoweit konnte ihre Verdrängung parteistrategisch nur so gelingen.

  • Für charismatische Persönlichkeiten sehe ich hier allmählich Bedarf in einer Partei, der viele Spagate bevorstehen. Die SPD ist sich mit ihrem Personal offensichtlich sicher, dass sie d. Anschluss behält u. die verlorenen WählerInnen zurückgewinnen kann. Da bin ich skeptisch m. diesen schweren Doppelaufgaben.



    2020 in tagesspiegel.de zur damaligen Doppelspitze:



    "Schwieriger Start der SPD-Spitze: Esken und Walter-Borjans sind händeringend..."



    "Charisma in der Politik



    Sie alle haben es: Barack Obama, John F. Kennedy, Willy Brandt, Nelson Mandela. Jeder hat eine Vorstellung davon, was es ist, und doch ist es analytisch kaum zu fassen. Politisches Charisma ist ein weitgehend unerforschter Aspekt der Politik."



    Weiter dort über d. langjährigen u. größten SPD-Vorsitzenden unserer Zeit:



    „Demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen. Wir wollen mehr Demokratie wagen.“



    Wolther von Kiseritzkys Analyse: Willy Brand verkörperte einen Politiker, der auch auf Schwächen eingehen kann. Der mit Fairness und Solidarität versucht, politische Arbeit zu betreiben. Mehr Demokratie wagen als Forderung eines Charismatikers."