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BGH-Urteil zu DieselautoVW verdient kein Vertrauen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Ein Rentner klagte gegen VW, das oberste Zivilgericht gab ihm nun recht. Ihm ist dafür zu danken, dass er sich nicht zu einem Vergleich überreden ließ.

Der Kläger Herbert Gilbert im Gerichtssaal in Karlsruhe am 25. Mai Foto: Pool/reuters

N un ist es rechtskräftig. VW hat seine Kunden „sittenwidrig“ geschädigt und die Genehmigungsbehörden „arglistig“ getäuscht. Nun steht der Konzern endlich an dem juristischen Pranger, an den er schon lange gehört.

Jahrelang hat VW seine manipulierte Abgas-Software als „Umschalteinrichtung“ verharmlost. Jahrelang sprach man nur von der „Diesel-Thematik“, ohne rot zu werden. Auch nach dem Urteil findet VW kein Wort des Bedauerns, kein Wort der Entschuldigung. Das spricht eigentlich für sich. Dieser Konzern verdient kein Vertrauen mehr.

Es ist dem Rentner Herbert Gilbert zu danken, dass er sich von VW nicht zu einem goldenen Vergleich überreden ließ, sondern auf einem Urteil des BGH – dem obersten deutschen Gericht in Zivil- und Strafsachen – bestand. Jahrelang hatte es VW mit dieser Methode geschafft, obergerichtliche Urteile zu verzögern und zu verhindern. Das BGH-Urteil erfolgte nun erst lange nach Ende der Verjährung. Auch deshalb kam es in Deutschland zu keiner massiven Klagewelle gegen VW.

In den USA hatte VW früh alle Käufer mit Tausenden von Dollar entschädigt. In Deutschland ließ man sich lieber verklagen. Statt über zwei Millionen Diesel-Käufer bekommen nun nur rund 370.000 eine Entschädigung, 240.000 von ihnen hatten im Rahmen der Musterfeststellungsklage (MFK) des Verbraucherzentrale Bundesverband geklagt.

Dabei hat die vom Gesetzgeber erst mit Blick auf die Dieselfälle eingeführte MFK ihren ersten großen Test durchaus bestanden. Sie führte schneller zu einer Entschädigung als Zehntausende Einzelklagen. Und die im MFK-Vergleich erreichte Entschädigung von durchschnittlich 15 Prozent des Kaufpreises ist nicht schlecht, weil die Käufer ja das Fahrzeug behalten können.

Auch Kläger wie Rentner Gilbert stehen nicht unbedingt besser, weil ihnen vom rückbezahlten Kaufpreis noch der Gegenwert der Fahrleistung abgezogen wird. Vor allem aber war die MFK für die beteiligten VW-Käufer ohne Kostenrisiko. Wer hier nicht mitgemacht hat, war wohl auch nicht wirklich an der Sache interessiert.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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15 Kommentare

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  • Schade, dass nur der schöne Erfolg des Kläger die Berichterstattung dominiert.

    Die Begründung des BGH gibt soviel Einblick in die "Zum Wohle unserer Aktionäre interessieren uns Gesetze und Verordnungen nicht" Mentalität der Branche, dass VW glücklich sein wird, dass das medial und politisch offenbar kein Thema wird. Nicht nur wegen der Verhandlungen über neuerliche Kaufprämien.

    Es gab durch den vorsätzlichen Betrug aber auch Schäden, die nicht mit Rückerstattung des Kaufpreises oder einer Entschädigungszahlung für die Kunden ausgeglichen wurden!

    Diese Urteilsbegründung bietet genügend Stoff, um über Veränderungen am Aktienrecht nachzudenken.

  • Leider ist das VW Urteil nur eine Bestätigung einer jahrelangen verfehlten Produkt - und Modellpolitik. Zu glauben man kann Verbrenner so lange verkaufen bis genug Geld verdient ist um E-Autos zur Marktreife zu führen und dann besser zu sein als Tesla, also einer der nur E-Autos baut? Wer Tesla ignoriert hat seit Jahren, der ist Realitätsverweigerer! Liegt an der beamtennartigen VW-Aufstellung, leider ist aber Daimler, BMW...auch nur minimal besser.



    Auch wenn ich in einer Autoregion wohne: Es wird Zeit als Staat seine Mittel so zu lenken, dass zunftsfähige Industrieideen vorankommen. Ob genannten Auto-Dinosaurier da das richtige Spielfeld sind ist mehr als zu bezweifeln.

  • Na ja, gewonnen hat der Kläger beim BGH nichts, Zitat desselben: "Die Revision des Klägers, mit der er die vollständige Erstattung des Kaufpreises ohne Anrechnung einer Nutzungsentschädigung erreichen wollte, hatte keinen Erfolg."

    Er wollte eben das von ihm erworbene Fahrzeug unbedingt "für lau" gefahren haben. Insoweit ist das Urteil, das die Machenschaften bei VW, nicht zulassungskonforme Fahrzeuge zu vermarkten, in aller Deutlichkeit geißelte, ebenso zu begrüßen. Das Prinzip der Naturalrestitution scheint sich auch nicht bis zu allen "Volljuristen" herumgesprochen zu haben.

    Dass Vorstand und Aufsichtsrat bei VW nun erst durch den Referentenentwurf des Verbandssanktionengesetzes darauf gestoßen werden, wie man mit solchen Vorkommnissen von Anfang an umzugehen hat, ist allerdings ein weiteres trauriges Kapitel.

    • @Trango:

      "Nichts" gewonnen ist hier nicht ganz zutreffend. Ziemlich sicher ging es eben genau diesem Kläger überhaupt nicht ums Geld, sondern ums Prinzip.

      Der Kläger war bei Lichte besehen auch nur ein Stellvertreter, hinter dem Verbraucherverbände standen, die wohl auch Teile der Kosten übernommen haben.

      Das "für lau" würde ich unter Prozessstrategie verbuchen. Man muss ja auf jeden Fall zu viel fordern. :-)

  • VW und Vertrauen? Gut, diese Frage kann man bei anderen Konzerne natürlich auch stellen. Allerdings hat sich VW beim Aufdecken der Abschalteinrichtung, Entschuldigung für dieses Wort, selten dämlich, ja, sogar dreist verhalten. Die amerikanische Behörde war VW auf den Fersen und fragt sie noch, ob sie nicht etwas Illegales eingebaut hätten. VW verneint das und verfeinert die Abschalteinrichtung auch noch. So jedenfalls lauteten die Pressemeldungen damals.



    Für mich war VW sowieso schon viel zu lange auf dem hohen Ross gesessen. Was durch das arrogante und verlogene Verhalten noch bestätigt wurde. Warum wurden die Kunden recht schnell entschädigt und die Deutschen mussten sich das mühsam erstreiten? Das war für mich das letzte Quäntchen, um endgültig zu verstehen wie dieser Konzern tickt. Eigentlich müsste man das "V" aus dem Konzernnamen streichen. Das war früher irgendwann einmal Volkswagen. Und mir ist es schleierhaft, das es Leute gibt, die trotzdem noch dort kaufen. Das ist für mich, wie wenn mich ein Handwerker mich über's Ohr gehauen hat und ich trotzdem wieder hingehe. Das ist mir unverständlich.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Sehr gut. Ich liebe mutige Rentner, die gegen den Strom schwimmen.

    Chapeau, Herbert Gilbert.

  • Tja und jetzt fehlt es eigentlich noch, dass die verantwortlichen Personen bei VW vor den Kadi kommen und auch verurteilt werden. Und zwar nicht für irgendwelche lächerlichen Summen, sondern Knast! Schließlich wurden sehr viele Menschen wissentlich betrogen. Wenn ich jemanden wissentlich betrüge, komme ich doch auch hinter Gitter oder?

  • Mir kommt in diesem Leben kein VW mehr ins Haus.

  • How dareyou?, dass das Urteil gegen VW wg. Abgas-, Prospektbetrug erst nach Verjährung durch BGH erging? Einmal, weil in Deutschland seit Konrad Adenauer Regierung 1953 auf Anraten Deutschen Juristentages die von Westalliierten nach 1945 in Tri Zone eingeführte Unternehmensstrafrecht ausgesetzt ist, VW in corpore straffrei gestellt bleibt. SPD Justizministerin Christine Lambrecht hat zwar, gemäß Koalitionsvertag 2018, einen Unternehmensstrafrechts Gesetzentwurf Juli 2019 vorgelegt, aber bis heute nicht zur Lesung im Bundestag eingebracht. Zum anderen steht Automobilbau in Polposition im Carbonindustriekomplex am Anfang vom Ende dieses Komplexes und wir in einer hochgefährlichen Lage, durch dessen korrumpierende Wirkung in Politik, Parteien, Gesellschaft, ohne Risikoanalyse, Expertise noch Transparenz durch die Auto- , Carbonindusrie -Lobby in eine ungewisse Zukunft manipuliert zu werden. 1914 standen Europäische Mächte ebenfalls ohne Expertise, Risikoanalyse, vor dem Anfang des Endes ihrer Kolonialmacht. Sie schaukelten sich stattdessen mit einer Kopf in Sand Vogel Strauß Politik als Schlafwandler gleichnamigen Buches Christopher Clark 2014 manipulativ gegenseitig im patriotischen Pomp, Gloria Hurrarufe Wahn zukunftsblind in Ersten Weltkrieg hoch, in die Urkatastrophe 20. Jahrhunderts. Warum? fremdbestimmt Marktstrukturen für Bedarf an Öl, Gas, Chemie, Kohlenwasserstoffe, Pharmazie der Carbonindustrie global zu implementieren, Wer da denkt, das sei heute Schnee von gestern, sei erinnert, die Welt befindet sich seit Nine Eleven 01 in Permanenz im Krieg gegen sog. internationalen Terrorismus ohne Exit-Programm, bei dem es im Hintergrund um Zugang, Lieferketten für Abbau, Transport, Pipelines von Öl, Gas u. a. aus Afrika, Libyen, von Kasachstan, Usbekistan, Transit über Afghanistan an den Golf, das Mittelmeer geht



    weact.campact.de/p...just_launched=true

  • Es ist überfällig und geboten, der Industrie in ihrem zukunftsunfähigen Gebaren Grenzen zu setzen.

    • @aujau:

      Wie würde denn aus ihrer Sicht eine zukunftsfähige Industrie aussehen? Was soll wie produziert werden? Was wird aus den Beschäftigten?

      • @Kirschberg:

        Es geht hier um Ehrlichkeit ! Wer der meinung ist, es sei richtig Betrug als Geschäftsmodell zu betreiben und es entstehe dadurch eine zukunfstfähige Industrie der sägt nicht nur am Gemeinwohl sondern schädigt den Ruf '' made in Germany '' ! Herr Kirschberg : Glauben sie wirklich das VW den Standort Deutschland nur aufrecht hält wegen der Arbeiter ?



        Schauen sie sich mal den VW Stammbaum an , und wer alles daran Partizipiert ! VW hat sich aus den Zeiten des 3. Reiches ein eigenes Kaiserreich aufgebaut . Zweifelhafte Zulassungshürden wurden bei VW schon immer auf dem kleinem Dienstweg mit hilfe der Politik übersprungen. Es gibt sicherlich größere Umweltsauereien , aber wenn ein Einheimisches Unternemen so sehr ins eigene Nest k...t sollten es auch die Klobürste herausholen und alle ihre Großaktionäre zur Kasse bitten !



        Und was die Arbeitsplätze betrifft ... schauen sie doch mal wie viele der Beschäftigten wirklich von VW angestellt sind und nicht für ein SUB-Unternehmen arbeiten !

        • @Bodo Klimmek:

          Über 600.000 Beschäftigte sind weltweit direkt bei VW angestellt. Das ist schon eine ganze Menge.

      • @Kirschberg:

        vielleicht legal?

        • @Peter Pan:

          Legal, und weiter? Wenn VW künftig auf Betrügereien verzichtet, sind ihre Anforderungen an eine zukunftsfähige Industrie also bereits erfüllt?

          Mir ging es nicht darum das Agieren von VW zu verteidigen, sondern um ernsthafte Antworten auf die von mir gestellten Fragen.