Autovermieter Sixt: Doch kein Betriebsrat bei Sixt
Vor Gericht haben drei Düsseldorfer Mitarbeiterinnen das Recht auf Mitbestimmung durchgesetzt. Nun sind sie für Verdi plötzlich nicht mehr erreichbar.
Sixt gilt seit Jahrzehnten als betriebsratsfeindlich, fährt traditionell eine harte Linie gegen jede Form innerbetrieblicher Mitbestimmung. Dennoch hatten die drei Frauen seit 2021 versucht, am Düsseldorfer Flughafen einen Betriebsrat zu gründen – und wurden prompt massiv unter Druck gesetzt: Auf sie hagelten neben Abfindungsangeboten sechs fristlose Kündigungen herab, die aber sowohl vom Arbeitsgericht wie vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf kassiert wurden.
„Wer bei uns einen Betriebsrat gründet, fliegt raus“ – das sei der Eindruck, den die Autovermietung erzeugt habe, erklärte das Landesarbeitsgericht am 8. November. „Nichts, gar nichts“ dürfe das Unternehmen gegen eine Betriebsratsgründung tun, ermahnte der Vorsitzende Richter Alexander Schneider den bei der Urteilsverkündung anwesenden Sixt-Geschäftsführer Dirk Hünten.
Die drei Mitarbeiter:innen blieben bei ihrer Forderung nach Schaffung eines Betriebsrats am Sixt-Standort Düsseldorf. Eine vom Gericht in Aussicht gestellte Auflösung ihrer Arbeitsverträge gegen Abfindungen von jeweils 90.000 Euro brutto lehnten sie geschlossen ab. Stattdessen machten sie bei einer Betriebsversammlung am 29. November klar: Einen Wahlvorstand, der Betriebsratswahlen vorbereiten soll, wollten sie wie im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen notfalls auch vom Arbeitsgericht einsetzen lassen. Der Weg für den allerersten Betriebsrat bei Sixt war also frei.
Doch keine sieben Wochen später ist davon keine Rede mehr. „Der Anwalt, der mir den Kontakt zu unseren Gewerkschaftsmitgliedern untersagen will, schreibt mir, die drei Mitarbeiterinnen hätten Sixt um die einvernehmliche Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse gebeten“, sagt Verdi-Mann Tarim – „angeblich proaktiv und aus freien Stücken.“ Die drei Frauen hätten „das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen“, bestätigt auch ein Sixt-Sprecher auf taz-Anfrage. Die „wirklichen Beweggründe für diesen Schritt“ kenne die Firma nicht, beteuert der Unternehmenssprecher.
Özay Tarim, Verdi
Trotzdem sei Sixt „nach wie vor der Auffassung, dass es den dreien nicht um die Gründung eines Betriebsrats, sondern um hohe Abfindungen ging“. Das hatte das Unternehmen auch vor Gericht behauptet. Allerdings sei die Autovermietung „diesen Forderungen nicht nachgekommen“.
Gewerkschafter Tarim hält das für völlig unglaubwürdig. „Die Kolleginnen sind durch die Hölle gegangen“, sagt er. 14 Monate hätten die Frauen kein Gehalt bekommen, mussten von Arbeitslosengeld und am Ende von Hartz IV leben. „Aber sie haben alle Arbeitsgerichtsprozesse gewonnen. Da glaubt doch niemand, dass sie die Firma jetzt freiwillig zum Nulltarif verlassen“, meint Tarim.
Natürlich könne er nicht nachweisen, ob und in welcher Höhe tatsächlich Geld geflossen sei. Allerdings hätten nicht nur Abfindungen von 90.000 Euro Abfindung pro Person im Raum gestanden – auch die Nachzahlung der 14 ungerechtfertigt einbehaltenen Monatsgehälter sei bei allen drei Mitarbeiterinnen noch offen gewesen.
„Es ist erschreckend und abschreckend, dass Sixt Betriebsräte offenbar wirklich um jeden Preis verhindert“, sagt Özay Tarim. Umso mehr ruft der Gewerkschaftssekretär die Belegschaft der Autovermietung auf, sich nicht einschüchtern zu lassen: „Egal wo in Deutschland Sixt-Beschäftigte ihr Recht auf Mitbestimmung durchsetzen und einen Betriebsrat gründen wollen – wir als Gewerkschaft werden sie mit aller Kraft unterstützen.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell