Autofreie Zonen in Hamburg: Flanieren statt parken
In Hamburg-Ottensen und beim Rathaus entstehen zumindest zeitweise zwei autofreie Quartiere. Das Ziel ist es, Erfahrungen mit dem Konzept zu sammeln.
Die Ottenser Hauptstraße, bislang bis zum Spritzenplatz Fußgängerzone, soll bis zur Mottenburger Straße verkehrsberuhigt werden, ebenso die Bahrenfelder Straße vom Alma-Wartenberg-Platz bis zur Klausstraße, auch die Erzberger Straße und ein Teil der Großen Rainstraße, zwei weitere Verlängerungen sind optional. Und wenn Probleme und Herausforderungen auftreten, „werden sie hoffentlich gelöst werden können“, sagt Schmuckall.
So wie die Sorge einer Apothekerin in der Bahrenfelder Straße, nicht mehr jederzeit „eilige Arzneimittel“ erhalten zu können, wenn der Lieferverkehr auf die Zeit von 23 bis 11 Uhr eingeschränkt wird. „Natürlich geht das“, sagt Schmuckall, und Krankenwagen, Post oder Müllabfuhr dürfen im Schritttempo durch das Quartier fahren. Auch Anwohner und Gewerbetreibende mit privaten Stellplätzen im Hof dürfen passieren, aber auf der Straße soll kein einziges Auto mehr abgestellt werden dürfen. „Es soll ein Flanierquartier werden“, sagt Schmuckall, der Straßenraum werde Fußgängern und Radfahrern zurückgegeben.
Es ist ein ambitioniertes Vorhaben, das die Bezirksversammlung Altona Ende März nahezu einstimmig – außer der AfD und einem Freidemokraten – beschlossen hat. Im Zentrum eines der dicht besiedelsten Viertel Hamburgs soll eine autofreie Oase entstehen und die Lebensqualität gesteigert werden, ohne Mobilität zu beschränken. Mit 27 Autos auf 100 Einwohner ist die Autodichte hier eine der dünnsten in Hamburg, zugleich ist Ottensen von sieben großen Parkhäusern umzingelt, in denen Anwohner künftig ihre Autos abstellen müssen.
Tim Schmuckall, CDU Altona
Zunächst einmal ein halbes Jahr lang soll dieser Versuch dauern. Das Bezirksamt Altona hat seit März ein umfangreiches Bürgerbeteiligungsverfahren mit Anwohnern und Gewerbetreibenden durchgeführt, auch während der Umsetzungsphase sollen Dialog- und Infoveranstaltungen angeboten werden. „Wir wollen Lösungen finden und Erfahrungen sammeln für künftige Projekte“, sagt Schmuckall.
Bereits zum 1. August soll die Umgebung des Hamburger Rathauses für drei Monate autofrei werden. Von ursprünglich geplanten acht Straßen sind jedoch nach monatelangem Hickhack nur eineinhalb übrig geblieben: Kleine Johannisstraße und ein Teil der Schauenburger Straße. Dabei hatten sich im Herbst vorigen Jahres in einer Umfrage fast 60 Prozent der Grundeigentümer-, Mieter- und PächterInnen für das Experiment ausgesprochen, unter den ansässigen GastronomInnen hatte die Zustimmung sogar bei 87 Prozent gelegen.
„Das Vorhaben ist eben sehr ambitioniert“, hatte vor einer Woche noch Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamtes Mitte, erklärt. Die Feinabstimmung mit der Polizei über verkehrsleitende Fragen und die Beschilderung dauere noch an. „Aber aufgeschoben“, hatte Weiland versichert, „ist nicht aufgehoben.“ Und deshalb wollen am 22. Juli die Initiatoren des Projekts „Altstadt für Alle“ die Details der Fußgängerzone im Rathausquartier präsentieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht