Austritt nach Rechtsruck der AfD: Gründungsmitglied Oppel tritt aus
Nach dem Rechtsruck in Riesa zieht eine langjährige Bundesschiedsrichterin offenbar Konsequenzen. Dafür gibt es neue Konfliktlinien im Bundesvorstand.
Auf taz-Anfrage bestätigte Oppel zwar ihren Austritt zum Monatsende, wollte sich aber offiziell nicht zu den Gründen dafür äußern. Sie war bis zum Parteitag in Riesa Präsidentin des parteiinternen Bundesschiedsgerichts. In ihrer Amtszeit annullierte das Schiedsgericht unter ihrer Führung etwa die Mitgliedschaft des Rechtsextremen Andreas Kalbitz, die mit veränderten Mehrheitsverhältnissen nun womöglich wieder zur Diskussion steht.
Auch das auf dem Parteitag von Riesa neu gewählte Bundesschiedsgericht ist deutlich nach rechts gerückt. Oppel war in Riesa nicht erneut angetreten, dafür haben im Bundesschiedsgericht nun Leute wie Gereon Bollmann aus Schleswig-Holstein das Sagen, der einst als Landesschiedsrichter den Rauswurf von Doris Sayn-Wittgenstein wegen rechtsextremer Kontakte verworfen hatte.
Und der ebenfalls gewählte Roland Ulbrich aus Sachsen kritisierte in seiner Vorstellungsrede ganz offen „systemkonforme Tendenzen“ in der AfD – mit ihm werde es keine „PAV-Orgien“ mehr geben. PAV steht für Parteiausschlussverfahren. Ulbrich deutete auch an, dass Kalbitz' Teilnahme an einem neonazistischen HDJ-Feriencamp (Heimattreue Deutsche Jugend) für ihn kein Ausschlussgrund sei.
Grabenkämpfe gehen weiter, Meuthen-Lager hält still
Offen ist, wie viele prominente Mitglieder Oppel folgen werden. Die Reste des Meuthen-Lagers, die Stil und Auftreten, wenn auch häufig nicht die rechtsextremen Inhalte der völkischen Strömung um Björn Höcke ablehnen, halten nach dem deutlichen Rechtsruck bislang still. Viele Opportunist*innen dürften auch aus Rücksicht auf ihre Mandate die Opposition zu den rechtsextremen Kreisen aufgegeben haben.
Das heißt allerdings nicht, dass interne Grabenkämpfe vorbei sind: Der neue Bundesvorstand ist erst ein paar Tage alt, aber neue Konfliktlinien haben sich bereits vor seiner Konstituierung vergangenen Freitag aufgetan. Nicht nur warf der sachsen-anhaltinische rechtsextreme Lautsprecher Hans-Thomas Tillschneider den neu gewählten Chefs nach dem abgebrochenen Parteitag vor, „Krieg gegen die eigene Partei“ zu führen und verglich ihren Stil mit dem des ausgetretenen Parteichefs Jörg Meuthen. Auch flammte ein Konflikt zwischen Alice Weidel und Höcke auf, nachdem diese sich zunächst über eine mögliche Kandidatur des Höcke-Vertrauten und Weidel-Intimfeinds Dirk Spaniel zerlegt hatten und Weidel sich später gegen Höckes rassistische und verschwörungsideologische Europa-„Resolution“ aussprach.
Kristallisationspunkt des Konfliktes könnte der von Höcke auf dem Parteitag durchgebrachte Antrag sein, die rechtsextreme Pseudogewerkschaft „Gewerkschaft Automobil“ von der Unvereinbarkeitsliste zu streichen. Der Gründer hat Bezüge zur Terrororganisation Blood & Honor, ebenso zu NPD und III. Weg.
Deswegen kündigte der neu gewählte und inzwischen konstituierte Bundesvorstand bereits an, den Parteitagsbeschluss bedingt zu befolgen. Weidel sagte bei einer Pressekonferenz vergangenen Freitag, die Delegierten hätten gar nicht gewusst, worüber sie abgestimmt hätten. Die Organisation sei keine gewerkschaftliche Interessensvertretung. Der „Verein“ sei „hochgradig toxisch“ und gehöre zurück auf die Unvereinbarkeistliste, so Weidel.
Gleichwohl räumte der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla ein, dass mit dem Parteitagsbeschluss formell die Unvereinbarkeit aufgehoben sei. Dennoch habe der Bundesvorstand die Hoheit über die Mitgliedsaufnahme, sagte Chrupalla. Auf dem Parteitag hatten mehrere Mitglieder des neu gewählten Bundesvorstands die von Höcke geforderte Streichung mit deutlichen Worten unter anderem als „Harakiri“ angesichts der Verfassungsschutzbeobachtung der Partei kritisiert. Ebenso hatte sich etwa das Höcke nahestehende Vorstandsmitglied Maximilian Krah dafür ausgesprochen. Die heftigen internen Konflikte bleiben der AfD und im Bundesvorstand erhalten – und werden auch weiter öffentlich ausgetragen.
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