Aussetzen der Schuldenbremse: Scholz will Milliarden wegzaubern
Der SPD-Finanzminister will armen Städten einen Teil ihrer alten Schulden abnehmen. Die Union lehnt das ab. Der Plan ist dennoch nicht unrealistisch.
Was ist das Problem?
Unter dem Strich erzielten Städte und Gemeinden 2019 zwar ein Plus von gut 6 Milliarden Euro. Manche Kommunen leiden aber unter hohen Sozialleistungen, geringen Gewerbesteuereinnahmen und Zinszahlungen für alte Kredite. Betroffen sind vor allem Kommunen in NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, etwa Pirmasens, Ludwigshafen, Zweibrücken, Oberhausen, Wuppertal, Hagen, Remscheid oder Herne. Laut Städtetag liegen die drückenden Altschulden bei rund 40 Milliarden Euro. Scholz’ Vorschlag: 20 Milliarden Euro übernimmt der Bund, 20 Milliarden die Länder.
Was spricht dafür?
Die Bedingungen für Millionen Menschen würden sich verbessern. Stadtverwaltungen könnten mehr in Kitas, ÖPNV, Personal oder Wohnungsbau investieren. Der Schuldenerlass wäre wie ein Konjunkturprogramm, das auch Firmen und ihren Beschäftigten dient. Deutschland könnte sich diese Schuldentilgung leisten, weil die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote unter 60 Prozent gesunken ist – unproblematisch. Mehr Geld auszugeben könnte auch die Inflation antreiben und die Sparzinsen steigen lassen.
Was spricht gegen die Hilfe für die Städte?
Die Schuldenbremse im Grundgesetz begrenzt die Kreditaufnahme des Bundes. Scholz kann nicht mal eben 20 Milliarden Euro ausschütten. Mit Zweidrittelmehrheit müssten wohl Bundestag und Bundesrat eine Ausnahme beschließen – aber die Union weigert sich. Zudem ist es wahrscheinlich nicht damit getan, den Kommunen alte Schulden abzunehmen. Um nicht immer wieder gezwungen zu sein, neue Kredite aufzunehmen, müssten sie ihre Etats grundsätzlich in Ordnung bringen. Bevor das nicht geklärt ist, habe die Entschuldung keinen Sinn, sagen die Kritiker.
Ist der Scholz-Plan realistisch?
Der Deutsche Städtetag findet den Vorschlag gut, Unionspolitiker widersprechen. Schuldenbremse und Bundesetat ohne neue Kredite stehen für sie im Range ewiger Wahrheiten. Die SPD hat der Union aber zuletzt Zugeständnisse abgehandelt, die diese zunächst ebenfalls ablehnte, so die Grundrente ohne Vermögensprüfung. Die kommunale Entschuldung liegt nun auf dem Verhandlungstisch – und wird vielleicht Teil eines Kompromisses.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga