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Außenpolitik bei SondierungenNicht oben auf der Agenda

Özdemir und Nouripour sind bei den rot-grün-gelben Verhandlungen nicht dabei. Außenpolitische Programme spielen kaum eine Rolle.

Mehr Außenpolitik wagen? Habeck (li.) und Özdemir kurz vor der Bundestagswahl im September Foto: Frederic Kern/imago

E ine Woche der Sondierungen geht zu Ende. Anders als vor vier Jahren war von den Beteiligten wenig aus den Verhandlungen zu hören. Sie beließen es dabei, zu erklären, welche Themenbereiche Gegenstand der Gespräche waren oder sein werden. Vor den Mikrofonen und Kameras betonte man bloß, wie nah man sich schon – oder wie fern man sich noch – fühle.

Jetzt wird sich zeigen, ob die Verhandlungsteams einer möglichen „Fortschrittskoalition“, wie die Ampel sich jetzt nennt, weiter so deutschlandfixiert sein werden – oder ob nicht doch auch der eine oder die andere Ex­per­t:in für Außenpolitik mitverhandeln darf. Bis jetzt scheint Außenpolitik jedenfalls nicht oben auf der Agenda gestanden zu haben, sieht man sich allein die Zusammensetzung der Teams an.

Das Fehlen Cem Özdemirs im Team der Grünen wurde bis jetzt nur aus symbolpolitischen Gründen beklagt: Ein Mann mit türkischem Nachnamen, das wäre doch ein Zeichen. Das Problem liegt woanders. Özdemir verfügt über außenpolitische Expertise. Er weiß nicht nur, wovon er redet, wenn er etwa die Verhältnisse im Nahen und Mittleren Osten thematisiert. Er tut es auch. Will sagen: Er spricht von Dingen, die uns alle angehen. Schade, dass Cem Özdemir nicht bereits vier Jahre lang unser Außenminister war.

Immerhin hatten die Grünen ihn ins „erweiterte Sondierungsteam“ geschickt. Außenpolitiker Omid Nouripour wäre auch eine Bereicherung fürs Grünen-Team gewesen. Er hat der FAZ die Frage, ob Deutschland eine neue Außenpolitik brauche, vor einer Woche mit einem einfachen, klaren „Ja“ beantwortet. Um dieses „Ja“ zu formulieren, muss man kein außenpolitisches Genie sein.

Die Jahre der Trump-Regierung haben den Europäern gezeigt, dass sich der transatlantische Partner schnell in einen polternden Bully verwandeln kann, dem Europa herzlich egal ist. Auch Joe Bidens Maxime lautet „America first“, was angesichts des desolaten Zustands seines Landes mehr als verständlich ist, wo seit einer Woche über die katastrophalen Zustände auf der New Yorker Gefängnisinsel Rikers Island diskutiert wird.

Rikers Island als Symbol für das Versagen neoliberaler Politik

Rikers Island ist ein Symbol für das Versagen neoliberaler Politik in den vergangenen Jahrzehnten, die das Verrotten von technischen und gesellschaftlichen Infrastrukturen zur Folge hatte. Die Außenpolitik Chinas ist unter Xi Jingping expansiver, aggressiver und autoritärer geworden. Währenddessen führt der alte Geheimdienstler Wladimir Putin längst einen neuen Kalten Krieg gegen die offenen Gesellschaften des Westens.

Ideologisch mit Konzepten wie der „traditionellen Familie“, praktisch-operativ mit Desinformationskampagnen in den sozialen Medien und über sein Propagandainstrument Russia Today. Putins ­Destabilisierungskampagne funktioniert ganz gut. Die fünfte Kolonne Moskaus rekrutiert sich aus Rechtspopulisten, Extremisten und Verschwörungstheoretikern. Es reicht dem Kreml ein kleiner Pool aus Verwirrten, Verunsicherten und dezidierten Feinden der Demokratie, um Unruhe zu stiften.

Immerhin haben sich die Koalitionäre in spe auf diese Formel geeinigt: „Wir befähigen die liberalen Demokratien Europas dazu, Desinformation, Fake-News-Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen aus dem In- und Ausland besser abwehren zu können.“ Die Klimakatastrophe wird Konflikte auf der ganzen Welt noch weiter befeuern. Es werden sich noch mehr Menschen weltweit auf der Flucht befinden. Es gibt also eine Fülle von Gründen, die deutsche Außenpolitik neu zu justieren.

Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, hatte es am Freitagmorgen noch als besorgniserregend bezeichnet, dass der Außen-, der Sicherheits- und der Entwicklungspolitik zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde. Nun ist im Papier der selbsternannten Fortschrittskoalition von einer „Allianz der Demokratien“ die Rede. Eine „Nationale Sicherheitsstrategie“ wird angekündigt. Wir sind gespannt, wie’s weitergeht.

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Ulrich Gutmair
Kulturredakteur
Kulturredakteur der taz. Hat Geschichte und Publizistik studiert. Aktuelles Buch: "'Wir sind die Türken von morgen'. Neue Welle, neues Deutschland". (Tropen/Klett-Cotta 2023).
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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wäre ich gehässig, würde ich darüber spotten, dass in einer eher linken Zeitung ausgerechnet der Transatlantiker Özdemir (mit Kontakten zu neokonservativen Denkfabriken in den USA) und - horribile dictu - Ischinger als Kronzeugen in außenpolitischen Fragen dienen... Es passt aber ganz gut zu einem Weltbild, das eigene "euronationalistische" Überlegenheitsgefühle in liberale Windeln wickelt: wenn man sich nur noch von Feinden umzingelt fühlt und hinter innerem Dissens zwanghaft russischen Einfluss vermutet - dann sollte man sich überlegen, ob das noch eine gelungene Gegenwartsanalyse ist oder nicht ein Weltbild von Vorgestern...

    • @O.F.:

      "... oder nicht ein Weltbild von Vorgestern..."

      Was ist "Vorgestern"? Das Russlandbild aus dem Kaiserreich? Oder das der Nazis? Vielleicht die postfaschistische Zeit, wo man das Feindbild Russland schon deshalb nicht begraben wollte, weil man über die vielen Millionen getöteter damaliger Sowjetbürger und Bürgerinnen nicht reden wollte? So wie heute?



      Oder weil die Gegenwartsanalyse bewusst den Zeitraum deutscher Außenpolitik verschweigt, der zu einer friedlichen Entwicklung führte, die heute auf Teufel komm raus wieder zerschlagen wird?.

      Ich denke, dass eine gute Außenpolitik auch etwas mit Geschichtsbewusstsein zu tun hat. Nie wieder Faschismus muss auch heißen, dass nie wieder eine Außenpolitik mit den ewig alten Feindbildern möglich sein wird. Das ist mit dem heutigen politischen Personal leider nur ein Wunschtraum.

  • "Währenddessen führt der Geheimdienstler Putin längst einen kalten Krieg gegen die offenen Gesellschaften des Westens" - M.E., Herr KULTURredakteur Gutmair, hat die "offene Gesellschaft des Westens" (ein Spiegelbild des konservativen Klamauks in England) Putin dahin getrieben, wie z.B, durch die einseitige NATO-Erweiterung. "Offen" sein in alle Richtungen, wie wir es von Kulturschaffenden kennen, gesprächsbereit zum Erlangen gegenseitigen Verständnisses, das ist der Schlüssel zu einem respektvollen Miteinander. Das aber scheitert, so denke ich, besonders am Geld-/Wirtschaftsegoismus des Westens.

  • Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass Özdemir hier als Mann mit außenpolitischer Expertise bezeichnet wird. Wenn jemand wie Özdemir klare transatlantisch geprägte Feindbilder sehr populistisch vertritt und nur in Kategorien denkt, die entweder schwarz oder weiß sind, dann ist das nicht mehr als schlichtes Denken.

    Leute wie Röttgen, Özdemir oder Nouripour sind austauschbar,



    Von Özdemir hat es noch nie Äußerungen gegeben, wie eine Außenpolitik unter dem Aspekt international koordinierter Klimapolitik aussehen könnte. Es hat noch nie plausible Äußerungen darüber gegeben, wie eine friedenspolitisch orientierte Außenpolitik funktionieren kann. Stattdessen diese typisch grüne "klare Kante" Ideologie mit entsprechenden Optionen für mehr Rüstung und Ausbau der militärischen Möglichkeiten wie sie auch Baerbock vertritt.



    Man könnte einen Außenminister Özdemir auch als Gefahr für den Frieden bezeichnen. Als überzeugter Transatlantiker vertritt er die US amerikanische Doktrin, dass es zwischen Deutschland und Russland keine konstruktiven Beziehungen geben darf und das größte europäische Land aus der EU ausgeschlossen bleibt. Wo bleibt da in Zeiten der Klimakrise ein außenpolitischer Ansatz, der weder geschichtsvergessen ist, noch alle Möglichkeiten nutzen will, auf der Basis der unterschiedlichen Interessen und ohne moralische Überhöhung konstruktiv nach Wegen zu suchen, die für alle Beteiligten wichtig sind. Özdemir kennt nur die Einbahnstraße eigener Interessen.

    • @Rolf B.:

      Nein,das vertritt er nicht!!



      Nur Russ land ,undemokratisch,



      Mit Autokrat Putin,den man mit Fug und Recht auch noch schlimmeres nennen darf... und Türkei unter "Sultan" Erdogan



      Haben im Verstaendnis Von Cem Oezdemir nix in der EU zu suchen.Zurecht!



      Genau genommen müsste auch Polen und Ungarn jetzt schon der Geldhahn zugedreht werden.Nouripour ist eine wichtige Stimme besonders in der Iran Politik.Menschenrechte verletzende autoritäre bis klerikalfaschistische Regimes sind immer zu ächten,und zu sanktionieren und zwar so ,dass nicht deren Zivilbevölkerung darunter zu leiden hat.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Tja bei den Wahlen Frankreichs Großbritanniens Norwegens und Dänemarks quasi kein Blick auf Außenpolitik …. Teilweise war es Vorsicht damit die Gesellschaft nicht zersprengt wird teilweise war es Desinteresse …. Kleiner Tribut an den konservativen Geist eines Landes …. Nouripour wäre ein geeigneter Kandidat als Fischer Nachfolger

  • Ja,soweit ,so gut..aber meines Wissens wären die beiden Guten Mannsbilder dabei im Verhandlungsteam,wenn es denn zu Ampel Verhandlungen käme,was anzunehmen ist.So what.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Özdemir als Außenminister, Baerbock als Landwirtschaftsministerin - ihr Reden ohne Luft zu holen, lässt die Lobbyisten reihenweise verzweifeln und aufgeben - und Habeck als Umweltminister - Stromtrassen von Nord nach Süd in 6 Monaten?



    Wer macht die Wirtschaft? SPD - aber wer?

    Wir werden es erleben.

  • Hum, Autolobbyist Özdemir und die Außenpolitik ! Was für eine Mischung?