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Ausgrabungen zu NS-MassenexekutionenWas den Zwangsarbeiterinnen blieb

Vor 70 Jahren wurden mehr als 200 Zwangsarbeiterinnen im Sauerland ermordet. Eine Gruppe von ForscherInnen fand nun Munition und Habseligkeiten der Ermordeten.

Was den Opfern abgenommen wurde, war oft das letzte, das ihnen geblieben war Foto: dpa

Warstein/Arnsberg dpa | Schuhe, Besteck, Münzen, Kleidungsteile von Opfern, aber auch Munition und Täter-Werkzeuge: Mehr als 70 Jahre nach barbarischen NS-Verbrechen im Sauerland haben ExpertInnen nach umfangreichen Ausgrabungen neue Erkenntnisse über drei Massenexekutionen gegen Kriegsende gewonnen.

Man habe mehr als 400 Fundstücke an drei Tatorten im Arnsberger Wald aufgespürt, wo im März 1945 Exekutionskommandos 208 polnische und russische ZwangsarbeiterInnen ermordeten. Das teilte der Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) mit.

„Die Funde erzählen zum einen von den Opfern“, hieß es. Die Wissenschaft gewinne aber auch wichtige Einblicke über Vorgehen, Denkweise und der „Bewegungsprofile“ der NS-Täter. ArchäologInnen fanden Habseligkeiten der Opfer, die von Angehörigen der Waffen-SS und Wehrmacht zwischen Warstein und Meschede ermordet worden waren. Geborgen wurden etwa ein Gebetbuch oder ein polnisches Wörterbuch, Textilien-Reste, sowjetische Münzen oder Geschirr.

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Was den Opfern, überwiegend Frauen, vor ihrer Erschießung abgenommen wurde, war zu dem Zeitpunkt ihr einzig verbliebener Besitz. Die ForscherInnen entdeckten auch Patronenhülsen oder Schaufeln. Zusammen mit den Erkenntnissen aus historischen Akten habe man damit den Ablauf der grausamen Taten rekonstruieren können.

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19 Kommentare

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  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    zur steigerung der empathie mit den opfern gibt es auch kunst.



    jonathan littell´s "die wohlgesinnten" -ein roman, aus tätersicht geschrieben- ermöglicht es dem leser während der lektüre nicht, bestimmte landschaftsformationen ohne den gedanken an deren nutzung als massengrab zu betrachten.



    bildung und kultur stehen massakern nicht im wege, stattdessen werden nur die gründe und abläufe genauer ausgearbeitet.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @90118 (Profil gelöscht):

      Ich lese praktisch keine Romane mehr (das Leben ist zu kurz für solcherlei), aber selbst wenn, würde ich, als an der Geschichte und an den menschlichen Katastrophen Interessierten und Anteilnehmenden, Littells Buch nicht mal mit der Pinzette anfassen

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Interessehalber - Why? (Pinzette?)

        unterm-----



        "Ein dickes Buch übers Tätersein: Jonathan Littells Roman "Die Wohlgesinnten" erzählt die Geschichte eines SS-Offiziers und verbleibt an der Oberfläche der Monstrosität.



        Nazi-Charakter ohne Zentrum



        KOMMENTARVON DIRK KNIPPHALS



        web.archive.org/we...E&cHash=6aa1c8f1f0



        So in der Richtung? - oder Blick von außen?



        &



        (Steht irgendwann/wie angelesen zwischen:



        Kalle Marx Che & Joseph Roth (liebe chaotische Ordnungen;)



        Normal - wa.)

        • 6G
          61321 (Profil gelöscht)
          @Lowandorder:

          Ich habe die Rückfrage befürchtet und erwartet. Meine Antwort zerfiele in multiple Teilantworten die ich nicht in 2000 und auch nicht in 4000 Zeichen ausdrücken kann.



          Eine der Antworten aber ist die folgende: Solange ich Ohren und dazwischen ein arbeitendes Gerirn habe, werde ich mir alle möglichen Zeugnisse anschauen und anhören, von Tätern, von Opfern und solchen, die dazwischen als ungeschorene Unbeteiligte durch die Geschichte hindurch schlüpfen suchten. Die zweite Hälfte gerade dieses Winters habe ich mich eindringlich langen Interviews zugewandt, die einen Teil dieser großen Geschichte erzählen. Die Interviewten sind mittlerweile fast alle tot. Aber nur 15min beispielsweise einer Simone Veil zuhören, ist so viel wichtiger, als jedes noch so ausgeklügelte Stück fiktiver Konstruktion, und sei sie auch mit den ehrbarsten Absichten erstellt (was ich bei Littell mehr als anzweifle).



          Lassen Sie mich vier Beispiele bringen, die, wenn Sie die Geschichten hören und an sich heran lassen, sich tief in Ihr Bewusstsein graben werden:



          www.youtube.com/watch?v=OC0TgobhGIo



          www.youtube.com/watch?v=EbmNmfcdwkU



          www.youtube.com/watch?v=GvXogxTVIrU



          www.youtube.com/watch?v=nblv326KjH4



          Alles französich. Désolé. Ich wünschte, Sie täten sich leichter damit.

          • @61321 (Profil gelöscht):

            Ok Ok - Danke. Hab ich ja nich was Zeit.

            unterm——vllt noch dess wg différence



            “Mein Kampf- German, 1960, Erwin Leiser“



            m.youtube.com/watch?v=SIn2ssSnnKg



            Den sah ich - geradezu unauslöschlich



            Hintergrundrauschen - mit etwa 14/15.



            &



            Anders als der so geschätzte - wenig jüngere Jochen Schimmang - hab ich das zwar manchmal als bedrängend - aber nie als abwehrend bedrohlich empfunden. - (…vllt weil er wg Lehrer - ich wg Neugier/Interesse - gesehen).



            & Anyway -



            “Roman eines Schicksalslosen“ von Imre Kertész - spiel ich jetzt nicht gegen - Zeitzeugenintrviews et al. aus. Liggers

            Klar - Wissen wir.



            Normal.

            • @Lowandorder:

              ERRATA - klar - nich nich - Nö - NOCH!!



              Versprochen.

              • @Lowandorder:

                Noch‘n - Errata - nochmals nachgerechnet - Oberstufe - 18/19 also.



                Anyway. Hard stuff - bis heute - trotz youtube - trau ich mich bisher nicht wieder ran - schieb‘s immer wieder raus.

              • 6G
                61321 (Profil gelöscht)
                @Lowandorder:

                Danke, bin gespannt. Der Film war mir komplett entgangen.

                • @61321 (Profil gelöscht):

                  Ziehen Sie sich - mit Verlaub - warm an

                  • 6G
                    61321 (Profil gelöscht)
                    @Lowandorder:

                    .



                    Ok.

                    Falls Sie den mal wo sehen können......



                    de.wikipedia.org/w...%BCr_die_Deutschen



                    Er lief vor wenigen Jahren (kurz nach Restaurierung des unvollendeten Films) auf ARTE

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Weiß nicht genau - worauf Sie genau rauswollen.

      Aber mal so gesehen - Todesmärsche



      Dachau -

      Schloss Blutenburg: Skulpturenpark



      goo.gl/images/VbDHHx

      • @Lowandorder:

        Todesmärsche. Im März 1945. Das fiel auch mir ein, beim Lesen des Beitrages.



        Danke für die weiteren Hinweise!

        Vielleicht noch, Daniel Jonah Goldhagen, er hat die Todesmärsche in seinem Buch: "Hitlers willige Vollstrecker/ Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust" in Teil V "Todesmärsche: Bis zum bitteren Ende" beschrieben.

        • @Günter:

          Danke für den Hinweis.

          Das - noch dazu.



          Die Todesmärsche: „Konzentrationslager auf Wanderschaft“



          11. Februar 2019 – 6 Adar I 5779



          Eine neue Publikation beleuchtet die finalen Massenmorde der Nationalsozialisten…" ( - grad gefunden):



          Martin C. Winter, Gewalt und Erinnerung im ländlichen Raum. Die deutsche Bevölkerung und die Todesmärsche, Berlin 2018, ISBN 978-3-86331-416-3, 531 Seiten, 29,90 €

          www.hagalil.com/2019/02/todesmaersche/

          • @Lowandorder:

            Danke! Das Buch kenne ich noch nicht. Werd's Montag in meiner Buchhandlung bestellen.



            Die unmittelbare Nachkriegsgesellschaft und die Monate vor dem 8 Mai 45 sind ein wichtiges Thema.

  • Erschütternd. Im Wortlaut -



    www.soester-anzeig...htal-11837140.html

    "Warstein/Suttrop - Über 400 Fundstücke haben Ausgrabungen in Suttrop, im Langenbachtal und in Eversberg zutage gebracht. Dort waren im März 1945 208 russische und polnische Zwangsarbeiter erschossen worden.

    Die Augen von Günter Aust werden feucht, als er sich an den 3. Mai 1945 zurückerinnert. An den Tag er als damals 13-Jähriger mit der Bevölkerung Kallenhardts von US-Soldaten an den Leichen der 57 ermordeten Zwangsarbeiter im Wald zwischen Suttrop und Kallenhardt vorbei geführt wird.

    „Das schlimmste Bild war das Baby mit dem zertrümmerten Schädel. Das haben sie einfach vor einen Baum geschlagen. Das war ergreifend“, sagt er an der Stelle stehend, wo sich am 21. März 1945 „eines der größten Kriegsverbrechen in der Endphase des 2. Weltkriegs außerhalb von Konzentrationslagern und Gefängnissen“ zugetragen hat, wie es Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), am Freitag bei der Präsentation der Ausgrabungsergebnisse an den Orten in Suttrop, im Langenbachtal und in Eversberg, an denen insgesamt 208 russische und polnische Zwangsarbeiter getötet wurden, formulierte.

    Über 400 Funde waren bei den archäologischen Ausgrabungen 2018 und 2019 zutage gefördert worden. Zum größten Teil gehörten sie den Ermordeten. „Das war ihre letzte Habe. An sie haben sie sich geklammert als letzte Erinnerung an ihre Heimat“, erklärt Löb.

    Ein polnisches Gebetsbuch, eine Mundharmonika, ein Brillenetui, aber auch einen Damenschuh, sowjetische Münzen und Gebrauchsgegenstände wie Geschirr und Besteck haben die Archäologen entdeckt. Zumeist wertlose Gegenstände, denn: „Die Täter haben die Habe durchsucht“, hätten die Erschießungskommandos aus SS-Angehörigen und Wehrmachtssoldaten Wertvolles an sich genommen, weiß Archäologe Dr. Manuel Zeiler, der die Ausgrabungen leitete.

    ff

    • @Lowandorder:

      btw & Däh! Mailtütenfrisch -

      “Wehe uns, wenn wir nicht mehr erschüttert sind.



      Ilija Trojanow: www.taz.de/!5572600/

      Liggers.

    • @Lowandorder:

      "LWL findet über 400 Fundstücke bei Ausgrabungen

      Erschießungen in Suttrop und im Langenbachtal: "Ein gut organisiertes Verbrechen"

      ff



      "..So seien nach der Hinrichtung von 71 Zwangsarbeitern – darunter 60 Frauen und ein Kind – im Langenbachtal, wo die meisten Fundstücke ausgegraben wurden, gut 1000 Reichsmark in die Divisionskasse eingezahlt worden.

      Unter den Fundstücken finden sich auch einige, die den Tätern zugeordnet werden konnten: Schaufeln, mit denen die Leichen verscharrt wurden, und Teile eines Gewehrs. Und Patronen.

      Gerade die Fundorte der Patronen helfen Zeiler und Dr. Marcus Weidner vom LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, den Ablauf der Erschießungsaktionen nachzuzeichnen.

      Weidner, der die Fundstücke als „materiell wertlos, aber kulturell bedeutend charakterisiert“, befasst sich seit 2015 intensiv mit den Ereignissen im März 1945, hat dabei auch 10000 Seiten Aktenmaterial des „skandalösen Prozesses“ aufgearbeitet, in dem 1957 vor dem Landgericht Arnsberg gegen drei Täter milde Urteile ausgesprochen wurden.

      „Zehn bis 15 Personen waren jeweils an einer Erschießungsaktion beteiligt“, erklärt Weidner. In drei Phasen habe man die Zwangsarbeiter erschossen. Bereits tagsüber hätten Zwangsarbeiter einen zickzackförmigen Graben ausheben müssen, berichten Weidner und Zeiler am Hinrichtungsort von der Erschießung im Suttroper Wald.

      Dort angekommen, hätten die Opfer ihre Habseligkeiten und Kleidung ablegen müssen. Die Opfer, der ersten beiden Erschießungsphasen seien in den Gräben mit Kopfschüssen hingerichtet worden, die der dritten Phase am Grabenrand. „Das war ein gut organisiertes Verbrechen. Man hat sehr systematisch gemordet“, schließt Dr. Manuel Zeiler.

      Verstreute Patronen verschiedener Waffentypen zeigen aber auch, dass es Fluchtversuche gegeben hat. „Im Langenbachtal laufen die Opfer wild durcheinander. Da hieß es dann: Feuer frei“, ergänzt Dr. Marcus Weidner.

      ff ja sicher

      • @Lowandorder:

        ff & Rest

        "....Doch nicht nur die Fundstücke helfen Archäologen und Historikern bei der Aufarbeitung. „Wichtig ist auch das, was wir nicht finden“, erklärt Zeiler. „Die Täter haben gut aufgeräumt. Man hat ganz säuberlich die Tat vertuscht.“

        Nicht gefunden haben die Archäologen, die unter anderem von elf ehrenamtlichen Sondengängern des Forums Westfalenfreunde unterstützt wurden, Hinweise auf Namen der Erschossenen. So bleibt es bei bislang nur 14 Identifizierten der 208 Opfer.

        1964 wurden die ermordeten Zwangsarbeiter aus Suttrop und dem Langenbachtal auf den Waldfriedhof „Fulmecke“ in Meschede umgebettet. Bis auf sieben Leichen, die man in Suttrop nicht mehr finden konnte.

        Durch die jahrelange Beschäftigung mit dem Kriegsverbrechen im Arnsberger Wald hat sich bei Dr. Marcus Weidner, der gemeinsam mit Dr. Manuel Zeiler am Donnerstag, 21. März, die Ergebnisse und Fundstücke der Ausgrabungen im Landgericht Arnsberg präsentieren wird, eine „Herzensangelegenheit“ ergeben. Er möchte die Orte – die drei Erschießungsorte und die Friedhöfe in Suttrop und im Langenbachtal – kennzeichnen und zu einem regional-zeitgeschichtlichen Erinnerungspfad verbinden."

        Hoffentlich wird das was. Masel tov.

        unterm-----nochens ---



        Über die in mehrfacher Hinsicht lila-Einfärbung & deren Verwirrpotenzial - können sich ja alle mal - einschließlich Redaktion & Autor(en) - nunja Gedanken machen.

        btw - Mir jedenfalls mißfällt das. Bin sicher a weng altersbeschränkt - aber erst bei/nach der Recherche hatte ich`s klar.

        • @Lowandorder:

          thanks man