Ausgetretene Linken-Politikerin Quade: „Versagen im Kampf gegen Judenhass“
Nach Jahrzehnten verlässt die Hallenser Linken-Politikerin Henriette Quade ihre Partei. Die Vorwürfe gegen ihre Genoss:innen wiegen schwer.

Einen „großen Ausschlag“ habe der Landesparteitag in Berlin am 13. Oktober gegeben. Dort war die Debatte um einen Antrag gegen Antisemitismus im Eklat geendet. Quade wollte noch den Bundesparteitag in Halle abwarten. Doch auch dort sah sie „Außenwirkung vor Problembenennung“ beim Thema Antisemitismus. Die Beschlussfassung zu einem Nahost-Antrag nennt sie einen „ziemlichen Tiefpunkt“.
Der „mörderische Antisemitismus, der seit dem ersten Tag des Bestehens des Staates Israel auf dessen Vernichtung drängt“, bleibe unbenannt. Der Parteitag wollte ein „Signal der Einheit und der Geschlossenheit“ senden – um den Preis von Kompromissen mit antisemitischen Strömungen. „Aber bei dem Thema sind Kompromisse für mich nicht tragbar“, sagt Quade.
Zu lesen war, dass sie am Rande des Parteitags von propalästinensischen Demonstrant:innen bedroht worden sei. „Das geht gar nicht“, hatte der gerade neu gewählte Linken-Co-Chef Jan van Aken auf der Bühne dazu gesagt, dass Quade den Parteitag „durch die Hintertür“ verlassen musste. Quade weist dies zurück. „Ich bin da ganz klar nicht bedroht worden“, sagt sie. Es sei lediglich „auf der Demo Bullshit über mich erzählt“ worden.
Hate und Zuspruch
Den Hinterausgang habe sie nur benutzt, weil sie keine Lust auf die Begegnung mit den Demonstrierenden gehabt habe. „Es gab aber kein Gespräch mit Jan van Aken, in dem ich mich über Bedrohungen beklagt hätte“, sagt Quade. Van Akens Bekundung sei „sehr freundlich gemeint“. Ihren Austritt als eine „emotionale Reaktion“ auf Demonstration darzustellen „lenkt von meiner inhaltlichen Kritik ab.“ Die Behauptung der Parteiführung, es gebe „keine Antisemiten“ in der Partei, sei „bedeutend schlimmer als eine Demo“, sagt sie.
Wer die Social-Media-Reaktionen auf ihren Schritt liest, ahnt, wie hart die Auseinandersetzung in der Partei ist. Kommentare wie „eine Rassistin weniger“ häufen sich. „Die Reaktionen des Hate-Mob sprechen Bände“, sagt Quade dazu. Sie erreichten aber sehr viele unterschiedliche Nachrichten, „auch sehr freundliche und unterstützende, etwa von Jüd:innnen, die sich von der Linken nicht gut vertreten fühlen“.
Quade hatte über viele Jahre im Landtag von Sachsen-Anhalt auf Aufklärung im Fall des 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Oury Jalloh gedrängt. Sie arbeitete mit den Überlebenden des antisemitischen Terroranschlags in Halle am 9. Oktober 2019. Der Überlebende İsmet Tekin dankte Quade am Sonntag dafür beim Parteitag. Quade ist künftig Fraktionslose im Landtag und will „konsequent antifaschistisch“ bleiben.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung