piwik no script img

Ausbildungsplatzmangel in BerlinFake-Politik ersetzt keine Konzepte

Marie Frank
Kommentar von Marie Frank

Gegen die niedrige Ausbildungsquote in Berlin hat der schwarz-rote Senat kein Konzept. Dabei liegt die Lösung bereits auf dem Tisch.

Die Lösung für den Fachkräftemangel ist einfach: Ausbilden und fair bezahlen Foto: Soeren Stache/dpa

J edes Jahr, wenn die Ausbildungszahlen vorgestellt werden, ist es das gleiche Spiel: Dass in Berlin Tausende junge Menschen ohne berufliche Perspektive bleiben, erklären die Unternehmen damit, dass die Ausbildungswilligen eben zu dumm seien: Die Schulqualität sei zu schlecht und die Menschen brächten nicht die nötigen Qualifikationen mit, heißt es unisono.

Im Prinzip ist zwar richtig, dass die Schulqualität in Berlin angesichts eklatanten Leh­rer*­in­nen­man­gels und überfüllter Klassen besser sein könnte. Das trifft aber nicht den Kern des Problems. Vielmehr ist es eine willkommene Ausrede, um von eigenen Fehlern und von strukturellen Missständen in den Unternehmen abzulenken: Denn dass so viele junge Menschen keinen Ausbildungsplatz bekommen, liegt in erster Linie daran, dass in der Hauptstadt zu wenig ausgebildet wird.

So liegt die Ausbildungsquote in Berlin mit 11 Prozent weit unter dem Bundesdurchschnitt von 19,1 Prozent – und der ist schon viel zu niedrig. Und wo ausgebildet wird, ist die Qualität oft nicht gut: Geringe Löhne, hohe Arbeitsbelastung und viele Überstunden gehören für viele Azubis zum Alltag.

Statt die jungen Menschen weiterzubilden, werden sie allzu häufig als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Gastronomie und Hotellerie sind hier negative Spitzenreiter und entsprechend unbeliebt bei den Jugendlichen. Das erklärt nicht nur die hohe Ab­­bre­che­r*in­nenquote, sondern auch, dass alljährlich Hunderte Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben – trotz des Überangebots an Ausbildungswilligen.

Ausbildungsplatzumlage ist eine gute Lösung

Eine Lösung für das Problem liegt bereits auf dem Tisch: die Ausbildungsplatzumlage. Damit wollte Rot-Grün-Rot diejenigen Betriebe unterstützen, die überproportional ausbilden, und diejenigen zur Kasse bitten, die dies zu wenig oder gar nicht tun. Eine gute Idee, die diejenigen belohnt, die etwas für die Allgemeinheit tun, und diejenigen bestraft, die dies in ihrem Profitmaximierungsdenken eben nicht tun.

Doch im neuen unternehmerfreundlichen Senat aus CDU und SPD hält man nichts davon, die Wirtschaft in die Pflicht zu nehmen. Die kurz vor der Einführung stehende Umlage wurde gekippt und stattdessen setzt man auf die gute, alte Selbstverpflichtung der Unternehmen. Dass das schon bei den Immobilienkonzernen in Sachen bezahlbarer Wohnraum nicht klappt, geschenkt. Konstruktive Ideen, wie dem Problem wirksam begegnet werden kann, sucht man indes vergeblich.

Aber das scheint ja generell die Maxime von Schwarz-Rot zu sein: Erst mal alles stoppen (Radwegeausbau, Sozialprojekte, Vergesellschaftung), aber keine neuen Konzepte vorlegen. So kann man auch Handlungsfähigkeit suggerieren. Die Ber­li­ne­r*in­nen haben von dieser reaktionären Fake-Politik allerdings wenig – im Gegenteil. Denn die Lebensqualität der Menschen bemisst sich nicht an den Gewinnen der Konzerne.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Marie Frank
Leiterin taz.berlin
Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Was ist denn das für ein komischer Artikel?



    In 2022 haben in Berlin 25 % der Auszubildenden den Ausbildungsplatz erst gar nicht angetreten. Die Abbrecherquote beträgt in den letzten Jahren 35 %.



    @ taz: ich erhoffe mir zukünftig doch etwas mehr Substanz und weniger linke – Ideologie Brille. Da lese ich zum Thema lieber Tagesspiegel o.a.



    Da gibt es mehr Informationen zum Thema und weniger Ideologie.



    Z.B.



    www.tagesspiegel.d...markt-8830459.html

  • "scheif Was ist an ".... kurz vor der Einführung stehende Maßnahme....." nicht zu verstehen?"



    Ganz einfach: Kurz vor der Einführung bedeutet in Berlin, daß in nächster Zeit erst mal nichts tut! Wenn an bedenkt, wie lange es gebraucht hat diese Vorlage zu erarbeiten (der Ausbildungsplatzmangel ist ja nicht von heute auf morgen vom Himmel gefallen), sagt dies schon viel aus über die Arbeitsweise des letzten Senates! Ich bin kein Freund der jetzigen Koalition, RG oder GR wäre mir auch lieber gewesen, aber gebt dem derzeitigen Senat doch mal die Möglichkeit etwas auf die Beine zu stellen und wenn die auch nur mal die Verwaltung wieder auf den Stand bringen, wie er vor etlichen Jahren mal war! Da konnte man zum Bürgeramt gehen, eine Wartenummer ziehen und man konnte sein Anliegen am selben Tag erledigen, die Älteren werden sich noch daran erinnern. Ja jetzt wird jemand schreiben, daß die Arbeit mehr, komplizierter usw., geworden ist, das ist aber auch nur eine Ausrede für nicht vorraus schauendes Handeln.

  • "Doch im neuen unternehmerfreundlichen Senat aus CDU und SPD hält man nichts davon ..."

    Seltsam.

    Im verlinkten Sachartikel steht dagegen, dass dies ein schwieriges Thema zwischen CDU und SPD ist und die SPD sehr wohl was davon hält.

    "Fake-Politik"?

    Man kann diskutieren, ob eine Selbstverpflichtung besser ist als eine Umlage. Ich glaube es nicht.

    Aber es ist ein politisches Konzept.

    Passt "Fake-Politik" nicht eher auf Rot-Grün-Rot, wo es bei Ankündigungen blieb?

  • Berlin ist ja jetzt nicht gerade für eine starke Wirtschaft bekannt.



    Wenn man die vielen Kleinstbetriebe und Start-Ups abzieht, gibt es überhaupt genügend Firmen, denen man eine Ausbildungsabgabe aufdrücken könnte ?



    Und was macht man dann mit dem Geld, wenn es nicht genügend Mittelständler mit vernünftigen Ausbildungsstrukturen gibt, die man unterstützen könnte.

  • etwas differenzierter ohne solche schlagzeilen geht es auch. dazu ist das thema viel zu wichtig.



    www.berliner-zeitu...e-zahlen-li.365846

  • Da hat die Autorin aber sicher etwas falsch verstanden.

    Seir Schröder erklärt man uns in Dauerschleife, das unsere Lebensqualität insbesondere davon abhängt, dass es den Reichen gut geht, weil wir dann auch etwas davon abbekommen.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Nun könnte man natürlich auch fragen, warum Rot-Grün-Rot Maßnahmen zur Ausbildungsförderung nicht längst umgesetzt hat. Mehr als fünf Jahre hatte man dafür Zeit, ist das etwa nicht ausreichend? Aber dass die neue Regierung mehr als zwei Monate braucht, um das Problem anzugehen, ist natürlich schon unerhört.

    • @14231 (Profil gelöscht):

      Was ist an ".... kurz vor der Einführung stehende Maßnahme....." nicht zu verstehen?



      Das Ding ist fertig zur Umsetzung, die neue Regierung müsste es nur noch umsetzen.



      Sprich: Die bisherige Regierung hat geliefert, die neue stoppt.



      Und jetzt lassen wir mal unserer Fantasie freien Lauf: Welcher Koalitionspartner hat wohl in der bisherigen Regierung eher verzögert. Und stimmt dem Stopp als jetziger Koalitionspartner gern zu?