Aufsichtsrat der Deutschen Bahn tagt: Strategie gegen die Krise gesucht

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn entscheidet über ein Maßnahmenpaket, um den Konzern flott zu machen. Die Fahrgastlobby ist skeptisch.

Ein ICE der Deutschen Bahn

Die Deutsche Bahn ist in einer tiefen Krise. Am Dienstag berät der Aufsichtsrat über Auswege Foto: dpa

BERLIN taz | Wer öfter mit der Deutschen Bahn unterwegs ist, muss das Ziel für utopisch halten: Die Bundesregierung will, dass sich bis zum Jahr 2030 die Zahl der Bahnreisenden auf 260 Millionen Fahrgäste verdoppelt – im Vergleich zum Jahr 2015. Dabei sind die Waggons schon heute oft überfüllt, Verspätungen und Zugausfälle keine Ausnahme. Die Bahn steckt in einer akuten Krise. Das soll sich ändern. Am Dienstag präsentiert der Vorstand um Bahnchef Richard Lutz dem Aufsichtsrat des Konzerns seine Strategie, wie die Bahn die Krise überwinden und fit für die Zukunft werden kann.

FahrgastlobbyistInnen warnen vor zu hohen Erwartungen. „Das ist nicht die erste Strategie, mit der alles besser werden soll“, sagt Bernhard Knierim, Sprecher des Bündnisses „Bahn für Alle“, das aus rund 20 Organisationen wie Attac, Robin Wood oder der Grünen Liga besteht. „Irgendwann verschwinden die Strategien in der Versenkung, und hinterher ist es schlimmer als vorher.“

173 Seiten hat der Plan mit dem Titel „Deutschland braucht eine starke Schiene“, den der Bahnvorstand vom Aufsichtsrat absegnen lassen will. Die Rede ist von neuen und von längeren Zügen, einer besseren Platzausnutzung. Zehntausende Stellen sollen geschaffen werden, die Zahl der Fernzüge soll von 480 auf 600 Züge steigen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und der Bahnvorstand versprechen, bis 2030 die Großstädte in einem halbstündigen Takt miteinander zu verbinden. Der Deutschlandtakt ist das neue „Wundermittel“, spottet Dirk Flege, Geschäftsführer des Verbands „Allianz pro Schiene“, der unter anderem von Bahnunternehmen und Umweltorganisationen getragen wird.

Die Aufgaben für die BahnmangerInnen sind gewaltig. Das marode Schienennetz muss instand gesetzt und digitalisiert, die Angebote auf der Schiene im Nah- und Fernverkehr müssen ausgebaut, der Service extrem verbessert werden.

Nur eine Vision, keine Strategie

Wenn die Infrastruktur nicht massiv ausgebaut wird, wird aus den Plänen nicht viel. „Alles steht und fällt mit der Infrastruktur“, sagt Flege. Und die ist Sache des Bundes. Den Ankündigungen des Bundesverkehrsministers zur Verbesserung des Bahnangebots ist bislang noch kein Finanzierungsmodell gefolgt. Deutschland gibt viel zu wenig Geld für die Bahn aus. Im Jahr 2018 waren es nach Angaben der „Allianz pro Schiene“ pro BürgerIn nur 77 Euro, insgesamt rund 6,3 Milliarden Euro – extrem wenig im europäischen Vergleich. In der Schweiz waren es pro Kopf 365 Euro, in Österreich 218 Euro und in den Niederlanden 135 Euro.

Für das, was bislang an Maßnahmen für den Ausbau und den Erhalt des Schienenverkehrs beschlossen worden ist, wären nach seiner Einschätzung 11 Milliarden Euro im Jahr erforderlich. „Das ist nicht einmal ansatzweise im Haushalt hinterlegt“, sagt Flege. „Die gut klingenden Pläne werden gnadenlos scheitern, wenn der Bund sie nicht finanziert.“ Weil es dafür bislang keine Signale gibt, nennt Flege die Pläne der Bahn auch lieber eine „Vision“ als eine Strategie. Ein Teil des fehlenden Gelds soll aus dem Verkauf der Tochter Arriva kommen, die Busse und Bahnen in europäischen Nachbarländern betreibt.

Bernhard Knierim, Sprecher „Bahn für Alle“

„Wir brauchen einen großen Wurf“

Bernhard Knierim von „Bahn für Alle“ wünscht sich statt immer neuer Strategiepapiere eine grundlegende Bahnreform. „Wir brauchen einen großen Wurf“, sagt er. Dazu gehört die Umwandlung der profitorientierten Aktiengesellschaft Deutsche Bahn in ein gemeinwohlorientiertes Unternehmen.

Um schnell Verbesserungen zu erreichen, fordert Knierim den massiven Ausbau der Wartung- und Instandhaltungsbereiche der Bahn, bei denen in der Vergangenheit enorm gekürzt wurde – eine Ursache für die drastischen Verspätungen und Ausfälle. Schnell umsetzbar wäre auch ein neues Tarifsystem, das leicht verständlich ist und kurzfristig Buchende nicht mit hohen Preisen bestraft, sagt Knierim. Außerdem fordert er eine bessere Anbindung der eher ländlichen Gebiete an das Fernverkehrsnetz. Auch das wäre schnell möglich durch die Reaktivierung der früheren Interregio-Züge.

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