Aufruf von Menschenrechtsorganisationen: Neuer „Tiefpunkt“ bei Asylpolitik
Hilfsorganisationen warnen, eine neue EU-Krisenverordnung könnte das Elend der Geflüchteten weiter verschärfen.
Die Organisationen – unter ihnen etwa ProAsyl, die Diakonie und Amnesty – befürchten, die Verordnung ermögliche „die Verzögerung von Registrierungen, die Verlängerung von Grenzverfahren sowie massive Absenkungen bei den Unterbringungs- und Aufnahmestandards“. Deshalb müsse die deutsche Bundesregierung die Pläne blockieren, so die Forderung der Organisationen in ihrem Aufruf.
Schon im Mai hatten sich die EU-Innenminister*innen auf eine grundsätzliche Verschärfung der Asylpolitik geeinigt. Ihr Kompromiss sieht vor, dass bestimmte Geflüchtete beschleunigte Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen durchlaufen sollen, mutmaßlich in Lagern mit haftähnlichen Bedingungen. Außerdem sollen Geflüchtete in sogenannte sichere Drittstaaten außerhalb der EU zurück gezwungen werden, wenn sie über solche Länder eingereist sind. Auch die deutsche Bundesregierung trägt diese Pläne mit.
Weitere Verschärfungen möglich
Die nun diskutierte Krisenverordnung könnte diese Regelungen in bestimmten Situationen noch weiter verschärfen und bisher vorgesehene Ausnahmen aufheben. So sollen deutlich mehr Geflüchtete in die Grenzverfahren genommen werden können, unter bestimmten Umständen sogar alle. Das soll auch für Kinder und andere besonders vulnerable Gruppen gelten, für die es ansonsten eigentlich Ausnahmeregelungen gibt. Außerdem sollen die Grenzverfahren und die Haft auf eine Dauer von bis zu fünf Monate verlängert werden dürfen. Gleichzeitig werden die Anforderungen an Unterkünfte für Geflüchtete dramatisch gesenkt.
Gelten soll die Verordnung in Situationen, in denen schlagartig sehr viele Geflüchtete Asyl beantragen wollen und in Fällen, in denen Geflüchtete von anderen Staaten instrumentalisiert werden. Ein Beispiel für letzteres dürfte das Vorgehen der belarussischen Regierung sein, die Geflüchtete eingeflogen und über die Grenze nach Polen und in die baltischen Staaten gesendet hatte, um Druck auf die EU-Staaten auszuüben. Polen, Litauen und Lettland reagierten darauf, indem sie eine Art Ausnahmezustand verhängten und ihre Grenzen für Asylbewerber*innen schlossen.
Auch die verbotenen Mittel, zu denen Polen und auch andere EU-Staaten schon griffen, könnten durch die Verordnung einfacher und leichter zu verstecken sein. Polen zwang Geflüchtete teils direkt zurück nach Belarus, ohne dass diese die Möglichkeit hatten, einen Asylantrag zu stellen. Solche sogenannten Pushbacks sind eindeutig illegal.
Aktualisiert am 05.07.2023 um 15:50 Uhr. d. R.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär