Aufnahme von Menschen aus Afghanistan: Rettung nur für 5.000 im Jahr
Im Koalitionsvertrag hat die Ampel-Koalition Hilfe für gefährdete Menschen in Afghanistan versprochen. Diese soll mit einer Obergrenze kommen.
Im August vergangenen Jahres hatten die radikal-islamischen Taliban die Macht in Afghanistan übernommen, nachdem internationale Streitkräfte aus dem Land abgezogen waren. Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Ortskräfte, die für internationale Organisationen gearbeitet haben, sind seitdem in Gefahr. Aus dem Grund hatten SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag Ende 2021 ein Rettungsprogramm vereinbart und dabei betont: „Wir werden unsere Verbündeten nicht zurücklassen.“
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl reagierte auf die Meldung mit Empörung. Ein Bundesaufnahmeprogramm werde so zur „Alibiveranstaltung“, kritisierte Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Organisation. Zusammen mit Familienangehörigen seien das „gerade einmal rund 1.000 Fälle“. Sowohl Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) als auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hätten wiederholt betont, die Aufnahme aus Afghanistan habe für sie eine hohe politische Priorität. Doch die politischen Willensbekundungen würden nun „nicht eingelöst“.
Die Initiativen Seebrücke und Kabul Luftbrücke kritisierten das Bundesinnenministerium scharf. „Deutschland trägt nach knapp 20 Jahren Militäreinsatz in Afghanistan eine Verantwortung für die zurückgebliebenen Menschen“, sagte Seebrücke-Aktivist Jan Behrends. „Wir fordern Nancy Faeser auf, umgehend personell zu reagieren und Aufnahmemöglichkeiten zu schaffen, die der deutschen Verantwortung gerecht werden!“
Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke kritisierte die von dem Ministerium genannte Obergrenze. „Zivilgesellschaftliche Organisationen wie die ‚Kabul Luftbrücke‘ haben allein 3.000 Menschen unterstützt und berichten von mehreren Zehntausend gefährdeten Menschen“, wird er in dem Spiegel-Bericht zitiert. Auch die Familien der Gefährdeten müssten aufgenommen werden. Mit dem Ministerium sei man daher noch über die Größenordnung des Aufnahmeprogramms im Gespräch. Das Bundesinnenministerium gab demnach an, die Kernelemente des Programms würden derzeit abgestimmt.
Afghanistan wird aktuell von einer schweren Welle islamistischer Anschläge erschüttert. In den vergangenen Wochen wurden Dutzende Menschen bei Attentaten auf Moscheen, religiöse Minderheiten und Schulen getötet. Am Freitag starben etwa zehn Menschen bei einem Anschlag auf eine Moschee in Kabul, kurze Zeit nach dem Freitagsgebet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“