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Aufklärung über GeburtAber Kaiserschnitt? Keine Ahnung

Unsere Autorin war nach der Geburt ihres Kindes sauer. Weil die Geburt nicht so lief, wie sie es sich vorgestellt hatte.

„Ist ja nicht gerade der Gotthard-Basistunnel da drin“ Foto: Pau Cardellach Lliso/imago

A ls ich mein erstes Kind auf die Welt gebracht habe, war ich stinksauer. Also nicht währenddessen, da war ich viel zu besorgt. Auch nicht direkt danach, da war ich müde und traurig. Aber dann, einige Tage später, war ich richtig sauer. Auf mich.

Denn die Geburt lief nicht, wie ich mir das vorgestellt hatte. Nach einer medizinisch nötigen Einleitung und vielen Stunden Wehen musste mein Kind dann doch einen anderen Ausgang nehmen. Die Entzündungswerte machten der Oberärztin Sorgen. Kaiserschnitt.

Der Eingriff verlief gut, aber ich war erschrocken von der äußeren Kraft, die nötig war, um das Kind aus mir rauszuholen. Eigentlich logisch, wenn ein Baby eine Weile in eine Richtung will und dann in eine andere muss. Ist ja nicht gerade der Gotthard-Basistunnel da drin. Währenddessen hatte ich aber vor allem Angst.

Ich war wütend, weil ich mir so naiv vorkam. Was hatte ich erwartet? Und wieso hatte ich mich nicht vorher informiert, wie ein Kaiserschnitt abläuft? Ich recherchiere doch sonst alles. Der Schwangerschaftstest war kaum trocken, da habe ich schon die embryonalen Entwicklungsstadien studiert. Aber Kaiserschnitt? Keine Ahnung.

Wütend auf mich, obwohl ich nichts falsch gemacht habe

Im sechsten Monat der Schwangerschaft besuchten wir einen Geburtsvorbereitungskurs. Das ganze war sehr informativ, aber eben auch so unangenehm, wie es ist, mit fremden Paaren sockentragend in einem Raum zu sitzen, Atemübungen zu machen und die Anatomie des Gebärens zu betrachten. Die Hebamme hatte ein Becken aus Plastik dabei und eine Puppe, die sie immer und immer wieder in dieses Becken schraubte. Jedes Mal löste sich dabei das Kreuzbein und plumpste aufs Parkett. Sie erklärte, was an Geburtsverletzungen passieren kann. Verkniffene Gesichter. Aber Kaiserschnitt? Keine Ahnung.

Sauer war ich auch, weil ich mir nach der Geburt Sorgen machte. Überall stand, dass Kinder, die per Kaiserschnitt entbunden werden, anfälliger für Allergien sind. Weil Bakterien, die sie bei einer vaginalen Geburt aufnehmen würden, fehlten. Ihr Darmmikrobiom sei anders, ihr Immunsystem schwächer. Der Gedanke, dass mein Kind alle Allergien kriegen könnte, die ich habe – oder mehr –, machte mich traurig. Ich hatte das Gefühl, ihm keinen guten Start gegeben zu haben. Was natürlich Quatsch ist, aber mit Gefühlen und Hormonen lässt sich nicht rational verhandeln. Das ganze dauerte ein paar Wochen. Und irgendwann konnte ich mir verzeihen, auch, dass ich so wütend auf mich war, obwohl ich nichts falsch gemacht hatte.

Als ich nun gelesen habe, dass eine Studie aus den Niederlanden zeigt, dass das Mikrobiom von Kindern, die per Kaiserschnitt entbunden wurden, auch durch Kuscheln oder Stillen ausgeglichen werden kann, habe ich mich trotzdem gefreut. Weil ein Stück mehr bewiesen ist, dass ein Kaiserschnitt ein anderer, aber kein schlechterer Weg ins Leben ist. Schön wäre, wenn man das auch in allen Geburtsvorbereitungskursen hören könnte.

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Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
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4 Kommentare

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  • Die Besiedelung mit dem Mikrobiom nach Kaiserschnitt wird häufig händisch nachgeholt, das ist bei Hebammen schon Praxis. Kaiserschnitt ist aber nicht einfach ein anderer Weg auf die Welt, (ja doch, rein technisch irgendwie ja schon) sondern hat viele andere potentielle Nebenwirkungen auf die Mutter.



    Ein wesentlicher Grund für die vielen Kaiserschnitte in dt Kreissälen, sind aber vielmehr interne dem Medizinbetrieb geschuldete.



    Kaiserschnitte sind planbar - der Arzt hat seinen Feierabend; Kaiserschnitte werden anders durch die KraKa vergütet - planbare Einnahmen für das Krankenhaus, bei einer hebammengeleiteten Geburt, ist der Arzt außen vor - das ist pures Kompetenzgerangel, ist die Hebamme freiberuflich im Kreissaal, verdient sie und nicht das Krankenhaus, das ist ein ganz entscheidender Grund für den Arzt und das Haus pro Kaiserschnitt; persönliche Vorlieben oder ganz einfach Ängstlichkeit des Arztes ist auch oft anzutreffen; Ultraschallmessungen überschätzen regelmäßig und systematisch das Gewicht und die Größe des Kindes - das führt fast zwangsläufig zum Kaiserschnitt, oft sind die Kinder wesentlich leichter und kleiner als geschätzt...



    Das Hebammen nicht zum Kaiserschnitt raten, hat schon seine Gründe. Kaiserschnittraten zwischen 30 - 50% je nach Kreissaal beruhen in der Mehrzahl nicht auf medizinischer Indikation, sondern hat andere Gründe.



    (Das hier ist kein angelesenes Wissen, das sind 20 Jahre Erleben)

    • @nutzer:

      PS: es gibt natürlich medizinisch indizierte Kaiserschnitte und zum Glück gibt es diese Methode, auch macht der Kaiserschnitt die Geburt für keine Gebärende minderwertiger als eine natürliche Geburt. Das will ich noch einmal ausdrücklich hinterherschieben.

  • Wir hatten leider bei allen drei Kindern Kaiserschnitte.

    Es läuft nicht immer wie man es sich wünscht, aber das ist ein gewisses Lebensrisiko. Das Krankenhauspersonal hat meiner damaligen und auch heutigen Einschätzung nach gute Arbeit geleistet, ohne in der Sache vorschnell auf einen Kaiserschnitt zu drängen. Nüchtern betrachtet kann ich davon ausgehen, dass die Existenz des Kaiserschnitts einem guten Teil meiner Familie das Leben gerettet hat, also kann man darauf auch nicht wirklich wütend sein.

    Am Ende des Tages ist eine Geburt ein Erfolg wenn Mutter und Kind(er) sie gesund überstehen. Selbst wenn meine Kinder durch den Kaiserschnitt vermehrt zu Allergien neigen sollten, dann haben Sie dennoch einen viel besseren Start ins Leben als die meisten anderen. Der Start ist ein guter, der Rest ist das was wir und die Kinder daraus machen

    • @Questor:

      Liggers. Erich Kästner hat halt recht “Sei ehrlich. Das Leben ist lebensgefährlich.“



      Die Autorin hingegen - les ihre Beiträge regelmäßig - neigt durchweg zum ungeerdeten Gegenteil. Gewiß. But.



      Sehr anstrengend - aber selbst serviert •

      unterm—— “ …und selbst?“…,(kölsch)



      Bei meiner Tochter erklärte der extra ausgesuchte Arzt nach Sprengung der Fruchtblase “er könne die Geburt nicht zu Ende machen wg Antrittsvorlesung in Bad Wildungen!“ Lautstark vor der Tür entging er knapp handfesterem.



      & nächster =>



      Kaiserschnitt? Ja. Stand im Raum: Sohn Steißlage “1 cm Durchmesser“Luft“



      “Nein!“ “Ihr Risiko!“ ich vertraute der Ärzte-Tochter! Der Oberarzt (Herr Prof im WE!) entwickelte toll die Geburt - Chapeau!



      2. Runde - Eileiterschwangerschsft (&das folgende: für sie heftige Belastung!)



      First: Leichte Schwangerschaft & Däh! Herzstillstand in der Geburt wg nichterkannter Placentainsuffizienz! => “natürliche“ Geburt! Heftig - umsichtig kluge Sanjassin-Hebamme - gleichzeitig aber beide wie merkwürdig “gestoned“!



      & jetzt?



      Hochgradig abgesicherte „natürliche“ Geburt! Uns blieb - länger nicht erkannt - ein milder Grad von “overprotekting“.



      Er? Studiert fein lebenszugewandt begeistert Architektur: trotz Trennung nach 2 1/2 Jahren! => Drei Pragmatiker.;)