Attacken auf die Grünen: Demokratie besser schützen
Die Lehre aus der Absage des Grünen-Aschermittwochs in Biberach muss sein: Veranstaltungen der Partei besser schützen!
D ass die Grünen ihren Politischen Aschermittwoch in Biberach wegen Ausschreitungen von Protestierern abgesagt haben, ist eine Niederlage für die Demokratie. Ein aggressiver Mob hat es geschafft, eine öffentliche Veranstaltung mit einem Ministerpräsidenten, einem Bundesminister und einer Parteivorsitzenden zu verhindern; die AfD bejubelt die Absage „als Resultat gelebter Demokratie“. So etwas darf nicht wieder passieren.
Die Polizei muss künftig Veranstaltungen der Grünen besser schützen. Es sollten früher als in Biberach ausreichend Polizisten vor Ort sein, sie müssen die Zufahrten zum Veranstaltungsort konsequent freihalten von Demonstranten. Die Versammlungsbehörden sollten – wie von der Gewerkschaft der Polizei gefordert – Traktoren oder Lastwagen bei Demonstrationen verbieten. Denn mit solchen Fahrzeugen sind Blockaden zu leicht.
In Biberach war die Polizei offensichtlich schlecht vorbereitet. Dabei hätte sie mit Aggressionen rechnen können. Querdenker und Verschwörungsmystiker zum Beispiel hatten in Social Media mobilisiert. In den vergangenen Wochen blockierten Traktoren immer wieder Zufahrten zu Veranstaltungen mit Politikern der Grünen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wurde sogar in seinem Urlaub behelligt. Der Ton ist häufig beleidigend.
Diese Warnzeichen hätten ebenfalls die Grünen in Biberach ernster nehmen müssen. Sie werden in Zukunft bei vielen Versammlungen nicht um Anmeldepflichten und schärfere Einlasskontrollen herumkommen.
Radikale Bauern wollen Verhältnisse wie in Frankreich
Auch die Bauernorganisationen sollten aus Biberach lernen. Denn die Vorfälle dort zeigen, dass etwa Querdenker und Rechtsradikale den legitimen Protest der Landwirte missbrauchen können. Zudem gibt es ebenso unter den Bauern radikale Tendenzen. In Landwirtskreisen wird diskutiert, dass man so hart werden müsse „wie in Frankreich“. Zur Erinnerung: Dort hat es bei einer der massiven Straßenblockaden mit Strohballen vor kurzem sogar schon eine Tote und zwei Schwerverletzte gegeben.
Der Landesbauernverband Baden-Württemberg, bei dem die meisten dortigen Bauern Mitglied sind, verurteilte die Ausschreitungen in Biberach zwar. Der zweite große und oft radikaler auftretende Agrarverband „Land schafft Verbindung Baden-Württemberg“ (LsV) aber ließ Bitten etwa der taz um eine Stellungnahme unbeantwortet. Und: Auch bei der friedlichen Bauerndemonstration in Biberach am Aschermittwoch bejubelte die Menge die Absage der Grünen-Veranstaltung. Dadurch und durch das Schweigen von LsV könnten sich Störer unterstützt fühlen. Diesen Eindruck sollten die Landwirte dringend korrigieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch