Attacke auf Naturschutz in Brandenburg: SPD und BSW sparen sich die Umwelt
Ein Gesetzentwurf der Landesregierung schränkt das Klagerecht von Naturschutzverbänden massiv ein. Nabu und Grüne üben scharfe Kritik.

Björn Ellner, Vorsitzender des Nabu in Brandenburg, brachte das Beispiel aus Werder am Freitag bei einer Anhörung des Sonderausschusses für Bürokratieabbau im Potsdamer Landtag zur Sprache. Denn die Koalition aus SPD und BSW will das Verbandsklagerecht – also das Recht von Umweltverbänden, gegen behördliche Entscheidungen mit negativen Folgen für den Naturschutz vor Gericht zu ziehen – massiv beschneiden.
Von „nicht gerichtlich überprüfbaren rechtswidrigen Zuständen“ spricht Ellner und von einer „Schwächung der Demokratie“. Der Nabu befürchtet, dass die Brandenburger Landesregierung das Gesetz noch vor der Sommerpause durch den Potsdamer Landtag peitschen will.
Tatsächlich plant die Landesregierung unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus einen weitreichenden Angriff auf bisherige Umweltstandards. Dazu gehört auch eine Novellierung des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes. Im Entwurf von SPD-Umweltministerin Hanka Mittelstädt heißt es in Paragraph 37: „Die Klagebefugnis einer vom Land anerkannten Naturschutzvereinigung (…) besteht nach den jeweils geltenden Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes“.
Heißt im Klartext: Die in Brandenburg bisher geltenden zusätzlichen Klagebefugnisse werden ersatzlos gestrichen. Klagen können Nabu, BUND oder andere anerkannten Naturschutzverbände nur noch nach den weitaus restriktiveren bundesgesetzlichen Bestimmungen. Diese hätten, so der Nabu, eine Klage gegen die Erweiterung der Steganlage in Werder nicht erlaubt. Neben Brandenburg gehen auch die Naturschutzgesetze in Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen über die Standards des Bundesrechts hinaus.
Beschnitten werden soll aber nicht nur das Klagerecht der Naturschutzverbände, sondern auch deren Beteiligung insgesamt. Bei Bauvorhaben etwa, bei denen ein „geringer Umfang von Auswirkungen auf Natur und Landschaft“ zu erwarten seien, wären Nabu und BUND außen vor. „Dabei wird gerade erst durch die Beteiligung der Verbände oft deutlich, wie gering oder groß die Auswirkungen von Vorhaben sind“, so Ellner.
Solarparks in Schutzgebieten
Auch in Landschaftsschutzgebieten wollen SPD und BSW Kommunen und Investoren einen Freibrief ausstellen. So sollen sogenannte Agri-Photovoltaikanlagen künftig genehmigungsfrei sein, wenn sie „landschaftsintegriert“ errichtet werden. Darüber hinaus sollen in einem Abstand von 300 Metern zum Ortsrand Bauten ohne landschaftsschutzrechtliche Genehmigung entstehen dürfen. Schon im Mai hatte der Nabu in einer Stellungnahme kritisiert, „dass sich die Orte also Stück für Stück in die Landschaftsschutzgebiete hineinfressen“.
Auch die Grünen haben auf dieses Vorhaben mit scharfer Kritik reagiert. Käme das Gesetz durch, könnten in Schutzgebieten wie Schorfheide-Chorin künftig 20 Prozent der Flächen ohne naturschutzrechtliche Genehmigung bebaut werden, betonte die Landesvorsitzende Andrea Lübcke. „Das ist ein klarer Bruch mit dem Prinzip des Schutzgebietserhalts und eine Gefahr für Biodiversität, Lebensqualität und den Tourismus.“
Im Gegensatz zu Grünen und Nabu findet der Gesetzentwurf der SPD-Ministerin beim Landesbauernverband Zustimmung. Ein „begrüßenswertes Gesetz“ lobt Präsident Henrik Wendorff. Von einem „großartigen Gesetzentwurf“ spricht auch das Forum Natur, ein Zusammenschluss von Landnutzern, dessen ehemaliger Geschäftsführer Gregor Beyer nun als Staatssekretär von Mittelstädt freie Hand hat bei der Rückabwicklung der Brandenburger Naturschutzstandards.
Teuer für die öffentliche Hand
Allerdings könnte das Gesetz, so es denn den Landtag passiert, nicht nur Genehmigungsverfahren beschleunigen, sondern Brandenburg auch teuer zu stehen kommen. Die ebenfalls vorgesehene Einschränkung des Vorkaufsrechts durch das Land in Schutzgebieten soll nämlich nicht mehr durch Stiftungen wie den Naturschutzfonds oder die Stiftung Naturlandschaften ausgeübt werden können. Bislang hatte die öffentliche Hand dieses Vorkaufsrecht zugunsten Dritter ausgeübt, die den Erwerb von Flächen für den Naturschutz finanziert haben.
Damit soll nun Schluss sein. Um Naturschutzflächen im Rahmen eingegangener Verpflichtungen zu sichern, müsste dann die öffentliche Hand deren Kauf finanzieren, sagt Ellner. Darüber hinaus drohen Vertragsstrafen der EU, wenn etwa Maßnahmen in FFH-Schutzgebieten nicht umgesetzt werden können.
Den Vorwurf, das besondere Klagerecht in Brandenburg habe bislang Verfahren verzögert und sei ein Investitionshemmnis, wies Ellner zurück. So habe der Nabu im Jahr 2024 bei 1.000 Beteiligungen nur drei Klagen erhoben. Dass die Klagen der Naturschutzverbände insgesamt eine Erfolgsquote von 42 Prozent hätten, wertet Ellner als Beweis dafür, „dass Klagen von anerkannten Naturschutzvereinigungen absolut gerechtfertigt und ein wichtiges Korrektiv für Fehlentscheidungen von Genehmigungsbehörden sind“.
Für die grüne Landeschefin Lübcke ist ohnehin klar: „Was hier als Bürokratieabbau verkauft wird, ist in Wahrheit ein massiver Kahlschlag gegenüber dem Umweltschutz.“
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