Atomwaffenreport des Sipri: Die nukleare Aufrüstung geht weiter
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut legt seinen Jahresbericht vor. Zwei Drittel der UN-Mitgliedsstaaten wollen ein weltweites Atomwaffenverbot.
Gleichzeitig feuerte im Barentsmeer die „Yury Dolgoruky“, das erste Atom-U-Boot der neuen Borei-Klasse, eine Interkontinentalrakete vom Typ Bulawa ab. Das ist Moskaus derzeit modernste Trägerrakete für strategische Atomwaffen.
Dennoch wollen am kommenden Freitag zwei Drittel der UN-Mitgliedsstaaten einen Vertragstext über ein weltweites und vollständiges Verbot von Atomwaffen vorlegen.
Dass „die Kernwaffenstaaten bereit sein könnten, ihre Nuklearwaffenarsenale aufzugeben, dafür gibt es wenig Hoffnung“, sagt Shannon Kile, Nuklearwaffenforscher am Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri. Dieses veröffentlicht am Montag einen Bericht über den aktuellen Stand der weltweiten Atomwaffenarsenale.
93 Prozent aller Atomwaffen
Darin wird für Anfang 2017 mit 14.935 Atomsprengköpfen eine Reduktion gegenüber den 15.395 von 2016 bilanziert. Davon entfallen 6.800 auf die USA und 7.000 auf Russland. Beide Staaten besitzen zusammen 93 Prozent aller Atomwaffen.
Aber diese Zahlen täuschen, konstatiert Sipri. So habe sich das Tempo des Abbaus in den letzten Jahren verlangsamt. Auch werde nur das verschrottet, was längst als veraltet ausgemustert worden sei. Weder Russland noch die USA hätten die Zahl ihrer „deployed warheads“, also der mit „hoher operationeller Bereitschaft“ unmittelbar einsatzbereiten Atomwaffen, entscheidend reduziert: 1.800 sind es bei den USA und 1.950 in Russland.
Darüber hinaus steckten beide Länder in kostenintensiven Modernisierungsprogrammen. Das der USA sei noch unter Präsident Barack Obama auf den Weg gebracht worden und „diese ambitionierten Pläne werden von der jetzigen US-Administration weiter verfolgt“, sagt Sipri-Nuklearexperte Hans M. Kristensen.
Zusammen mit der Entwicklung neuer Bomber, atomarer U-Boote und Trägerraketen werde dieses Programm laut Berechnungen des US-Kongresses in den nächsten 10 Jahren 400 Milliarden Dollar verschlingen. Bis Mitte der 2040er-Jahre könnten es rund 1.000 Milliarden Dollar werden. Für Russland vermutet das Institut, Moskau werde versuchen „eine ungefähre strategische Parität mit den USA aufrechtzuerhalten“.
Technische Verbesserungen
Die anderen Nuklearwaffenstaaten hätten ebenfalls begonnen, ihre Arsenale zu modernisieren oder solche Programme angekündigt, schreibt Sipri. Indien und Pakistan würden ihre Atomwaffenlager erweitern und entwickelten die Kapazität ihrer Trägerraketen.
In China liefen technische Verbesserungen, Nordkorea habe spaltbares Material für etwa 10–20 Atomsprengköpfe und führe eine Testreihe von Flugversuchen verschiedener Raketensysteme durch. Großbritannien erneuere die Atom-U-Boot-Flotte, über Israel gebe es unbestätigte Informationen, es wolle seine von Deutschland gelieferten U-Boote mit Atomraketen bestücken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was