Atomkraftwerk Philippsburg 2: Mitarbeiter täuscht Kontrollen nur vor
Ein Mitarbeiter eines externen Dienstleisters überprüft Messeinrichtungen im Akw Philippsburg 2 nicht, er tut nur so. Das hat Folgen für den weiteren Betrieb.
Karlsruhe/Stuttgart afp | Im baden-württembergischen Atomkraftwerk Philippsburg 2 ist die Überprüfung sicherheitsrelevanter Einrichtungen wiederholt nur vorgetäuscht worden. Der Betreiber EnBW teilte am Mittwoch mit, ein Mitarbeiter eines externen Dienstleisters habe die Überprüfung von Messeinrichtungen des Strahlenschutzes offenbar nur vorgetäuscht. EnBW sei bei Untersuchungen zu einem meldepflichtigen Ereignis selbst auf die Täuschung aufmerksam geworden und habe sich bereits am 5. April an das zuständige Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Stuttgart gewandt.
Das Umweltministerium erklärte, eine Überprüfung eines Störfallmonitors sei „zwar in einem ordentlich ausgefüllten Prüfprotokoll dokumentiert, tatsächlich aber gar nicht durchgeführt“ worden. Nachforschungen hätten ergeben, dass es sieben weitere Fälle einer vorgetäuschten Prüfung gebe.
„Meines Wissens ist es das erste Mal, dass eine vorgeschriebene Prüfung in einem deutschen Kernkraftwerk offenbar bewusst vorgetäuscht wurde“, erklärte der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). „Das ist hochgradig beunruhigend und nicht akzeptabel.“
Nach derzeitigem Kenntnisstand hätten die vorgetäuschten Prüfungen keine sicherheitsrelevanten Auswirkungen gehabt, auch die Emissionsüberwachung sei gewährleistet gewesen, erklärte Untersteller. EnBW müsse aber erst nachweisen, „dass die Anlage vorschriftsmäßig und sicher betrieben wird“, bevor sie wieder hochgefahren werden dürfe.
Block 2 des Kraftwerks Philippsburg ist laut EnBW derzeit nicht am Netz, weil er sich in der turnusmäßigen Revision befindet. EnBW erklärte, rechtliche Schritte gegen den Mitarbeiter zu prüfen.
Leser*innenkommentare
64938 (Profil gelöscht)
Gast
Nachdem in Fessenheim ein schwerer Störfall nachträglich heruntergestuft wurde nun die Nachricht, das Standardverfahren zur Sicherheit durch einzelne MA umgangen werden können, ohne das es jemandem gleich auffällt.
Wird Zeit, alle Anlagen erstmal vom Netz zu nehmen und entsprechend zu überprüfen. Wer kann noch daran glauben, das die Betreiber einen sicheren Betrieb gewährleisten können...
571 (Profil gelöscht)
Gast
Bewusste (oder meinetwegen unbewusste) Vortäuschungen ließen sich doch einfach durch das Vier-Augen-Prinzip wirksam verhindern.
Eigentlich müsste dies schon immer die Regel sein bei derart sensiblen Vorgängen.
wxyz
@571 (Profil gelöscht) Bei VW hat auch ein Viele-Augen-Prinzip nicht funktioniert. Und wenn man die neuesten EU-Regelungen berücksichtigt, dann ist es durchaus nicht ausgeschlossen, daß zukunftig auch solche Täuschungen zur Rubrik "Geschäftsgeheimnis" gehören und nur noch diejenigen belangt werden, die so etwas auffliegen lassen.
Mio TM
@571 (Profil gelöscht) Dem kann ich nur zustimmen. In Anbetracht der Tatsache, dass in jedem größeren Unternehmen ein derartiger Sicherheitsmechanismus bei kritischen Systemen Standard ist, muss man sich schon fragen, nach welchem Standard denn eigentlich Atomkraftwerke betrieben werden?!
571 (Profil gelöscht)
Gast
In der heutigen Printausgabe der taz geht Bernward Janzing auf diese fehlende Kontrolle ein. Lt. Atomaufsicht sei das Vier-Augen-Prinzip üblich, aber von der EnBW missachtet worden.
Das muss Folgen haben.
wxyz
„Meines Wissens ist es das erste Mal, dass .... bewusst vorgetäuscht wurde“.
Sprachlich ist das falsch ausgedrückt. Korrekt wäre "zum ersten mal ist eine soche Sache aufgeflogen".
Bedenkt man, wie Menschen wirklich ticken, dann läßt sich allerdings aus anderen Bereichen eine Hochrechnung ableiten, z. B. aus den Betrügereien in vielen Auto-Werkstätten beim Wartungsdienst oder bei der zumindest noch vor nicht allzu langer Zeit erfolgten oftmals sehr kreativen TÜV-Plakettenverteilung.
Lediglich Auto-Versicherer ticken da etwas anders, indem sie bei jedem Unfall zunächst übergründlich prüfen, ob da etwas nur vorgetäuscht sein könnte.
Vermutlich wird sich am Kernproblem nichts ändern, es sei denn, es kommt tatsächlich zu einem GAU.
TV
Das Wichtigste ist natürlich zu erklären, daß der Mitarbeiter auf eigene Faust (nicht) gehandelt hat und niemand ihn dazu bringen wollte gute Ergebnisse zu liefern. Holt schonmal den Heiligenschein für EnBW.
FriedrichH
Ich denke schon dass Atomkraft sicher sein kann, vermutlich nur nicht in einem profitorientiertem System. Ich will nicht wissen was da noch so an Überraschungen auf uns wartet. Am besten schonmal vorsorglich die Teile in eine Abwrackgesellschaft überführen damit der Schaden nicht so groß wird... hust.
ShieTar
Naja, in den letzten 59 Jahren sind in Deutschland 0 Menschen durch den Betrieb von Kernkraftwerken ums Leben gekommen, und mehr als 600 000 Menschen durch den Betrieb von Kraftfahrzeugen.
Von daher mag die Sicherheit der Kernkraftwerke nicht unendlich hoch sein, aber überdurchschnittlich hoch in Anbetracht der lokalen menschlichen Risikounterschätzung ist sie allemal.
86548 (Profil gelöscht)
Gast
Tschernobyl wurde in einem nicht profitorientiertem System betrieben. Die Schlampereien waren da noch größer.
Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Blöd wenn die dann zum GAU führen.
FriedrichH
@86548 (Profil gelöscht) Tschernobyl ist nicht aufgrund von "Schlamperei" passiert. Dort wurde eine Extremsituation geübt welche dann durch ungünstige Konstruktion (Graphitregulierung) und Fehler aus dem Ruder gelaufen ist.
86548 (Profil gelöscht)
Gast
Wikipedia: "Als Hauptursachen für die Katastrophe gelten die bauartbedingten Eigenschaften (...)und schwerwiegende Verstöße der Operatoren gegen geltende Sicherheitsvorschriften während des Versuches."
Schwerwiegende Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften zeugen meines Erachtens von schlampiger Arbeit.
FriedrichH
@86548 (Profil gelöscht) Lies mal weiter...