Drei AKWs zu Silvester abgeschaltet: Atomkraft kurz vor Schluss

In der Silvesternacht werden die Kraftwerke Grohnde, Gundremmingen und Brokdorf abgeschaltet. In einem Jahr sind die verbleibenden drei Anlagen dran.

Dampf steigt aus den Kühltürmen eines Atomkraftwerks

Da dampfte es noch aus den Kühltürmen des niedersächsischen AKW Grohnde, jetzt aber ist Schluss Foto: Westend61/imago

Das Ende der Atomenergie in Deutschland kommt – planmäßig. Während etwa Frankreich und Großbritannien neue Kraftwerke bauen wollen, werden hierzulande bald weitere drei Anlagen abgeschaltet. „Es bleibt dabei“, sagt Almut Zyweck, Sprecherin der Betreiberfirma PreussenElektra. „Vor Mitternacht am 31. Dezember wird die Kernspaltung im Kraftwerk Grohnde gestoppt und die Anlage vom Stromnetz getrennt.“ Die Versorgung mit Elektrizität in der Bundesrepublik gefährdet das nicht.

Neben Grohnde an der Weser südlich von Hannover ist dann auch Schluss für die Atomkraftwerke Brokdorf bei Hamburg und Gundremmingen an der Donau zwischen Augsburg und Ulm. Übrig bleiben nur noch die Anlagen Emsland, Isar (Bayern) und Neckarwestheim (Baden-Württemberg), die jedoch 2022 ebenfalls abgeschaltet werden sollen. Nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 beschloss die deutsche Politik das Ende aller hiesigen AKW. Die Konzerne RWE, EnBW und Eon, zu dem PreussenElektra gehört, haben sich damit arrangiert und setzen auf erneuerbare Energien.

Der 43-jährige Kai Diesing leitet den Betriebsrat des Kraftwerks Grohnde. Mit 16 Jahren begann er seine Lehre im ebenfalls an der Weser gelegenen Kernkraftwerk Würgassen als Schlosser, legte später die Prüfungen zum Meister und zum Reaktorfahrer ab. Dann saß er „im Schichtbetrieb rund um die Uhr“ in der Leitzentrale und steuerte die Anlage. „Gesund und munter“ sei er, sagt Diesing – ein Urlaubsflug setze ihn einer höheren Strahlenbelastung aus als die Arbeit im Nuklearreaktor. Nur fünf Kilometer entfernt wohnt er im eigenen Haus. Und er will weiter in Grohn­de arbeiten, möglichst bis zum Ende. „Ich liebe den Job“, so Diesing. „Wir sind stolz auf die vergangenen 36 Jahre, in denen wir Strom produziert haben.“

Der „nukleare Rückbau“ wird noch dauern

Was jetzt kommt, ist ein langer Prozess des Abbaus der Anlagen. „Wahrscheinlich im Januar 2022 beginnen wir, den Reaktorkern zu entladen und lagern die Brennelemente im Kühlbecken ein, wo sie bis zu fünf Jahre bleiben“, sagt PreussenElektra-Sprecherin Zyweck. Nach und nach werden sodann die nicht mehr benötigten technischen Systeme stillgelegt. Aber erst in der zweiten Hälfte der 2030er Jahre dürfte der „nukleare Rückbau“ ganz abgeschlossen sein. Was dann noch von den Gebäuden steht, ist nicht mehr verstrahlt. Im RWE-Kraftwerk Gundremmingen wird es ähnlich ablaufen wie in Grohnde.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Momentan arbeitet Grohn­de noch mit der regulären Belegschaft – rund 300 PreussenElektra-Beschäftigte plus bis zu 200 Leute von externen Firmen. Diese Zahl kann in den kommenden Jahren sogar steigen, denn für den Abbau braucht man zwischendurch mehr Arbeitskräfte als im regulären Betrieb. Perspektivisch allerdings wird die Personalstärke sinken. Für 2025 rechnet Zyweck nur noch mit 230 Personen in der Stammbelegschaft.

Kündigungen soll es nicht geben, haben Unternehmen und Betriebsrat vereinbart. Die Auszubildenden können etwa ihre Elektronikerlehre noch beenden. Die notwendige Reduzierung der Arbeitsplätze will man bewerkstelligen, indem Beschäftigte in Rente gehen, Vorruhestandsregelungen in Anspruch nehmen oder auf andere Tätigkeiten im Unternehmen wechseln.

Stromimport ist Europapolitik

Und was bedeutet der Abschied der drei Kraftwerke für die Stromversorgung von Privathaushalten und Unternehmen? Groh­nde, Brokdorf und Gundremmingen decken 2021 etwa sechs Prozent des bundesdeutschen Elektrizitätsverbrauchs ab. „Durch die Abschaltung entsteht jedoch keine Stromlücke“, sagt eine Sprecherin des Verbands der Energiewirtschaft (BDEW). Ein wesentlicher Grund: Deutschland stellt mehr Strom her, als hierzulande verbraucht wird, exportiert unter dem Strich also Energie. Infolge der Abschaltung könnte 2022 dann etwas mehr Elektrizität importiert werden.

Das ist überhaupt kein Problem – dafür gibt es den europäischen Strommarkt mit Leitungen in die Nachbarländer. Ökonomisch wäre mehr Import sogar gut, denn Deutschland setzt andere Länder mit seiner notorischen Exportkraft und dem hohen Außenhandelsüberschuss bei Waren und Dienstleistungen unter Druck. Andererseits könnte mehr Stromimport aber auch bedeuten, dass vielleicht mehr französischer Atomstrom in deutschen Kabeln fließt, dem hiesigen Atomausstieg zum Trotz. Will man das verhindern, muss hierzulande der Anteil der erneuerbaren Energien steigen, mehr Wind- und Solarenergie angeschlossen werden.

Zwischenlager werden lange bleiben

Wann die Atomkraftwerke Grohn­de, Brokdorf und Gundremmingen – wie auch die anderen – komplett verschwunden sein werden, steht in den Sternen. Denn auf den Firmengeländen der Kraftwerke bleiben die Zwischenlager zurück, jeweils eines für schwach- und mittelradioaktiven Abfall, ein anderes für die abgebrannten Brennelemente. Für beide Sorten Müll fehlen augenblicklich funktionierende Endlager. Für den hochradioaktiven Abfall wurde noch nicht einmal ein Ort bestimmt. Bis zur Einlagerung kann es Jahrzehnte dauern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.