Asyldebatte im Bundestag: Alternativer Deutschlandpakt

Die Union wollte am Freitag im Bundestag über sogenannte „irreguläre Migration“ diskutieren. Innenministerin Faeser warf ihr Wahlkampf vor.

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, spricht im Plenum des Bundestags. Thema ist der Deutschland-Pakt

„Wir steuern und ordnen Migration“, sagt Ministerin Faeser Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Seit Tagen heizen Union und FDP die Migrationsdebatte an. Am Freitag debattierte der Bundestag über einen Antrag der Unionsfraktion für einen „Deutschlandpakt in der Migrationspolitik“, um „irreguläre Migration“ zu „stoppen“, wie es im Titel heißt.

Einen „Deutschlandpakt“ hatte Bundeskanzler Olaf Scholz vor zwei Wochen an gleicher Stelle im Bundestag vorgeschlagen. In seiner Rede ging es allerdings um gemeinsame Maßnahmen von Bund und Ländern sowie Regierung und Opposition zur Modernisierung der Infrastruktur des Landes.

Die Union will diesen Vorschlag nun in ihre Richtung drehen und drängt auf eine schärfere Asylpolitik. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warf ihr am Freitag im Bundestag deshalb vor, „Wahlkampf auf dem Rücken von Menschen zu machen, die vor Krieg und Terror bedroht sind“ und sprach von „Populismus pur“. Das würde nur die Rechtsextremen stärken. Sie zitierte dazu Markus Söder: Man könne ein Stinktier nicht „überstinken“.

Ordnen, steuern, begrenzen – das sind die Schlüsselwörter der Migrationsdebatte. Sie fielen am Freitag auch im Bundestag häufig. Im Forderungskatalog der Union liegt der Fokus allerdings ganz klar auf „Begrenzung“. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach im Bundestag von einer „Migrationskrise“, die er als „größte Herausforderung unserer Zeit“ bezeichnete.

„Die Kommunen sind überlastet, die gesellschaftliche Akzeptanz schwindet“, sagte Dobrindt. Der Bundesregierung warf er eine Politik vor, die „illegale Migration ausweitet und fördert“, indem sie Anreize und Pull-Faktoren schaffe. Innenministerin Faeser sei „kein Zugpferd, sondern das Trojanische Pferd der Migrationskrise“, polterte Dobrindt, und umwarb sie zugleich: „Lösen Sie sich vom grünen Gängelband.“

Faeser betont die Kooperation mit Polen

Die Union fordert in ihrem Antrag unter anderem, an den Grenzen zu Polen und Tschechien Kontrollen einzuführen. Das Aufnahmeprogramm Afghanistan will die Union bis auf die Aufnahme von Ortskräften einstellen. Außerdem machte sich Dobrindt im Bundestag für Asylzentren an den Außengrenzen der EU stark. Asylverfahren könnten auch „in sicheren Drittstaaten“ durchgeführt werden, heißt es im Papier der Union, ohne dabei konkrete Staaten zu nennen. Solche Ideen schweben auch der britischen und der dänischen Regierung vor. Sie scheiterten bisher aber an internationalem Recht.

„Wir steuern und ordnen Migration“, antwortete Innenministerin Nancy Faeser der Union, und strich die vermeintlichen Erfolge ihrer Regierung heraus. Man kooperiere an den Grenzen mit polnischen und tschechischen Behörden und verstärke dort die so genannte Schleierfahndung, so die SPD-Politikerin. Man arbeite mit Ländern und Kommunen „intensiv“ daran, mehr Abschiebungen durchzuführen.

Man werde laut Faeser Schleusern das Handwerk legen und diese künftig ausweisen; das habe die Union nicht getan. Man habe die Liste der sicheren Herkunftsstaaten um Georgien und Moldau erweitert, das habe spürbare Effekte. Außerdem: Man habe in Brüssel den „historischen Durchbruch“ zu einem gemeinsamen europäischen Asylsystem der EU geschafft und werde die Verhandlungen weiter voranbringen. Kurz: „Wir handeln, wo Sie nur fordern.“ Und: „Unsere Maßnahmen wirken.“ Berichte, wonach sie plane, für Flüchtlinge den Familiennachzug zu erleichtern, wies sie zurück. Das habe sie im Moment nicht vor, sagte die Innenministerin.

Mit ihrer Erzählung trat Faser dem Katastrophenszenario entgegen, das Dobrindt vorher gezeichnet hatte. Es blieb allerdings den Grünen überlassen, ein anderes Wort in die Debatte einzubringen, das bis dahin gefehlt hatte: „Humanität“. Das sei „eine Lehre aus unserer Geschichte“, sagte Grünen-Ex-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: Sie erinnerte auch daran, dass Geflüchtete, die Arbeit finden, selbst in Sozialsysteme einzahlen.

Und sie meinte: „Wir hätten uns vorbereiten sollen.“ Fluchtmigration werde es auch in Zukunft weiter geben, deshalb müsse man langfristig denken und entsprechende Strukturen schaffen. Im Moment bräuchten Städte und Gemeinden aber vor allem mehr Geld, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Das richtete sich auch an Finanzminister Lindner und die FDP und deren Sparkurs.

AfD wirft Union 180-Grad-Wende vor

Die AfD nutzte den Antrag der Union dagegen, um die Lage noch weiter zu dramatisieren. Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bundestag, sprach mit Blick auf die Bilder aus Lampedusa von einer „Invasion“. „Das sind keine Schutzsuchenden. Das sind Männer, vor denen wir Schutz brauchen“, schwadronierte er. „Schlimmer als der menschengemachte Klimawandel“ sei „der menschengemachte Bevölkerungswandel“.

Der Union warf Baumann eine migrationspolitische 180-Grad-Wende vor: Sie übernehme „alle Positionen der AfD“, die sie einst zurückgewiesen habe. Grenzkontrollen an den Binnengrenzen, Sachleistungen statt Geld, den Familiennachzug begrenzen – all das habe die AfD gefordert, als CDU und CSU noch an der Regierung gewesen seien. Doch damals sei die Union „vor dem links-grünen Mainstream eingeknickt“, während allein die AfD sich treu geblieben sei. „Der einzige Grund für den Richtungswechsel der CDU ist der Erfolg der AFD“, so Baumann.

Am Tag zuvor hatte es bereits einen Vorgeschmack auf diese Debatte gegen. Auf Verlangen der AfD-Fraktion hatte sich der Bundestag bereits am Tag zuvor in einer Aktuellen Stunde mit dem AfD-Antrag „Grenzschutz gegen Massenmigration“ befasst.

Für die Union hatte sich Philipp Amthor von der AfD abgegrenzt. Diese „instrumentalisiere“ die Migrationsdebatte für ihre Zwecke. Zugleich sprach Amthor selbst von „Migrationskrise“ und „Migrationsdruck“, lobte Dänemark als Vorbild in Sachen Abschiebungen und warb für „Grenzkontrollen, und zwar flächendeckend“. Deutschland bräuchte einen „Systemwechsel“ in der Migrationspolitik.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die Forderung nach mehr stationären Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien bereits vor zwei Wochen scharf zurückgewiesen. Von „Wahlkampffeuerwerk“ und „Polit-Placebo“ sprach der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Sven Hüber in einer Presseerklärung.

Es sei ein Irrglaube, dadurch die Zahl aufzunehmender Flüchtlinge reduzieren zu können. Effektiver sei es, Schleuser zu bekämpfen und die Schleierfahndung zu verdichten, heißt es in einem Sechs-Punkte-Hintergrundpapier der Polizeigewerkschaft von Anfang September.

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