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Asylanträge von AfghanenSchutzlos in Deutschland

Die Schutzquote für aus Afghanistan geflüchtete Männer sinkt rapide. Mit der Realität vor Ort sei das unvereinbar, kritisiert die Linke.

Könnten bald wieder gebraucht werden: Proteste gegen Abschiebungen nach Afghanistan am Frankfurter Flughafen im Jahr 2017 Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach

Berlin taz | Die Chancen für afghanische Männer, in Deutschland Schutz zu bekommen, sinken rapide. Wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Clara Bünger zeigt, fiel die bereinigte Schutzquote von über 90 Prozent im letzten Jahr auf nur mehr 57 Prozent im laufenden Jahr. Bünger sieht darin einen „Ausdruck von politischer Willkür“. Afghanische Frauen erhalten weiterhin fast ausnahmslos Schutz.

Weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auf Grundlage geheimer Leitsätze und Länderberichte entscheidet, ist unklar, warum genau plötzlich so viele Asylanträge afghanischer Männer abgelehnt werden. Eine Vertreterin der Behörde deutete zuletzt aber an, dass die Leitsätze im März angepasst worden seien.

Ju­ris­t*in­nen berichten, dass das Bamf mittlerweile in vielen Fällen argumentiere, dass, wer legal aus Afghanistan ausgereist sei, nicht verfolgt werde. Ohne im konkreten Fall nachzuforschen, nehme das Bamf bei jungen Männern außerdem an, dass sie über ausreichend soziale Kontakte und Jobangebote verfügen, um in Afghanistan überleben zu können. Während wohl auch deshalb die Schutzquote dramatisch sinkt, fällt Bünger zufolge auch die Zahl der Fälle, in denen Gerichte solche negativen Bescheide aufheben.

Dabei ist die Situation in Afghanistan nach wie vor erschreckend. Seit der Machtübernahme der islamistischen Taliban im Sommer 2021 haben sie autoritäres Regime errichtet. Oppositionellen, Jour­na­list*innen und Ak­ti­vis­t*in­nen sowie ehemaligen Regierungsangestellten droht willkürliche Verhaftung und Folter. Verurteilten drohen Körperstrafen und mitunter die Hinrichtung.

Kein Wille zur Aufnahme

Auch werden Frauen und Mädchen massiv diskriminiert. So ist es ihnen etwa verboten, in der Öffentlichkeit zu sprechen oder ohne männlichen Begleiter öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Sie sind von weiten Teilen des Bildungssystems und des Arbeitsmarkts ausgeschlossen. Auch queere Personen werden unterdrückt, auf gleichgeschlechtlichen Sex steht die Todesstrafe.

Offenbar sei im Bundesinnenministerium und beim Bamf kurzerhand entschieden worden, dass in Deutschland kein Platz mehr für junge Afghanen sein solle, sagt Linken-Abgeordnete Bünger. „Dann wurde die Entscheidungspraxis entsprechend angepasst.“ Mit der Realität in Afghanistan ließe sich die fallende Schutzquote jedenfalls nicht ein Einklang bringen.

Tatsächlich versucht die schwarz-rote Bundesregierung auch an anderen Stellen, Menschen aus Afghanistan fernzuhalten. So blockiert sie Evakuierungsflüge für Menschenrechtler*innen, die durch das Bundesaufnahmeprogramm eigentlich schon feste Aufnahmezusagen haben. Und sie sucht nach Wegen, wieder in das Land abzuschieben.

Dabei hat Deutschland durchaus eine Mitverantwortung für die Lage der Menschen vor Ort. Über ein Jahrzehnt waren Bundeswehrsoldaten am Hindukusch im Einsatz, bevor sie angesichts des Siegeszugs der Taliban überhastet abzogen.

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8 Kommentare

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  • In Afgahnistan werden die Frauen weggesperrt und unterdrückt und die jungen Afgahnen hauen ab ?



    Wie bitte ?



    Bleibt zuhause und seht zu, daß Ihr die Lage in Eurem Land verbessert ! Oder wer soll das tun ?

  • Wer vor 10 Jahren noch Schutz nach §3 und vor 5 nach §4 AsylG erhalten hätte, kann heute froh über ein Abschiebungsverbot sein. Ablehnung scheint der neue Standard zu sein bei afghanischen Männern. Wer nach dem Tod von männl. Angehörigen, etwa Soldaten oder Polizisten oder Exbürgermeistern, raus ist ohne die explizite Bedrohung durch die Taliban abzuwarten, kriegt dann zu hören, er sei ja nicht selbst in Gefahr. Wer sich dem islamistischen Regime nicht beugen will, dem wird vorgehalten, er solle sich wegen Frisur und Bart nicht so haben und statt zu studieren halt Tagelöhner sein und die Klappe halten, wer Atheist ist, muss das erst mal nachweisen, usw. usf.



    Es ist, letztlich, eine rassistische Reaktion auf den Rechstextremismus in Dtl., die Afghanen werden geopfert.



    BTW: Was soll die Behauptung, dass Männern nichts geschehe, wenn sie sich nur minimal anpassten, bedeuten? Wo ist die Grenze dieser Anpassung? Ah, beim Klerikalfaschismus wohl nicht - fürs BAMF.



    Liebe Afghanen: Sucht euch eine Ausbildung, bevor die Ausbildungsduldung abgeschafft wird...

    • @hierbamala:

      Da steht nicht das abgelehnte Afghanen wieder nach Hause müssen, die erhalten nur kein Asylstatuts. Das sind dann substitär geschützte. Genauso wie die Hälfte der Syrer die hier leben. Das heißt wenn es die Zustände in ihren Heimatländern verbessern eventuell zurück müssen. Das war nach dem "Jugoslawienkrieg" auch nicht anders.

      Und zu den substitär geschützen Syrern hat der damalige grüne Wirtschaftsminister gesagt, wer nicht arbeitet wird wohl wieder nach Hause gehen müssen.

      www.zeit.de/news/2...wird-gehen-muessen



      6. Januar 2025



      Habeck über Syrer: Wer nicht arbeitet, wird gehen müssen

      • @Martin Sauer:

        Nein, Ablehnung heißt, dass kein Schutzstatus und kein Abschiebungsverbot erteilt wurde. Ich kenne das von Berufs wegen und weiß sowohl, wie Anträge, als auch wie Bescheide aussehen, formal wie inhaltlich.



        Und Syrien hat wirklich nix mit Afghanistan zu tun, das ist wie Äpfel mit Zucchini vergleichen.

        Aber die Entscheidungspraxis des BAMF zeigt deutlich die politische Richtung, in die es aktuell geht.

  • Frage: welche Verantwortung hat Deutschland für die Situation in Afghanistan? Ich lese diese Behauptung immer wieder, aber sie erschließt sich mir nicht. Verantwortung für jene Afghanen die für die Bundeswehr gearbeitet haben? Sicher, ohne Frage. Aber darüber hinaus? Wofür bitte genau? Zumal diese Behauptung gerne von jenen kommt, die die Einsatz in Afghanistan vorher gerne die ganze Zeit kritisiert haben. Die Bundeswehr hat als Teil der internationalen Koalition versucht dem Land Stabilität und Freiheit zu ermöglichen. Offensichtlich war es nicht gewollt; wo also liegt die Verantwortung der Bundesrepublik?

    • @Fran Zose:

      Der Verrat an den Ortskräften reicht doch?

      • @Joe Schmoe:

        Lesen Sie aufmerksam: Die Verantwortung für die Ortskräfte steht außer Frage. Aber welche Verantwortung darüber hinaus soll die Bundesrepublik haben?

        • @Fran Zose:

          Die Verantwortung, Asylanträge von Afghanen individuell und aufgrund von Rechtsnormen zu prüfen, z.B.



          Mir würde noch einfallen, dass ein Rechtsstaat die Entscheidungsgrundlagen von Verwaltungsbescheiden transparent für alle Bürger und Betroffenen dieser Entscheidungen veröffentlichen müsste.