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Asyl- und Migrationspolitik in Israel5.000 Dollar für jeden Geflüchteten

Um die Zahl der Einwanderer in Israel zu verringern, will Netanjahu Beziehungen zu Afrika vertiefen. Abkommen dazu sind nach wie vor geheim.

Benjamin Netanjahu in der Knesset, dem israelischen Parlament Foto: reuters

Jerusalem taz | Mit Bangen beobachten rund 40.000 in Israel lebende Flüchtlinge die Reise von Regierungschef Benjamin Netanjahu nach Afrika. Werden die Gespräche aus seiner Sicht ein Erfolg, dann droht den zumeist aus Eritrea und dem Sudan geflohenen Menschen die Zwangsabschiebung nach Ruanda.

5.000 Dollar bietet Netanjahu Ruandas Präsident Paul Kagame, mit dem er am Dienstag in Nairobi zusammentraf, für jeden Flüchtling, den er aufzunehmen bereit ist. Die Migranten selbst werden nicht gefragt. Wer sich der Ausreise verweigert, soll ins Gefängnis kommen. „Wir beabsichtigen, die Verbindungen mit Afrika zu vertiefen“, meinte Netanjahu zuversichtlich vor Antritt seiner dritten Reise innerhalb von eineinhalb Jahren auf den benachbarten Kontinent.

Schon in der kommenden Woche könnte die Knesset, das israelische Parlament, abschließend über die gesetzliche Möglichkeit, Flüchtlinge gegen ihren Willen in Drittländer abzuschieben, entscheiden. Das bedeute „eine dramatische Verschärfung der bisherigen Situation“, meint Adi Drori-Avraham von der Hilfsorganisation für Flüchtlinge und Asylsuchende in Israel, eine von sieben Nichtregierungsorganisationen.

Diese wandten sich mit einem Appell an Kagame, eine Regelung, „die die Menschen vor die Wahl zwischen Ausreise oder unbefristeter Gefängnishaft stellt“, nicht zuzustimmen. Laut Urteil des Obersten Gerichts in Jerusalem darf Israel Flüchtlinge abschieben, vorausgesetzt, es gibt ein Land, das bereit ist, sie aufzunehmen. „Ob es zu einer Massenabschiebung kommen wird oder zu Massenverhaftungen, liegt damit letztlich in den Händen Kagames“, erklärt Drori-Abraham.

Zunächst unter Gruppenschutz

In einem vergangene Woche von der Tageszeitung New Times in Ruanda veröffentlichten Interview erklärte Außenministerin Louise Mishikiwabo, ihr Land sei bereit, „10.000 Asylsuchende“ aufzunehmen. Bedingung sei jedoch, dass sie „aus freien Stücken“ kommen. Einzelheiten über „Unterkunft und allgemeines Wohl“ derer, die aus Israel nach Ruanda reisen, seien noch ungeklärt, meinte die Chefdiplomatin in Kigali. Es müsse dafür gesorgt sein, dass die Migranten „lange genug bleiben, um Arbeit zu finden“.

Genau das war bislang nicht gewährleistet. In den letzten zweieinhalb Jahren traten rund 4.000 Flüchtlinge die Reise in ein Drittland an – vor allem nach Ruanda, gelockt von der einmaligen Ausreiseprämie, die Israel in Höhe von 3.500 US-Dollar zahlt, sowie aus Angst davor, im offenen Haftlager Holot inhaftiert zu werden, das Anfang 2018 geschlossen werden soll.

Ruanda will 10.000 Personen aufnehmen – wenn sie freiwillig kommen

Scharon Harel von der Tel Aviver Vertretung des UN-Menschenrechtsrats kritisiert, dass „die Abkommen noch immer geheim sind“. Von Berichten der Flüchtlinge wisse man heute, dass „die Leute von Ruanda aus nach Uganda geschickt werden, ihre Papiere abgeben und Geld an Menschenhändler zahlen müssen“, bevor sie erneut „in andere Länder“ abgeschoben werden. Die UN-Vertreterin vermutet, dass die israelischen Behörden anfangs „alleinstehende Männer“ abschieben werden, deren Asylanträge abgelehnt wurden.

Seit 2005 kommen afrikanische Flüchtlinge nach Israel, zuerst einzelne, später bis zu tausend in einem Monat. Die Behörden stellten die Flüchtlinge in den ersten Jahren unter eine Art Gruppenschutz, was dazu führte, dass niemand einen Asylantrag stellte. In den Papieren heißt es offiziell, dass die Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen, in der Praxis verfolgt die Polizei aber niemanden, der es doch tut.

Mit Grenzanlagen zur ägyptischen Halbinsel Sinai sollte die Migration gestoppt werden und später mit der Bestrafung der „Infiltranten“, so die offizielle Bezeichnung für die illegalen Einwanderer seit 2012. Erst jetzt stellten die ersten Flüchtlinge Asylanträge, allerdings ohne großen Erfolg. Nur knapp ein Dutzend der Anträge sind bewilligt worden.

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5 Kommentare

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  • Wenn ich hier die Kommentare lese, möchte ich am liebsten Max Liebermann zitieren. Was alles die Juden hätten lernen können aus ihren Leiden, aber es doch nicht geschafft haben. Während des Holocaust wurden selten Juden aufgenommen. Auch einer der Gründe, warum so viel gestorben sind. Und Parallelen zu Migranten aus Afrika zu ziehen ist mindestens minderbemittelt. 5000 sollen an das Aufnahmeland gehen, die ausreisewilligen Migranten bekommen 3500. Aber das sind natürlich für den einen oder anderen hier mindestens 1500 Gründe für ein erneutes Israelbashing.

  • Pro-aktive Fluchtprävention statt repressive Fluchtbehinderung und Zwangsausschaffung

     

    Der Netanjahu-Plan der entspräche der Bereitschaft der EU-Kommission, die Flüchtlingsrücknahme mit je 10.000 Euro zu fördern. Dazu hatte sie im Juli 377 Millionen Euro für Staaten zurückgelegt, die Flüchtlinge aus Nordafrika aufnehmen, was etwa 37.700 Flüchtlingen entspräche. (Taz,. v. 29.8.2017)

     

    Aus einem solchen Verfahren, wie es auch auf dem Pariser Flüchtlings-Gipfel letzten August favorisiert wurde, könnte sich für die Entsendeländer ein regelrechtes Exportmodell mit Drehtürmechanik entwickeln. Besser wäre es allerdings, sie würden mit der Hilfe der reichen Destinationsländer in die Lage versetzt, bei sozial-ökonomisch bedingten Fluchtgründen die Ursachen zu mildern, also pro-aktive Fluchtprävention statt Rücknahmeprämien und repressive Fluchtbehinderung. Im übrigen scheint die in Paris beschlossene und von Netanjahu ausgenommene Asyleindämmungsstrategie dem Credo der Genfer Flüchtlingskonvention zu widersprechen, woraus sich für Personen wegen der Verfolgung in ihren Heimatstaaten aus rassischen, religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Gründen das Recht ableitet, an einem vor Verfolgung sicheren Aufenthaltsort Zuflucht finden zu können. Man stelle sich vor, während der Judenverfolgung in Deutschland hätte man den Hakenkreuzlern „Rücknahmeprämien“ für die jüdischen Flüchtlinge angeboten. Angesichts der leidvollen Erfahrungen mit der präzedenzslosen Judenverfolgung durch die Hakenkreuzler sollte man sich das gerade in Israel mit aller gebotenen Sensibilität vor Augen führen. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt und Politiker wie Katrin Göring-Eckardt und Katja Kipping nannten ein solches Flüchtlingsrecycling zu Recht eine „Irreführung der Öffentlichkeit“ und einen „Verrat an europäischen Werten“, zu denen sich auch Israel verpflichtet fühlt.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Korrektur:

      "... und von Netanjahu aufgenommene Asyleindämmungsstrategie ..."

      Sorry

  • Die Überschrift ist irreführend, liebe taz! Ich hatte gehofft, Benjamin Netanjahu sei über Nacht erleuchtet und/oder bekehrt worden von jenem Gott, an den angeblich alle Juden (ja, auch die schwarzen!) glauben – und nun das!

     

    Nicht etwa jeder Geflüchtete bekommt – womöglich in dankbarer Erinnerung an die Zeit, in der verfolgte Juden Schutz gesucht haben vor den Herrschenden in ihren Herkunftsstaaten – 5.000 Dollar von der israelischen Regierung, mit denen er sich integrieren kann. Nein: Ein Kerl nur graduell besser als die, vor denen die Flüchtlinge davongelaufen sind, kriegt 5.000 Dollar pro Kopf, wenn er die verirrten Schäfchen der Nachbarn in seine eigne, genozidbedingt spärliche Herde aufnimmt!

     

    Für 5.000 Dollar, stelle ich mir vor, kann man Geflüchteten schon eine ganze Weile festhalten und ansonsten ignorieren, wenn man Präsident ist. Und wenn das Geld zu Ende geht, lässt man sie einfach wieder laufen. Da hin, wo die Regierungen Geld haben, mit dem sie um sich werfen können, wenn sie sich vor der Arbeit drücken wollen.

     

    In Indien, hörte ich, macht man das mit jungen Mädchen so: Man verkauft sie meistbietend an alte Knacker, und wenn die sie satt haben und/oder misshandeln, sodass die Frauen zurück nach Hause flüchten, verkauft... - äh: „verheiratet“ man sie einfach zum zweiten, dritten oder vierten Mal. Auf die Art kann man sich finanziell prima sanieren unter Verweis auf eine angeblich uralte und sehr heilige Tradition.

     

    Wie dem auch sei. Netanjahu hat ja eigentlich gar keine eigene Idee gehabt. Er hat von uns Europäern gelernt. Wir machen solchen Mist schon lange. Und dabei sind wir auch noch deutlich knausriger. Zudem investieren wir nur in konkrete „Grenzsicherungsmaßnahmen“. Wir sollten also fein die Klappe halten. So lange wir die Regierung haben, die wir gerade (nicht) haben, brauchen wir uns über die Regierung, die „die Israelis“ zusammengewählt haben, gar nicht zu mokieren. So lange haben wir nämlich noch genug mit unserer eigenen Demokratie zu tun.

  • Kann man wirklich vom leben in Israel bei den dort gestrandeten Flüchtlingen sprechen? Wenn Flüchtlinge in Israel regelmäßig gegen die Genfer Flüchtlingskonvention sowie der universell gültigen Menschenrechte interniert werden?

    Ich denke nicht. Israel hat sich in den letzten 15 Jahren immer mehr zu einem Staat unter Missachtung der US – Europäischer Werte entwickelt. Dies erkennen immer mehr Bürger und wollen deshalb auch mit Israel immer weniger zu tun haben.