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Armut in der CoronakriseKein Laptop für Adil

Kinder aus Hartz-IV-Familien haben in Zeiten geschlossener Schulen Schwierigkeiten, am Homeschooling teilzunehmen. So wie Adil.

Lernen als Luxus Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Der Brief der Schule trägt das Datum vom 18. März. „Ich unterrichte Sie darüber, dass die Leistungen ihres Sohnes Adil, Schüler der Klasse 9d, in Mathematik, Gesellschaftslehre und Naturwissenschaft nicht ausreichend sind und dadurch die Versetzung gefährdet ist.“ Adil* besucht eine Gesamtschule in Mönchengladbach. Wie alle anderen Schulen bundesweit ist sie seit dem 16. März geschlossen. Die SchülerInnen erhalten Aufgaben per Internet. Doch in Adils Familie gibt es weder einen Computer noch einen Drucker. Wie soll er jetzt den Anschluss schaffen?

Gleich am ersten Tag der Schulschließung hat sich Adils Vater, Thomas Wasilewski, an das Jobcenter Mönchengladbach gewandt. Thomas Wasilewski ist genau wie seine Frau erwerbsunfähig, die fünfköpfige Familie lebt von Hartz IV. 1.400 Euro überweist das Jobcenter jeden Monat. Im Regelsatz enthalten sind auch 2,51 Euro pro Erwachsenem und bis zu 2,07 Euro pro Kind „für Kauf und Reparatur von Festnetz- und Mobiltelefonen und anderen Kommunikationsmitteln“. Für den Kauf eines Computers reicht das nicht.

Der Staat zeigt sich in der Corona­krise großzügig: Unternehmen erhalten Beihilfen. Menschen, deren Einkommensquellen krisenbedingt versiegen, können problemlos Grundsicherung beantragen, ohne dass sie ihre Vermögensverhältnisse aufdecken oder nachweisen müssen, dass ihre Wohnung billig genug ist. Doch dadurch entstehen plötzlich zwei Gruppen von Bedürftigen: Die Neuen, die schnell und unbürokratisch Hilfe erhalten. Und jene, die schon vorher Grundsicherung bezogen. Sie erhalten keinen Krisenaufschlag, sondern müssen Mehrbedarfe, wie es im Amtsjargon heißt, weiterhin begründen und beantragen.

Wasilewski beantragte also, dass das Jobcenter die Kosten für die Anschaffung eines Computers samt Monitor und Drucker übernehmen möge. Ein entsprechendes Angebot hatte er bei Aldi gefunden, 970 Euro würde alles zusammen nach seiner Kalkulation kosten. Mittels dieses Familiencomputers sollten nicht nur Adil, sondern auch seine beiden Brüder, die ein Berufskolleg und ein Gymnasium besuchen, virtuell mit ihren Schulen verbunden bleiben.

Sich an die Schule zu wenden, wäre ihnen peinlich

Mit dem Brief von Adils Schule wurde die Sache noch einmal dringlicher. „Wie soll mein Sohn denn den Stoff nachholen, wenn wir nicht mal ’nen Computer haben?“, fragt der Vater am Telefon. „Ich kann mir doch keinen backen.“ Am 20. März hatte Wasilewski noch nichts vom Jobcenter gehört und nahm sich eine Anwältin. Sie sollte dem Jobcenter per einstweiliger Verfügung Druck machen, die Kosten für die Anschaffung eines Computers zu übernehmen.

Doch die einstweilige Verfügung wurde vom Sozialgericht Düsseldorf am 26. März abgewiesen. Zwei Tage zuvor hatte auch das Jobcenter Mönchengladbach beschieden: „Solange nicht nachgewiesen wird, dass die Schulen verpflichtenden, digitalen Unterricht durchführen und dass den Antragstellern erhebliche Nachteile drohen, wenn sie an diesem nicht teilnehmen können sowie kein Smartphone zur Erledigung der Aufgaben vorhanden ist, ist eine Eilbedürftigkeit nicht gegeben.“ Antrag abgelehnt.

Wasilewksi ist empört: „Versuchen Sie mal PDF-Dateien an einem Huawei Smartphone der billigsten Kategorie zu bearbeiten. Das geht nicht“. Adils Schule stellt den Schülern nicht nur PDF-Dateien, sondern auch Zip-Dateien zum Download zur Verfügung. Für die Schüler der neunten Klasse sind das in Mathematik beispielsweise sieben Dateien mit Arbeitsblättern.

Wieso er sich nicht an die Schule gewandt habe? Wasilewski zögert am Telefon. Seine Söhne wollten das nicht. „Kein Kind erzählt gern, meine Eltern sind Hartz-IV-Empfänger.“ Außerdem wisse die Schule doch, dass die Familie arm sei. „Die sehen, dass die Kinder immer die gleichen Klamotten anhaben. Das geht doch nicht nur uns so, das ist in vielen Familien der Fall.“

Fast zwei Millionen Kinder leben in Familien, die Grundsicherung erhalten, so die aktuellste Statistik der Bundesagentur für Arbeit vom Juni 2019. Über eine Million sind im schulpflichtigen Alter – und somit auch in Zeiten von Homeschooling potenziell ohne Zugang zu einem Computer. Ralf Baum, Bereichsleiter für Leistungen beim Jobcenter Mönchengladbach, nimmt sich am Telefon Zeit, diese „hochbrisante Frage“ aus Sicht des Jobcenters zu erklären. Zum konkreten Fall darf er sich nicht äußern, deshalb erläutert er die allgemeine Lage. „Wir sind also weiterhin angehalten, Steuergelder nicht dafür auszugeben, Schüler grundsätzlich mit Computern auszustatten, sondern nur wenn diese zwingend erforderlich sind, um eine Benachteiligung zu vermeiden.“ Ganz maßgeblich für diese Einschätzung sei die Auffassung der Schule.

Pflichtschuldig hatte die zuständige Sachbearbeiterin der Wasilewskis bei den Schulen der Kinder angerufen. „Zwei von drei Schulen haben erklärt“, so steht es in dem Ablehnungsbescheid an die Familie, „dass ein Handy zur Erledigung der Aufgaben ausreichend sei.“

Baum weist darauf hin, dass die Jobcenter nach Ermessen handeln, also jeden Einzelfall neu prüfen müssen. „Natürlich wäre es schöner, wenn per Gesetz geregelt wäre, dass alle Schüler einmalig einen Zuschuss für den Erwerb eines Computers bekämen. Oder wenn die Schulen diese zur Verfügung stellten.“ Doch da diese klare rechtliche Grundlage fehle, gebe es eine Menge Klagen und widersprüchliche Gerichtsurteile.

In der Tat entscheiden Sozialgerichte von Fall zu Fall und regional unterschiedlich. Im Jahr 2018 befand das Sozialgericht Gotha, dass Computer zum Schulbedarf zählen und die Jobcenter den Mehrbedarf übernehmen müssten. Einige Monate später wurde einer alleinerziehenden Mutter mit fünf Kindern aus Baden-Württemberg ebenjener Zuschuss verweigert.

Als eines der Kinder, eine Schülerin der 8. Klasse, daraufhin vor Gericht zog und unter anderem auf das Urteil aus Gotha verwies, lehnte das Sozialgericht Karlsruhe den Antrag im Januar 2019 dennoch ab. Zwar erkannte es an, dass die Schülerin einen internetfähigen Computer braucht. Der Bedarf sei jedoch nicht als „laufend“ einzustufen, sondern trete nur einmal auf. Deshalb könnten die Kosten nicht übernommen werden, lediglich ein Darlehen könne gewährt werden.

Absurde Begründung

Weil sich also Hartz-IV-Empfänger nicht jeden Monat einen Computer kaufen, sondern lediglich einmal in fünf Jahren, darf der nicht bezahlt werden? Die Begründung scheint absurd. Die Rechtsgrundlage ist jedoch in jedem dieser Fälle die gleiche: das Sozialgesetzbuch II.

Anfrage an das zuständige Ministerium für Arbeit und Soziales. Besteht angesichts der widersprüchlichen Urteile nicht eine Regelungslücke im Sozialgesetzbuch II? Reichen die Leistungen, welche im Regelsatz für Kommunikationsmittel vorgesehen sind, in Zeiten von geschlossenen Schulen und Homeschooling per Internet wirklich aus? Oder sieht das Ministerium Nachbesserungsbedarf?

Eine Sprecherin des von SPD-Minister Hubertus Heil geführten Ministeriums beantwortet alle Fragen in einem Satz: „Über die Frage, wie soziale Härten, die durch die Coronakrise in verschiedenen Lebensbereichen entstehen, abgefedert werden können, befindet sich das BMAS im engen Austausch mit anderen Ressorts innerhalb der Bundesregierung sowie mit den für die Schulpolitik zuständigen Ländern.“ Auf Nachfrage heißt es, mehr könne man derzeit nicht mitteilen.

Aufruf der Linken

Der Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles macht auf die Lage von einkommensschwachen Familien während der Coronakrise aufmerksam und schlägt unter anderem vor, dass jeder Haushalt 350 Euro Zuschuss für einen Laptop und 100 Euro für Drucker und Papier erhält. So könnten auch Kinder aus benachteiligten Familien am virtuellen Unterricht teilnehmen.

Bildungspolitikerinnen der Linken haben ebenfalls einen Aufruf gestartet. Sie fordern die Jobcenter auf, das häusliche Lernen durch internetfähige Geräte sicherzustellen. Damit sich die Ungerechtigkeit im Bildungssystem nicht weiter verschärfe, müssten Leistungen zum Kauf eines Computers und eines Laptops gewährt werden.

Auch Thomas Wasilewski hat sich schriftlich an Hubertus Heil gewandt: Für das erforderliche digitale Lernen fehle vielen Kindern ein Laptop oder Computer und den Familien das Geld, diesen zu kaufen. „Ein sozialdemokratisch geführtes Ministerium für Arbeit und Soziales muss der Chancenungleichheit entgegenwirken und hier schnellstmöglich eine eindeutige Lösung im zweiten Sozialgesetzbuch herbeiführen“, schreibt Wasilewski in seinem Brief vom 6. April. Unterschrieben haben er, seine Frau und die drei Kinder.

Auf eine Antwort warten sie noch.

* Name geändert

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34 Kommentare

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  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    „Solange nicht nachgewiesen wird, dass die Schulen verpflichtenden, digitalen Unterricht durchführen und dass den Antragstellern erhebliche Nachteile drohen, wenn sie an diesem nicht teilnehmen können sowie kein Smartphone zur Erledigung der Aufgaben vorhanden ist, ist eine Eilbedürftigkeit nicht gegeben.“

    Heiliger Bürokratius, bitt für uns! Dieser Bescheid ist hinsichtlich nicht vorhandenem Wissen wohl kaum noch zu übertreffen.

  • Ich kenne keinen Hartz 4 Empfänger der nicht ein Computer zuhause hat und ich kenne viele.

    • 8G
      80336 (Profil gelöscht)
      @ulf hansen:

      Interessant. Ich lese, dass in DE mehr als 3,7 Millionen Menschen auf Hartz 4 angewiesen sind. Wie viele davon kennen Sie, die nicht "ein Computer" zuhause haben? 80 Prozent? Weniger? Wie viele wären Ihrer persönlichen Meinung nach ausreichend?

  • Es gibt den DigitalPakt...



    * www.digitalpaktsch...t-schule-1701.html



    * www.bmbf.de/de/wis...kt-schule-6496.php

    Theoretisch kann man dafür Tablets beschaffen und die an (bedürftige) Schülerinnen und Schüler ausleihen... muss man halt nur machen...

    Leider will keiner das Geld...



    * www.onlinekosten.d...erufen_221929.html

    Wenn Corona noch ein bisschen dauert, wirds vielleicht noch was mit dem digitalen Unterricht. Wer weiß. Die Hoffnung liegt noch nicht auf der Intensiv.

  • Auch unabhängig von Corona sollte eine Schülerin lernen mit einem PC umzugehen. Sicherlich hat der Artikel in seiner Argumentation starke schwäche ( ich wiederhole jetzt nicht alle Kommentare), aber in der heutigen Zeit ohne PC aufzuwachen ist für das spätere Berufsleben nicht zielführend. Über Preise lässt sich trefflich streiten. Auch darüber ob es noch eines Druckers bedarf. Eine günstige Alternative sind übrigens gebrachte Hardware oder auch sowas wie ein Raspberry Pi. Zum Online lernen reicht das allemal.

    Andere Frage: wie wird der Internetanschluss mit eingereist? Klingt für mich nicht als sei der bei den Sätzen berücksichtigt

    • @Alex3141:

      Ich denke nicht, dass den Schülern mit irgendwelchen Billigst- und Bastellösunge wirklich geholfen ist. Dass man auf einem RasPi eine Desktop-Umgebung installieren kann heißt noch nicht, dass das Ergebnis dann auch ein adäquates Arbeitsgerät ist. Mit je nach Modell 1-4 GB RAM ist man da u.U. schon mit gleichzeitiger Browser und Office Ausführung jenseits des Limits. Ganz abgesehen von der Frage wie es mit Konfiguration und Troubleshooting aussieht die auf so einem System sehr schnell ohne Shellkenntnisse nicht mehr zu bewältigen sind.

      Wenn man tatsächlich der Meinung ist, dass Lernen digital sein muss, dann sollte konsequenterweise auch in geeignete Arbeitsmittel und Infrastruktur für deren Wartung investieren. Was erfahrungsgemäß bei staatlichen IT-Projekten sehr(!) teuer werden kann. Alternativ kann man das Geld auch in langlebige, analoge Bücher investieren. Die haben übrigens erstaunlicherweise auch die meisten Informatiker und IT-Profis zuhauf in ihren Regalen stehen.

      • @Ingo Bernable:

        "...Alternativ kann man das Geld auch in langlebige, analoge Bücher investieren. ...". Ja,das kenne ich noch von den Büchern, die meine Kinder als Klassensatz in der Schule hatten. Die meisten entweder veraltet oder versifft.



        Mit welcher Office-Anwendungen zwingen Sie 4GB RAMin die Knie?? - nur wenn Sie versuchen, Videos in ein Word-Dokument zu pressen. ;-)



        Nicht vergessen: hier geht es um Schularbeiten, also Schreib-Texte im Umfang von 1- 20 Seiten, mal ein paar Bildchen dabei oder mal eine klitzekleine Excel-Tabelle. In den oberen Klassenstufen geht dann mit PowerPoint der Punk ab, Holla die Waldfee! Es ist ein Jammer, wie stiefmütterlich die teure Technik in Klassen- und Kinderzimmern behandelt wird.



        Warum nicht ein langlebiges, hersteller- und plattformunabhängiges Dateiformat kreieren (ähnlich PDF oder TIFF), das den allermeisten Anforderungen im Schulalltag gerecht wird und wenig Ressourcen verbraucht. Dann ist's auch egal, wer mit welcher Technik spielt. Die ganze Latte an cloudbasierten Anwendungen zeigt doch, dass so etwas grundsätzlich möglich ist.

        • @Edward:

          "Die meisten entweder veraltet oder versifft."



          Bücher veralten immerhin wesentlich langsamer als Hardware und gerade an den Grundlagen die in der Schule vermittelt werden ändert sich auch nicht so sehr viel

          "Mit welcher Office-Anwendungen zwingen Sie 4GB RAMin die Knie??"



          Mein System verbraucht jetzt gearde runde 4GB. Aktive Anwendungen: Browser und Mail-Client. Mit gleichzeitig Recherchieren UND Aufsatz schreiben wird es da schon schwierig. Dass weniger möglich ist und sich eine Hausaufgabe auch auf einem 8080 in vim schreiben lässt ist klar, nur bleibt eben die Frage ob das dem primären Lernziel dient oder doch eher dem Umgang mit einem nicht ausreichend dimensionierten Arbeitsmittel. Und wenn man unterstellt, dass die Hardware auch nur ein paar Jahre halten soll, würde die aktuelle Schülergeneration realistisch geseehn etwa einen RasPi 2B von 2016 nutzen.

          Und wenn nun auch noch ersteinmal ein neues Dateiformat entwickelt werden soll ist das Thema Heimunterreicht eh passé.

          • @Ingo Bernable:

            Das ist mir schon klar, dass sich das Grundlagen-Wissen nicht ständig ändert. Wobei in Chemie im Vergleich zu meiner Schulzeit noch einiges dazugekommen ist.



            Die aktuell verfügbaren Tablets in den Preisklassen ab 150 - 200 € zeigen, dass die für Schüler-Aufgaben (!) benötigten Anwendungen auch ohne Monster-PC lauffähig sind.



            Dass die meisten Lehrer bisher haufenweise Arbeitsblätter kopiert und ausgedruckt haben, zeigt doch auch, dass Bücher allein für den Unterricht nicht ausreichen. Das Potential für digitale Anwendungen im Untericht -ohne alles nochmal auszudrucken- wäre in jedem Fall gegeben.



            Wenn wir ehrlich sind: in den meisten Haushalten existiert mindestens ein Tablet oder PC, in vielen vermutlich mehrere davon. Die Technik ist also ohnehin da, wird aber überwiegend zum Zeitvertreib genutzt. Wenn dann noch "nützlicher" Gebrauch hinzukommt und so ein Tablet nach 3-4 Jahren erneuert werden muss, sollte das bei entsprechenden Recycling-Technologien keine Hürde sein. Die dümmste aller Lösungen wäre, wenn wir parallel noch sehr lange sehr viel Papier für schnell veralteten Content verballern.



            Man muss es wollen.



            Mein Gedanke für ein Dateiformat zielt in die Zukunft - nichts muss bleiben, wie es ist!

  • "Bildungspolitikerinnen der Linken haben ebenfalls einen Aufruf gestartet. Sie fordern die Jobcenter auf, das häusliche Lernen durch internetfähige Geräte sicherzustellen."

    Bildung ist Sache der Länder und in einigen Bundesländern sitzen die Linken an der Regierung. Es wäre also ein Leichtes für die Linkspartei schnell und effektiv, die eigenen Forderungen umzusetzen.

    Tut sie aber nicht.

    Sie will auf Bundesebene quasseln und mit unsinnigen Forderungen (es gibt gar nicht genügend Hardware wg. der Corona Engpässe) und Verschiebung von Bildungsverantwortung (an Jobcenter) medial punkten.

  • In NRW werden keine keine blauen Briefe wegen Corona versendet und erwerbsunfähige Menschen bekommen nicht Hartz 4 (SGB II) sondern Sozialhilfe (SGB XII). Die Ressortleiterin Inland hat als Autorin in den ersten beiden Absätzen Dinge kundgetan, die schlicht falsch sind. [...]

    Das Prinzip "der Zweck heiligt die Mittel" funktioniert auch nicht. "„Kein Kind erzählt gern, meine Eltern sind Hartz-IV-Empfänger.“ Außerdem wisse die Schule doch, dass die Familie arm sei. " Wenn es die Schule eh weiss, wo ist das Problem?

    [...]

    Der arme Familienvater will fast 1000€ für Pc usw., geht auf Kosten der Steuerzahler noch vor Gericht usw.. Ich weiss nicht, was man als Ressortleiterin Inland bei der TAZ verdient. Einen PC und Drucker für 1000€ habe ich noch nie besessen. , wobei ich soviel Steuern zahle, wie die ganze Familie im Monat Hartz bekommt. Habe ich als Familienvater deswegen soviel Geld, weil Corona ist meiner Tochter nen PC zu kaufen. NEIN! Unserer Miete usw. wird nämlich nicht vom Amt bezahlt.

    Kommentar bearbeitet. Bitte beachten Sie die Netiquette.

    • @rujex:

      "...wobei ich soviel Steuern zahle, wie die ganze Familie im Monat Hartz bekommt."



      Man muss einen solchen Satz, fast als Stoßseufzer vorgebracht, ja ernst nehmen, hinsichtlich der Höhe und der Verwendung von Steuermitteln. Dazu soll dann aber auch gesagt werden: Bei der Familie Wasilewski besucht ein Kind das Gymnasium, ein Kind besucht ein Berufskolleg und beim dritten ist nun mal die Versetzung gefährdet. Gerade so, wie es in vielen Familien auch ist, die nicht auf H4 angwiesen sein müssen. Aber sich für die Bildung seiner Kinder in H4 einzusetzen und diese zu gewährleisten ist schwer. Fam. Wasilewski will keine Armut "vererben". Das ist eine sehr sinnvolle Verwendung von Steuergeldern!

  • Ich wiederhole:



    taz.de/!5676444/#bb_message_3939684

    Es gibt Anton: anton.app/de/

    Habe für 130 EUR ein neues Android-Tablet incl. Tastatur gekauft, alle anderen Apps mit Google Family Link geblockt; die Lehrerin hat für die Klasse eine Anton-Gruppe eingerichtet, stellt und überwacht die Aufgaben.

  • An dieser Stelle sollte die Bundesrepublik in der Krise nicht sparen und zügig jedem schulpflichtigen Kind aus einem unterstützten Haushalt auf unbürokratischen Antrag einen Lernmittelzuschuss von EUR 1.000 gewähren.

    Selbstverständlich wird es Mitnahmeeffekte geben. Nur ist der Betrag vergleichsweise gering und der Schaden bei den betroffenen Familien viel zu groß.

    Spätestens wenn Bund und Länder über eine Verlängerung der Massnahmen in den kommenden Tagen beraten, ist es an der Zeit, diese Entscheidung zu fällen.

    Es reicht auch nicht aus, betroffene Kinder einfach nicht sitzen zu lassen. Auch in der Krise bleibt die Schulpflicht grundsätzlich bestehen. Hierbei handelt es sich auch um ein Recht auf Schule.

  • Erst habe ich den Artikel gelesen und dann gleich das Problem in meinem beruflichen Alltag erlebt. Ich gebe gerade einen Vorbereitetungskurs auf den Mittleren Schulabschluss für Schüler*innen aus finanziell benachteiligten Familien. Das Format - eine Woche 180min täglich - hat sich in der Vergangenheit bewährt, muss jetzt aber als Onlineunterricht stattfinden - Neuland für mich nach einer kurzen Zoom-Einweisung. Anders, als ich gehofft hatte, verfügt KEINER meiner derzeitigen Teilnehmenden über einen Laptop oder einen Drucker. So findet der Kurs für die Jugendlichen auf dem Smartphone statt. Auf dem winzigen Bildschirm kann man einen längeren Text nur schwer überblicken, man kann die Fragen nicht neben den Text legen, Textteile markieren und etwas an den Rand schreiben, wie bei einem ausgedruckten Text. Bei manchen hakt auch die Wiedergabe der Audiodateien, so dass es schwierig ist, den Hörteil der Prüfung zu üben. Die Arbeit an dem winzigen Handybildschirm fordert viel mehr Konzentration als die Arbeit mit einem großen Bildschirm, meine Schüler waren schon nach zwei Stunden völlig platt. Onlinelernen, virtueller Klassenraum - das klingt modern, aber in der Praxis und ohne geeignete Hardware ist das noch arg verbesserungswürdig.

    • @Kolyma:

      Sofern Ihre Schüler über Smartphones verfügen, ist es möglich, den Bildschirminhalt relativ einfach auf einem Fernseher anzeigen zu lassen. Fernseher stehen heute in nahezu allen Haushalten rum. Bluetooth-Tastaturen sind für wenige Euro zu bekommen und können mit Smartphones gekoppelt werden. Ich selbst lese regelmäßig Zeitung auf 'nem 5,8"-Display. Das geht, wenn die Inhalte für mobile Geräte angepasst wurden! Die Technologien dafür sind inzwischen in beinahe jeder Textverarbeitung vorhanden. Audiodateien lassen sich seit der Erfindung von MP3 super downsamplen, dann klappt das auch mit Streaming bei mieser Internetverbindung. Ja, das alles ist im Moment schwer, aber die Lösungen für all diese Problemchen liegen seit Jahren frei herum!



      Onlinelernen, virtueller Klassenraum - ist eigentlich keine Hexerei mehr und könnte JETZT genutzt werden, wenn nicht über Jahre ein Großteil der "das haben wir immer so gemacht"-Fraktion gemauert hätte.

  • Die Empörung zielt in dem Beitrag m.E. in falsche Richtungen:

    "...können problemlos Grundsicherung beantragen, ohne dass sie ihre Vermögensverhältnisse aufdecken oder nachweisen müssen, dass ihre Wohnung billig genug ist." Ach so? Wie ungerecht wird dann erst die "Respekt-Rente"! Ist mir ohnehin schleierhaft, wie man so etwas ernsthaft verabschieden wollte.

    "1.400 Euro überweist das Jobcenter jeden Monat." für eine 5köpfige Familie. Nichts, wovon 5 Erwachsene in Saus und Braus leben könnten, das ist richtig. Leider wieder nicht miterwähnt: die Kaltmiete zahlt Vati Staat. Also nochmal ca. 500 € (oder mehr?, je nach Region) oben drauf. 2.000 € netto- da muss mancher Alleinverdiener für seine Familie ganz schön werkeln.



    Aber das nur nebenbei. Mich stört am meisten, dass die Autorin kritiklos mehr Staats-Leistungen einfordert, anstatt den LehrerInnen und Bildungsträgern ordentlich die Leviten zu lesen, weshalb sie nicht in der Lage sind, digitale Angebote bereitzustellen, die auch digital bearbeitet und abgegeben werden können. Dafür reicht in der Regel ein 10"-Tablet (ein Fernseher als größerer Monitor existiert ohnehin in jedem Haushalt) und die Dinger gibts ab ca. 150 €. Es ist keineswegs so, dass in jedem "besser betuchten" Haushalt ein vollständiges Computer-Set mit Drucker und allem pipapo herumsteht (in manchen Häusern stapeln sich statt dessen die Tablets und Smartphones). Abgesehen von den teuren Verbrauchsmaterialien für Drucker ist es einfach ein Unding, digitales Lernen mit ausgedrucktem Papierkram zu verbinden! Hier offenbart sich die digitale Verschnarchsackung einer Eltern- und Verzwergung einer Kindergeneration. Und der Autorin fällt es nicht auf!

  • Den Kindern subventioniert Hardware hinzustellen um das digitale Lernen zu ermöglichen wird ja auch nicht funktionieren, sondern nur bis die ersten technischen Probleme auftauchen. Es bräuchte also auch eine entsprechende Service- und Supportinfrastruktur an den Schulen weil das Ganze sonst nach an paar Wochen zum Stillstand kommen wird. Effektiver Support durch die Schulen jedoch wird sich jedoch wohl nur mit standardisierter Hardware gewährleisten lassen. Den Kindern einfach für kleines Geld gebrauchte Ramsch-Rechner hinzustellen würde ledig die aktuelle Probleme durch andere ersetzen.

    • @Ingo Bernable:

      Hier zeigt sich halt die Verschnarchtheit der Bildungspolitik. Es wird Geld für Hardware zur Verfügung gestellt. Wartung und Software ist Sache der Schulen, Personal dafür kann nicht eingestellt werden.

      Anstatt erstmal eine Abteilung/Firma zu finanzieren, die aus dem riesigen Angebot an Open Source eine taugliche Plattformlösung für digital unterstütztes Lernen für die Schulen bereitstellt, versickert das Geld in Hardware, die schon in Kürze Ausfälle hat, die nicht repariert oder aufgerüstet wird und auf der irgendwelche kommerzielle Software läuft, bei der auf Kompatibilität zu einwandfrei funktionierenden, aber alten Geräten nicht geachtet wird.

      Das ist eine dermaßen amateurhafte Verschwendung von Ressourcen, dass man eigentlich nur noch mit dem Kopf auf die Tischplatte hauen kann.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Hm, warum versendet man die Aufgaben in Fällen, wo kein Computer vorhanden ist, nicht per Post? Ganz old school in Papierform?



    Lieber werden unnötig komplexe "Problemlösungen" diskutiert, die praktisch kaum weiterhelfen: Geldtöpfe bereitstellen, Gelder beantragen, auszahlen, PC und Drucker kaufen (wo? Beim bösen Amazon?), installieren, Email einrichten, usw usw.



    Und dann? Hurra Schule hat wieder geöffnet. Aufgaben leider unerledigt. So schnell ging das dann alles leider doch nicht.

  • Der Nachbar sagt wenig, ab hat auch Recht... das Land ist übervoll von brauchbaren Alt-PC's, die alle noch gut zu verwenden wären. Die Situation ist sicherlich prekär, wenn Schüler etwas lernen sollen und die dafür notwendigen Geräte fehlen. Jetzt aber wie wild neue PC’s für jeden Hartz4-Haushalt einkaufen, macht das Sinn? Und wenn die Verhältnisse so sind, wie beschrieben, was bringt dann ein 1000,-€ PC, wenn damit keiner umgehen kann? Gekauft, hingesetzt und los geht es? Dann vielleicht doch besser eine einfachen Tablet vom Apfelesser, da bekommt dann für den Preis des Aldi-PC’s fast jedes Kind einen. Es gibt Firmen, da müssen studierte Kollegen mit Rechnern arbeiten, die heutzutage wahrscheinlich gerade noch 100 € im Verkauf auf Ebay bringen würden, wenn die IT-Abteilung das Gerät für noch tauglich einstuft und ein aktuelles Betriebssystem darauf läuft. Sie bekommen heute einen guten gebrauchten Office-PC für den Preis eines Smartphones, weil die keiner mehr haben will (groß, laut, hässlich). Es ist meist teurer ein älteres Laptop neu aufzubauen, als ein billiges Neues zu kaufen. Die Krise bringt die alten Probleme auf den Tisch, vielleicht sollte man mal neu darüber nachdenken. Wie schafft man die Chancen für ein gerechtes Bildungssystem – wahrscheinlich nicht indem man jedem, der das bisher offensichtlich für vollkommen unnötig gehalten hat, einen teuren PC kauft.

    • @sagichdoch:

      Es muss ja kein teurer PC sein, aber einer mit dem man vernünftig arbeiten kann.

      Dass ein PC heutzutage für den Schulbesuch unverzichtbar ist, sollte unstrittig sein.

  • Portugal hat eine schöne Lösung gefunden. Der Unterricht wird bis zu den Sommerferien auf einem portugiesischem Fernsehkanal gegeben. Zum neuen Schuljahr werden Laptops für die SchülerInnen organisiert.

    Hier eine bildliche übersicht:



    www.publico.pt/202...ta-minutos-1911847

  • Wird Zeit für ein "Volks-Notebook" ab Klasse x für alle Schülerinnen und Schüler. Drucker sind überflüssig.

    Kostet Geld, sicher. Ist aber besser investiert als in goldene Nester: www.schwarzbuch.de...ndschule-gestohlen

    • @Alexander Stein:

      Hallo Namensvetter, ich stimme Ihnen zu: Schüler sollten lernen mit PCs umzugehen. Damals haben meine Eltern ca. 50 Mark oder € pro Halbjahr für Bücher zahlen müssen. Wenn man das gegenrechnet und Bücher digital hat, gibt's nen Nullsummenspiel.

    • @Alexander Stein:

      Ein guter Lenovo aus der Volksrepublik China?

      • @Rudolf Fissner:

        Nö,



        mir wäre ein europäisches Projekt lieber. Umweltverträglich und fair hergestellt.



        Wäre das nicht ein schönes Projekt für Studierende (Elektrotechnik, Physik, Informatik, Mathematiker, etc.)? Dazu ein paar Leute, die sich mit den Rohstoffen auskennen.



        Beim Design würde ich Dieter Rams ins Boot holen.

  • wurde schon registriert, dass das Angebot von solchen Geräten heftig ins Stocken geraten ist?



    www.spiegel.de/net...-8524-483313b7fa90



    www.crn.de/server-...stores.122022.html

    • @Rudolf Fissner:

      Ja, aber liegen in d bestimmt 10 mio gebrauchte, veraltete, aber internetfähige pc und Laptops herum.

      • @fly:

        Dann kannst du der betroffenen Familie sicher ein Gerät zur Verfügung stellen, ich bin mir sicher, die taz kann den Kontakt vermitteln.

      • @fly:

        Zweiten Link gelesen? "Notebooksbilliger schließt wegen Corona alle Stores"

  • Hallo Frau Lehmann, (und auch alle Leser,)



    ich habe einen Laptop den ich nicht brauche, wissen sie ob ich den (an eine Organisation z.B.) spenden kann?

    • @Herr Nachbar:

      Hallo Herr Nachbar,

      das ist möglich, hängt aber etwas davon ab, wo Sie wohnen.

      Es gibt verschiedene gemeinnützige Projekte in Deutschland, das es aber eine deutschlandweite Stelle für Privatpersonen gibt, es kommt ja auch immer darauf an, muss etwas repariert werden, Datenlöschung der Vorbesitzers nötig, einrichten des Rechners für den zukünftigen User, etc. wäre mir nicht bekannt.

      Für Unternehmen gibt es so etwas:



      pc-spende.das-macht-schule.net

      Hier einige mir bekannte Projekte für Privatpersonen:



      Computer Spende Hamburg e.V.



      Die gibt es auch in Städten in NRW, wie Köln oder Mühlheim.



      www.computerspendehamburg.de/home.html

      In Berlin:



      www.bsr.de/spenden...egwerfen-21204.php

      @ngestöpselt e.V. - Die Computerspende für Würzburg



      www.angestoepselt.de