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BND und NSA: Was wusste das Kanzleramt?

BND-AFFÄRE Der US-Geheimdienst NSA interessierte sich vor allem für Deutschlands Nachbarländer

BERLIN dpa/taz | Die Spionageaffäre um den BND und den US-Geheimdienst NSA bringt die Bundesregierung zunehmend in Erklärungsnot. Nach Berichten von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR nutzte die NSA die Abhörstation des Bundesnachrichtendienstes (BND) im bayerischen Bad Aibling zum Ausspähen hochrangiger Beamter des französischen Außenministeriums, des Präsidentenpalastes in Paris und der EU-Kommission in Brüssel. In Regierungskreisen wird der Affäre eine große politische Dimension zugemessen, personelle Konsequenzen werden nicht ausgeschlossen.

Die Affäre hat nun auch Generalbundesanwalt Harald Range auf den Plan gerufen. Die Bundesanwaltschaft habe einen entsprechenden Prüfvorgang eingeleitet, bestätigte ein Behördensprecher. Vor einer Woche waren erste Vorwürfe erhoben worden, wonach der BND der NSA über Jahre half, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die NSA lieferte dem BND demnach für die Überwachung des Datenverkehrs von Bad Aibling aus viele Suchmerkmale (Selektoren) – etwa Telefonnummern oder IP-Adressen – zu Zielen in Europa. Der BND informierte das Kanzleramt bereits vor Jahren über unzulässige Spähversuche der Amerikaner.

Der SZ zufolge geht es im Kern um die politische Ausspähung von europäischen Nachbarn und von EU-Institutionen. Deutsche Politiker seien nicht unter den Spähzielen, deutsche Unternehmen sollen ebenfalls kaum betroffen sein. Unter den Zielen aus der Wirtschaft soll der frühere EADS-Konzern – heute Airbus – gewesen sein. Airbus kündigte an, wegen des Verdachts der Industriespionage Anzeige zu erstatten. Der Spiegel und die BamS meldeten, der BND sei im August 2013 auf mehrere tausend Selektoren gestoßen, mit denen die NSA Mitarbeiter europäischer Regierungen habe ausforschen wollen – unter anderem in Österreich. Der BND soll die Begriffe daraufhin aus der aktiven Suche herausgenommen haben.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verlangte Aufklärung von Deutschland. Auch der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), zeigte sich irritiert. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, wäre dies ein gravierender und nicht hinnehmbarer Vorgang.

Das Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste will am kommenden Mittwoch über die Affäre beraten. WG

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