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Polizei muss Ärzte zu Flüchtlingen lassen

Verwaltungsgericht bestätigt: Freie Arztwahl gilt auch für Abschiebehäftlinge. Innenbehörde legt Berufung ein

Abschiebehäftlingen die Untersuchung durch einen Arzt ihres Vertrauens zu verweigern, ist unzulässig. Dies entschied am Mittwoch das Verwaltungsgericht Bremen. Ein gleichlautendes Urteil war bereits vor zwei Wochen ergangen. Dennoch hatte die Polizei einem niedergelassenen Psychologen den Zugang zu einem Abschiebehäftling verweigert. Statt dessen wurde er wie üblich nur von einem Polizeiarzt untersucht.

Im Fall eines kurdischen Flüchtlings entschied das Gericht: Hierfür „fehlt eine gesetzliche Grundlage“. Der Flüchtling habe „einen Anspruch darauf, dass einem Arzt oder Psychotherapeuten der Zutritt zu ihm gewährt wird“. Dem Mann war in der Vergangenheit „paranoide Schizophrenie“ diagnostiziert worden. Der ihn im Gewahrsam untersuchende Polizeiarzt war als Allgemeinmediziner für die Diagnose geistiger Erkrankungen unzureichend qualifiziert (taz berichtete). Nun muss die Polizei am heutigen Vormittag eine Untersuchung des Kurden durch einen von seinem Anwalt benannten türkischsprachigen Psychotherapeuten zulassen.

Bereits im Januar hatte die Bremer Rechtsanwältin Christine Graebsch einen identischen Gerichtsbeschluss erwirkt. Damals musste die Polizei zulassen, dass ein marokkanischer Bootsflüchtling im Abschiebegewahrsam von einem externen Psychiater untersucht wurde. Laut Graebsch hatte die Polizei nach Bekanntwerden des Urteils den des Lesens unkundigen Häftling bedrängt, eine Erklärung zu unterschreiben, in der er Graebsch das Mandat entzog.

Der Sprecher von Innensenator Willi Lemke (SPD), Rainer Gausepohl, kündigte an, dass die Behörde gegen beide Urteile Rechtsmittel beim Oberverwaltungsgericht einlegen werde. Dabei handele es sich „nicht um eine politische Entscheidung, sondern zunächst mal um eine abweichende Rechtsauffassung“, sagte Gausepohl. Man sei der Ansicht, dass vom „Polizeiarzt gewissenhaft und neutral koordiniert“ werde.

Der Anwalt des Kurden, Eberhard Schulz, nannte es „eine Schande“, dass die Bremer Polizei unter Innensenator Lemke „ein selbstverständliches Menschenrecht mit Füßen tritt“ und Flüchtlingen in Abschiebehaft die Untersuchung durch einen unabhängigen Arzt verweigere.

„Sollte das Oberverwaltungsgericht die Urteile bestätigen, muss der Erlass natürlich sofort geändert werden“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Björn Tschöpe. Christian Jakob

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