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Wohlfühlkoalition macht Urlaub

Hamburgs schwarz-grüne Regierung geht mit seltsam wirkender Leichtigkeit in die Sommerferien. Die großen Probleme sollen erst im Herbst gelöst werden: Haushalt, Moorburg und Schulpolitik

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Die großen Probleme sind am Horizont bereits zu ahnen, akut aber werden sie erst Anfang September. Und dann müssen sie zügig gelöst werden im Hamburger Rathaus, wenn die derzeit gute politische Stimmung nicht eine trügerische sommerliche Laune gewesen sein soll. Was kann der CDU-GAL-Senat bezahlen, was macht er mit dem Kohlekraftwerk Moorburg, und akzeptiert das christdemokratische Fußvolk die grüne Schulpolitik – von diesen drei Fragen wird die politische Zukunft in der Hansestadt entscheidend abhängen.

In die parlamentarische Sommerpause geht die Hamburger Politik mit einer Leichtigkeit, die so selten wirkt wie seltsam: Leichtigkeit geht da ausgerechnet von einer Koalition aus, die nicht wenige vor einem halben Jahr noch für unmöglich hielten. Oder der, nachdem sie vor 69 Tagen offiziell besiegelt worden ist, zahllose mannigfache Belastungs- oder Zerreißproben vorhergesagt wurden. Die Realität des schwarz-grünen Wohlfühlens aber scheint eine andere zu sein.

Es brodelt eher in der CDU

„Beide Seiten wollen, dass es hält“, versichern Vertreter beider Seiten und sind sich darin einig, keinen Wert auf namentliche Erwähnung zu legen. Mit Misstrauen dem politischen Partner gegenüber habe das nichts zu tun, wird stets versichert: „Aber wir sind alle noch recht vorsichtig miteinander“, sagt die eine. Niemand habe Interesse daran, „als Konfliktbündnis in die Ferien zu gehen“, sagt der andere.

Am ehesten wird in dieser Koalition zurzeit in der Union gezündelt: Dürftige 73 Prozent erhielt der CDU-Vorsitzende Michael Freytag bei seiner Wiederwahl auf dem Parteitag vor zwei Wochen. Das zeigt den weitverbreiteten Unmut an der Basis über den grünenfreundlichen Kurs, den Freytag und Bürgermeister Ole von Beust der CDU aufgenötigt haben.

Krisenherd Schulpolitik

In erster Linie entzündet sich dieser Unmut an der Bildungspolitik: Ohne Not habe die Union das Gymnasium geopfert, kritisieren manche in der Partei, wenn auch vorerst noch zumeist hinter vorgehaltener Hand. Und mit Argwohn beobachten diese Christdemokraten das Tempo, das die grüne Schulsenatorin Christa Goetsch vorlegt. Die Hauptschule wurde vorige Woche noch rasch beerdigt, mehr als 100 neue Lehrerstellen ließ sie sich bewilligen, und die zusätzlichen Mittel für ihr Ressort belaufen sich laut Koalitionsvertrag auf etwa 230 Millionen Euro.

Und wenn deshalb Freytag Ende Juni in einem Welt-Interview zu beruhigen versucht, das Schulressort gehöre der GAL keineswegs in dem Sinne, dass die nach Gutdünken verfahren können, antwortet Goetsch in der taz: Es bleibe dabei, nach der 6. Klasse entschieden nicht die Eltern, sondern die Lehrer, welches Kind das Gymnasium besuchen darf.

Natürlich ist das weit entfernt von einem ernsthaften Konflikt in der Koalition, allerdings hat wahrscheinlich am 24. Februar niemand die CDU gewählt in der Erwartung, dass diese das Gymnasium amputiert. Die Schulpolitik ist ein potenzieller Krisenherd für Schwarz-Grün.

Wer soll das bezahlen?

Davor aber steht eine zentrale Frage: Wer soll Schwarz-Grün bezahlen? Freytag, zugleich als Finanzsenator der Herr der Zahlen, hat in den vergangenen Monaten nahezu täglich auf die Solidität seiner Haushaltspolitik hingewiesen. Im Herbst 2007 hatten er und der Bürgermeister dem Wahlvolk versprochen, keine neue Schulden mehr zu machen. Und auch während und zum Abschluss der schwarz-grünen Verhandlungen wurden beide Seiten nicht müde zu betonen, dass an dem Kurs der Haushaltskonsolidierung festgehalten werde. Dumm nur, dass mal eben locker drei Milliarden fehlen, um über die vierjährige Legislaturperiode zu kommen.

Die Hälfte der Summe war bekannt, als CDU und GAL sich an den Konferenztisch setzten. Schon am ersten Tag musste Freytag einräumen, dass weitere beschlossene Ausgaben von 800 Millionen Euro nicht gedeckt seien, und noch mal das Gleiche sattelten die Koalitionäre drauf: 3,2 Milliarden verzweifelt gesucht.

Wenn die Koalitionsverhandlungen eines erbracht hätten, lästerte SPD-Fraktionschef Michael Neumann da, „dann den Beweis, dass die Schwarzen nicht mit Geld umgehen können und die Grünen schon mal gar nicht“.

Allerlei Haushaltstricks

Man dürfe keiner Bilanz trauen, die man nicht selbst gefälscht habe, weiß der Volksmund, und so greift denn auch dieser Senat zu allerlei Haushaltstricks am Rande der Legalität. Die Einnahmeausfälle der Hochschulen durch die künftig nachträglich zu zahlenden Studiengebühren kompensieren diese durch Kredite – im städtischen Haushalt tauchen diese neuen Schulden aber nicht auf. Für den Ausbau des Hafens, so die neueste Idee, werden Grundstücke von der Stadt auf die städtische Hamburg Port Authority überschrieben. So erhält die Hafenverwaltung Werte, die sie kreditwürdig macht – im städtischen Haushalt aber fehlt auch diese versteckte Schuldenmacherei.

Für das grüne Prestigeprojekt Stadtbahn zeichnet sich auch schon eine finanzielle Lösung ab: Ein Zuschuss vom Bund für das 40 Kilometer lange Netz ist bereist eingebucht, zudem fand sich „ein deutlich zweistelliger Millionenbetrag“ in einem vergessenen Restposten der Stadtentwicklungsbehörde („Planung U 4 Bramfeld“). Und außerdem müsse halt der Betreiber, die Hochbahn, auch was dazugeben – natürlich nach dem gleichen Verfahren wie bei Studiengebühren und Hafenausbau. Und damit wiederum jenseits des offiziellen Hamburger Etats.

Letztlich liege „das ungeklärte Finanzvolumen deutlich unter einer Milliarde Euro“, heißt es inzwischen aus Senatskreisen. Und ein Regierungsmitglied hält es sogar tatsächlich für möglich, „dass alles, was wir uns vorgenommen haben, ohne qualitative Einschnitte zu bezahlen sein wird“.

Relative Geräuschlosigkeit

Wenn also Anfang September der Senat offiziell mit den Beratungen über den Doppelhaushalt der Jahre 2009 / 2010 beginnt, „sind die groben Linien bereits abgesteckt“, sagt jemand, der es aus beruflichen Gründen wissen müsste. Dann werde es sicher „noch ein bisschen Gezerre geben“ – aber in den einzelnen Behörden, nicht mehr zwischen den Ressorts. Wenn dem so wäre, könnte die beabsichtigte relativ geräuschlose Haushaltsplanung am Ende gelingen.

Und wenn der Koalition aus Christdemokraten und Grünen nicht doch noch im Herbst die Schulpolitik oder das Problemkraftwerk im Stadtteil Moorburg um die Ohren fliegt, wird in sieben Monaten die Bilanz des ersten Jahres der ersten schwarz-grünen Landesregierung in Deutschland zu ziehen sein. Und danach wird sie sich über Mindestlohn und Atomausstieg fetzen – vor der Europawahl im Juni und der Bundestagswahl im September.

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