: Noch saß der Ajatollah in Paris
Nach 14 Jahren Exil fliegt Bahman Nirumand am 3. Januar 1979 nach Teheran, um sich der Revolution im Iran anzuschließen. „Der Schah ist am Ende. Unser Sieg steht bevor“, sagt er nach der Landung zu Journalisten. Ein bitterer Irrtum
Islamische Revolution bezeichnet eine politische Systemtransformation hin zu einem islamischen Staat. Ziel einer Islamischen Revolution sind die Errichtung eines „Gottesstaates“, in dem islamische Geistliche auch die weltliche Macht haben, sowie der Revolutionsexport in andere islamische Länder. „Schleichende Islamisierungen“ sind in vielen islamischen Staaten zu beobachten. Die Islamische Revolution im Iran meint die Absetzung von Schah Mohammed Reza Pahlevi im Jahre 1979. Die autoritäre Herrschaft des Schahs wurde von einer revolutionären Massenbewegung beendet. Symbolfigur für die Revolution war der Ajatollah Chomeini. Der Schah war 1953 mit Hilfe der Geheimdienste der USA und Englands (zurück) an die Macht gekommen. Dafür stürzten die USA den am 28. April 1951 demokratisch zum Ministerpräsidenten gewählten Mohammed Mossadegh. Ein Grund: Mossadegh hatte die iranische Ölwirtschaft verstaatlicht. Die 68er Revolution: Der Staatsbesuch des Schahs in Berlin am 2. Juni 1967 führte zu Großprotesten. Dabei wurde der Student Benno Ohnesorg vom Polizisten Kurras erschossen. Das dynamisierte die Studentenbewegung, führte zu 1968, zur Radikalisierung der Bewegung und je nach Sichtweise noch zu manch anderem.
Das Warten kam mir unendlich lang vor. Die Revolution bewegte sich auf ihren Höhepunkt zu und ich wollte dabei sein, wollte die letzten Wochen miterleben. Doch der Teheraner Flughafen war wegen des verhängten Ausnahmezustands gesperrt. Zum Glück gelang es einigen ausländischen Botschaften, die Landeerlaubnis für wenige Maschinen zur Evakuierung von Ausländern einzuholen. Mit einer dieser Maschinen durfte ich nach Teheran fliegen. Es war der 3. Januar 1979. Kurz vor dem Abflug baten mich die dort versammelten Journalisten um ein Statement. In revolutionärer Manier sagte ich, das Schah-Regime sei am Ende und unser Sieg stehe unmittelbar bevor – eine ziemlich verwegene Äußerung! Millionen bärtige Männer und schwarz verschleierte Frauen säumten mit gestreckten Armen und geballten Fäusten die Straßen des Landes, bereit für Ajatollah Chomeini zu sterben, und ich redete von unserem Sieg. Unser Ziel war von dem Chomeinis Lichtjahre entfernt. Wir Linken wollten einen demokratischen Sozialismus, Chomeini einen islamischen Gottesstaat.
Noch saß der Ajatollah in Paris. Saddam Hussein hatte ihn auf Wunsch des Schahs aus der heiligen Stadt Nadschaf, wo er fast zwei Jahrzehnte lang in Verbannung lebte, ausgewiesen, Kuwait hatte ihm die Einreise verweigert. So hatte sich der Gottesmann mit Widerwillen nach Paris begeben, in eine Stadt, die aus der Sicht der konservativen Muslime als Zentrum der Sünde und der Dekadenz galt. Was für ein Zufall! Hätte der Schah die Folgen erahnt, er hätte um nichts in der Welt die Bitte an Saddam gerichtet. Es ist schon erstaunlich, was für eine Rolle Zufälle in der Geschichte spielen!
Dieser islamische Würdenträger, der einsam und verlassen die langen Jahre im Exil im stillen Kämmerlein mit sich und seinem Gott allein verbracht hatte, dieser grimmige Greis, der den lieben langen Tag Gebete vor sich hin murmelte, selten Besuche empfing, fast nie das Haus verließ, stand nun mit einem Schlag im grellen Licht der Fernsehkameras, um ihn Journalisten aus aller Welt und einige Hundert angereiste Anhänger. Nahezu achtzigjährig, fühlte sich der Greis auf der politischen Bühne wie neugeboren.
Es war eine Sensation. Keine Werbeagentur der Welt hätte die Propagandakulisse für den Gottesmann besser inszenieren können. Unter einem Apfelbaum im Garten eines Hauses in Neauphle-le-Château saß er mit langem weißen Bart, einem schwarzen Turban und einem weiten Umhang um die Schultern auf einem Perserteppich. Vor ihm knieten Hunderte seiner Jünger. Er schaute über die Köpfe der Menge hinweg und verkündete mit ausgestrecktem Zeigefinger den Willen Gottes. Was er forderte, war nichts Geringeres als die Kapitulation der größten Militärmacht des Nahen und Mittleren Ostens und den Sturz einer zweieinhalbtausend Jahre alten Monarchie. Dem Volk versprach er für die Zeit danach den Himmel auf Erden.
Endlich saß ich im Flugzeug. Die Maschine war bis auf den letzten Platz mit Oppositionellen besetzt, alle erfüllt vom Glück über die Erfolge des Volksaufstands. Wir sangen Revolutionslieder und riefen nach jedem Lied: Marg bar Schah, Tod dem Schah. Noch war der Sieg nicht sicher, noch saß der Schah in Teheran und Chomeini in Paris. Wird es nicht zu einem Militärputsch kommen, fragten wir uns. Wie werden sich die USA verhalten? Werden sie einen Sieg der Revolution im größten Land im Nahen und Mittleren Osten dulden?
Für die USA galt Iran als sicherster Hafen am Persischen Golf. Noch am 31. Dezember 1977 – das heißt vierzehn Monate vor dem Sturz des Schah-Regimes – erhob Präsident Jimmy Carter, der die Silvesternacht als Gast Seiner Majestät in Teheran verbrachte, sein Glas und rief in voller Begeisterung: „Wir befinden uns hier auf einer schönen und ruhigen Insel inmitten eines stürmischen Ozeans.“ Und gewandt an den Schah erklärte er: „Wir kennen in der ganzen Welt kein Land, das uns so nahe steht, und keinen Führer, dem wir solch ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit und Freundschaft entgegenbringen.“
1953 hatten die USA im Iran gegen die demokratische Regierung unter Mohammed Mossadegh geputscht, den nach Rom geflohenen Schah ins Land zurückgeholt und seine Armee und seinen Geheimdienst mit modernsten Waffen ausgerüstet. Fortan durfte Iran im Auftrag der Vereinigten Staaten die Rolle des Gendarmen am Golf spielen. Seit dem CIA-Putsch geschah im Iran nichts ohne die Zustimmung der USA, die mit Tausenden von Beratern an den Schaltstellen der Macht saßen. Würden sie diesen sicheren Hafen, von dem aus sie die gesamten Energiequellen am Persischen Golf unter ihre Kontrolle gebracht hatten, aus der Hand geben?
Dabei war der Volksaufstand im Iran, der bereits seit 1977 begonnen hatte und von Woche zu Woche an Heftigkeit zunahm, nicht das einzige Sorgenkind der Amerikaner. Im Nachbarland Afghanistan hatte im April 1978 die Linke die Macht übernommen. Was Washington dagegen unternahm, sollte sich später als fataler Fehler mit verheerenden Folgen erweisen. Es wurde beschlossen, die islamischen Glaubenskrieger, die gegen die linke Regierung kämpften, finanziell und militärisch zu unterstützen und damit der Sowjetunion eine Falle zu stellen. Der Kampf sollte so weit zugespitzt werden, dass der UdSSR kein anderer Ausweg blieb, als die befreundete Regierung in Kabul zu unterstützen.
Als die sowjetischen Truppen tatsächlich am 26. Dezember die afghanische Grenze überquerten, schrieb der damalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski an Präsident Jimmy Carter: „Jetzt haben wir die Gelegenheit, der UdSSR ihr Vietnam zu bereiten.“ Der Plan, die islamischen Mudschaheddin zu unterstützen, wurde zum System. Gemeinsam mit Saudi-Arabien und Pakistan mobilisierten die USA aus allen islamischen Ländern Zehntausende islamistische Gotteskrieger zur Teilnahme am heiligen Krieg in Afghanistan. Waffen und Ausrüstung für zig Milliarden wurden gemeinsam mit Saudi-Arabien finanziert. So – und nur so – konnte Afghanistan zur Brutstätte des islamistischen Terrorismus werden. Hier konnten die Taliban mit amerikanischen Waffen ihre Macht und Basis erweitern und all die Bin Ladens und Scheich Omars ihre Terrornetzwerke aufbauen.
Es war eine absurde Situation: Während die USA in Afghanistan eine Machtübernahme der Islamisten massiv forcierten, überlegte man in Washington, wie man im Nachbarstaat Iran die Schah-Diktatur retten und eine islamische Republik verhindern könnte. Aber dort war der Zug längst abgefahren. Ende 1978 konnte man im Iran kaum noch jemanden treffen, der sich für den Schah und gegen die Revolution eingesetzt hätte. Selbst die allmächtig scheinende Armee zerfiel bald wie ein Kartenhaus.
Der Pilot kündigte an, dass wir die iranische Grenze überflogen. Ein Jubelruf ging durch die ganze Maschine: „Marg bar Schah“. In den letzten Minuten vor der Landung konnte ich mich vor Aufregung kaum halten. Ein kurzer Blick auf Teheran, und die Maschine setzte auf dem Rollfeld auf. Nach vierzehn Jahren Exil betrat ich wieder iranischen Boden. Der Himmel war wolkenlos, die Nachmittagssonne warf ihren Schein auf den glitzernden Schnee. Man sah, dass der Flughafen nicht richtig in Betrieb war. Nur eine einzige Landebahn war vom Schnee freigeschaufelt.
In den ersten Tagen nach meiner Rückkehr versuchte ich mich mit meiner Geburtsstadt, die mir inzwischen gänzlich fremd geworden war, wieder vertraut zu machen. Teheran hatte sich unendlich weit vergrößert. Im Norden standen ohne Ordnung und Plan Hochhäuser und Villen in französischem, deutschem, italienischem, sogar japanischem Baustil.
Eine kulturlose Verschwendungssucht hatte sich hier breitgemacht. Im Gegensatz zum südlichen Teil der Stadt, wo kaum eine Änderung zu sehen war, als sei hier die Geschichte seit hundert Jahren stehengeblieben. Neu waren nur die unzähligen Slumbewohner, die teilweise in Löchern hausten. Das Teheraner Stadtbild spiegelte den wahren Charakter des Schah-Regimes wider: Eine aus dem Westen importierte, plan- und wahllos zusammengebastelte Fassade verdeckte die darunterliegende stagnierende Gesellschaft.
Ein Aufprall der beiden Welten war unvermeidlich. Er begann mit Protestdemonstrationen in der Hauptstadt, die sich rasch über das ganze Land ausweiteten. Der Volksaufstand weckte lange schlummernde Hoffnungen. Mit Ausnahme einer kleinen Minderheit sah jeder in der Revolution die Verwirklichung seiner Wünsche und Bedürfnisse. Gerade in den Wochen und Monaten, in denen der Schah seine Macht verloren und die neue Macht noch nicht die Zügel in die Hand genommen hatte, fühlte sich das Volk so glücklich wie noch nie.
Für mich waren die ersten Tage wie ein Traum. Den ersten Schock erlebte ich dann auf der ersten Demonstration, an der ich teilnahm. Der Demonstrationszug hatte eine Länge von mehreren Kilometern. Eine solche Ansammlung von Menschen hatte ich noch nie gesehen. Was mir zunächst auffiel, waren die getrennten Frauen- und Männerblöcke und die unzähligen Bilder von Chomeini und anderen bärtigen, turbantragenden Männern, deren Namen ich zum Teil nie gehört hatte.
„Unabhängigkeit, Freiheit, Islamische Republik“, skandierten die Massen. Was unter Islamischer Republik zu verstehen war, wusste vermutlich niemand. Meine Freunde und ich bildeten einen eigenen linken Block. Wir hatten Bilder von Mossadegh und riefen „Unabhängigkeit, Freiheit, Republik“. Doch bald wurden wir von einer Menge mit Ketten bewaffneter junger Männer, die sich Hisbollah (Parteigänger Gottes) nannten, angegriffen. Die Bilder von Mossadegh wurden zerrissen und wir wurden auseinandergetrieben.
Was für Zeiten stehen uns bevor, wenn wir nicht einmal an Mossadegh erinnern dürfen, fragte ich mich.
Historisch betrachtet, hätte nach dem Sturz des Schahs der von Mossadegh begonnene Weg fortgesetzt werden müssen. Aber die Islamisten machten der Geschichte einen Strich durch die Rechnung. Sie wollten, wie Chomeini nach seiner triumphalen Rückkehr im Februar verkündete, keine demokratische oder sozialistische oder liberale, sondern eine Islamische Republik. Und er und seine Anhänger hatten tatsächlich die Kraft, dieses Ziel durchzusetzen. Wie war es möglich, dass wir Linke, aber auch andere, diese ungeheure Kraft nicht sahen, die unter der vom Schah-Regime modernisierten Fassade schlummerte?
Doch noch war nichts entschieden. Als meine Freunde und ich unter Berufung auf Mossadegh zwei Wochen nach Chomeinis Rückkehr zur Teilnahme an der Gründungsversammlung der Nationaldemokratischen Front, der ersten großen Organisation, die sich gegen die neuen Machthaber stellte, aufriefen, erschienen mehr als eine Million Menschen. Noch Monate nach dem Sturz des Schahs stand Iran am Scheideweg. Erst der Angriff irakischer Streitkräfte auf den Iran brachte die Entscheidung. Es war der zweite große Fehler der USA und des Westens in der Region. Sie hatten den Diktator Saddam Hussein bis an die Zähne bewaffnet und zum Angriff auf den Iran ermuntert.
Irak sollte den Sturz der neuen Macht in Teheran herbeiführen und außerdem die Lücke füllen, die Iran als Gendarm am Persischen Golf hinterlassen hatte. Was für ein fataler Fehler! Mit Recht nannte Chomeini den Angriff „ein Geschenk des Himmels“. Denn der Krieg, der acht Jahre lang dauerte und auf beiden Seiten eine Million Opfer forderte, machte alle Hoffnungen der Demokraten und Liberalen zunichte. Nun konnten die Islamisten Millionen für die „Verteidigung des Vaterlands und des Islam“ mobilisieren und jede Opposition als Kollaboration mit dem Feind liquidieren. Die Märtyrerideologie kam voll zum Zug.
Der Krieg wurde als heiliger Krieg deklariert. Eine gigantische Gewaltmaschine setzte sich in Bewegung, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Mit Leichtigkeit konnten nun nach Belieben demokratische Freiheiten eingeschränkt, die islamische Gesetzgebung durchgesetzt und Frauen zur Hinnahme der Kleidungsvorschriften und Männerdominanz in Familie und Gesellschaft gezwungen werden. Massenhinrichtungen trieben Oppositionelle in den Untergrund. Unsere Organisation war die erste größere, die verboten wurde. Auch ich musste mich verstecken und tarnen. Anderthalb Jahre lang lebte ich im Untergrund. Doch es wurde immer enger und die Gefahr rückte immer näher. Drei Jahre nach der Rückkehr musste ich wieder ins Exil, zunächst nach Frankreich, dann nach Deutschland. Ähnlich erging es Hunderttausenden. Innerhalb weniger Jahre verließen mehr als drei Millionen das Land. Die Enttäuschung war ungeheuer groß, wir benötigten Jahre, um die Niederlage zu verarbeiten.
Chomeini zögerte lange, bis er seine Zustimmung zum Waffenstillstand erteilte. Für ihn war das Ja zur Einstellung der Kampfhandlungen nach eigenen Angaben wie ein „Gifttrunk“.
Wenige Monate danach starb er und ebnete damit den Weg für eine neue Epoche. Viele Menschen, die mit voller Überzeugung die Revolution mitgemacht hatten und in der ersten Phase mitmarschiert waren – darunter übrigens auch die Moskau-orientierte Linke –, betrachteten den Trümmerhaufen, den Chomeini hinterlassen hatte, und fragten sich, ob dies das Ziel gewesen sei, für das sie unter Einsatz ihres Lebens gekämpft hatten. Aus dieser Fragestellung und dem Zweifel entstanden die neue Reformbewegung und eine Zivilgesellschaft, die sich rasch verbreitete. An deren Spitze standen die Frauen, die mit ungeheurem Mut ihre Rechte forderten.
Wäre die iranische Gesellschaft mit den Machthabern allein gelassen worden und hätten die USA und Europa sich mit der Unterstützung der Zivilgesellschaft begnügt, sähe der Iran heute ganz anderes aus. Als 1997 bei den Präsidentschaftswahlen 25 Millionen für den Reformer Mohammed Chatami stimmten, war dieses Votum in erster Linie ein eindeutiges Nein gegen das Regime. Aber es kamen der Atomkonflikt, der Krieg gegen Afghanistan und den Irak, der Libanonkrieg und die Sanktionen und permanenten Kriegsdrohungen gegen den Iran. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina verschärfte sich und die Aussicht auf einen palästinensischen Staat wurde immer geringer. Was Besseres hätten sich die Radikalislamisten im Iran und anderswo und die Terroristen auf der ganzen Welt nicht wünschen können. Für alle diese Gruppen und Strömungen sind Konflikte, Krisen und Kriege wie Wasser für Fische. Gäbe es sie nicht, würde kaum ein Hahn nach ihnen krähen. Ihre Ideologie kann nur auf den Flammen von Hass und Wut gekocht werden. Die USA und auch Israel schürten und schüren durch ihre aggressive Politik immer wieder das Feuer. Beide Staaten sind in der Region so verhasst wie noch nie in der Geschichte.
Nicht zuletzt dank der Politik der USA und in ihrem Gefolge der EU haben im Iran die Radikalislamisten wieder das Ruder in die Hand genommen. Iran ist heute zu einer regionalen Großmacht geworden mit großem Einfluss in Afghanistan, im Irak, in Libanon, Palästina und den Golfstaaten. Die Taliban sind wieder im Vormarsch, die Terrornetze können weltweit operieren. Die Agitatoren haben es leicht. Sie brauchen nur auf das Schicksal Afghanistans und des Irak, auf Guantánamo und Abu Ghraib, auf die eingesperrten und Hungernden im Gazastreifen oder auf die Zehntausende Streubomben, die auf Libanon abgeworfen wurden, hinzuweisen, um Abermillionen für ihre rückwärtsgerichtete Ideologie zu mobilisieren oder junge Männer zu ermuntern, im Namen Gottes Selbstmordattentate auszuüben. Nun sind es fast zwanzig Jahre, die ich schon wieder im Exil verbringe. Der Kampf für Freiheit und Demokratie im Iran und in der Region ist nicht leichter geworden. Wir haben große Fehler begangen, haben zwar den Charakter des Schah-Regimes richtig erkannt, nicht aber die iranische Gesellschaft, sonst hätten wir die Kraft des Islam nicht übersehen können. Die Erfahrungen der Revolution und der zwei Jahrzehnte danach, so unerträglich sie waren und sind, waren nicht nur für uns, sondern auch für die Menschen im Iran enorm wichtig für einen differenzierteren Blick.
Es ist wichtig zu wissen, dass die Außenmächte, allen voran die USA, den heutigen Zustand in der Region mitverschuldet haben, es ist aber auch wichtig zu wissen, dass die rückständigen Ideologien und Kräfte ein Produkt unserer Gesellschaften sind und dass wir ohne eine grundlegende Auseinandersetzung mit unserer Geschichte, Kultur und Religion den Weg in die Freiheit und Demokratie nicht finden können.
Die Demokratie muss aus den Gesellschaften selbst heraus geboren werden. Man wird sie niemals durch Bomben und Gewalt von außen erzwingen können. Dies scheint die inzwischen weit verbreitete iranische Zivilgesellschaft erkannt zu haben. Auf sie richtet sich meine ganze Hoffnung.
BAHMAN NIRUMAND (* 18. September 1936 in Teheran) dynamisierte mit seinem Buch „Persien, Modell eines Entwicklungslandes“ die europäische 68er-Bewegung. Flüchtete 1965 vor dem Schah aus dem Iran und musste 1982 erneut ins Exil.
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