: Diskriminierung – nein danke !
Die rot-grüne Regierung will Diskriminierung per Gesetz verbieten. In Wirklichkeit fördert sie damit nur Mobbing und Intriganz – und stellt vor allem Männer schlechter
VON BETTINA RÖHL
Sind Sie Frau? Unbedingt bleiben. Haben Sie eine andere Rasse? Besser geht‘s gar nicht. Besitzen Sie eine ethnische Herkunft? Fein. Haben Sie eine Religion zur Hand? Wenn nein, machen Sie sich eine. Eine Weltanschauung werden sie sicher irgendwo auftreiben. Nennen sie eine Behinderung Ihr Eigen – das wäre sehr günstig. Irgendein Alter ist gewiss Ihres – im Zweifel darauf achten, dass Sie möglichst alt oder möglichst jung sind! Hetero? Eher weniger gut. Packen Sie es irgendwie, mehrere der vorstehenden, so genannten Merkmale auf sich zu vereinen, dann wird ihre Zukunft rosig sein und Sie sind auf der Überholspur. Sind Sie Mann? Dann hatten Sie Ihre Chancen in den letzten 20.000 Jahren. Die Zukunft für Sie? Grau, anthrazit, schwarz. Das dümmste, was einem zurzeit passieren kann, ist ein männlicher „Normalo“ zwischen 25 und 55 Jahren zu sein.
Was soll das alles? Es soll Gesetz werden. Und zwar in Gestalt eines Gesamtkunstwerks mit dem Namen Antidiskriminierungsgesetz (ADG) unter Art. 1 und Soldatenantidiskriminierungsgesetz (SADG) unter Art. 2, das Rot-Grün noch in diesem April durchpeitschen will gegen den Widerstand von Wolfgang Clement, Otto Schily, Peer Steinbrück, Matthias Platzeck und gegen die Opposition. Die Nomenklatura der Gewerkschaften ist für das Gesetz, die Arbeitgeber und die Wirtschaftsverbände sind dagegen. Und natürlich muss man unterstellen, dass die Gender-Mainstreamer, also diejenigen, die im Bundesfrauenministerium am rot-grünen Kabinettstisch bereits die Endstufe des Geschlechterkampfs systematisch implementieren, das ADG unterstützen. Über Selbiges nur müde lächelnd, planen sie die baldige Substituierung des biologischen Geschlechts durch das sozial-kulturelle Geschlecht, was immer das ist, womit sich die Frage von Geschlechterdiskriminierung bald nicht mehr stellen würde.
Das ADG kommt als Gesetz daher, das Diskriminierung verhindern soll. Dieser im Kern richtige und gute Gedanke, der bereits in vielen Gesetzen ausgestaltet und auch im Grundgesetz Art. 3 verankert ist, könnte jedoch, sieht man sich das konkrete Regelwerk genauer an, in das Gegenteil dessen kippen, was es bewirken soll. Das Gesetz droht nicht nur der Wirtschaft zu schaden, sondern birgt auch die Gefahr neuer Diskriminierung.
Statt sich in modernen Zeiten von der alten aussterbenden Rollenverteilung endgültig zu trennen und die bereits existierende Gleichberechtigung in den jungen Generationen zu nutzen und ein Klima zu schaffen, in dem Männer und Frauen nach ihrer individuellen Entscheidung und ihrer Lust einfach menschlich zusammenleben und arbeiten können, ist mit dem ADG Streit gesetzlich quasi vorprogrammiert: Mobbt euch! Jeder gegen jeden (auch Frau gegen Frau), prozessiert, was das Zeug hält – ein bisschen Schadenersatz lässt sich da immer vor Gericht rausschlagen! Stampft eine wahre Antidiskriminierungsindustrie aus dem Boden! Beobachtet! Denunziert! Gründet die im Gesetz vorgesehenen Antidiskriminierungsvereine! Bekämpft euren Arbeitgeber, eure Arbeitskollegen, euren Vermieter, eure Versicherung, euren Supermarkt – ihr tut es im Namen der Gerechtigkeit, der Antidiskriminierung. Und das Ganze kostet die Volkswirtschaft laut Rot-Grün nur gut 5 Millionen Euro im Jahr, macht uns alle glücklich und schafft das beste Klima in diesem Lande. Ob dies stimmt – ob der ganze Spaß die Volkswirtschaft nicht in Wahrheit vielleicht 500 Millionen oder 5 Milliarden Euro jährlich kostet – man wird es sehen.
Das Problem an dem neuen Gesetz: Es begünstigt die Intriganzgene und fordert zum Missbrauch durch Mobber regelrecht auf. Es reicht, wenn einer nur bloß über einen ihm nicht genehmen Kollegen sagt: Er hat mich sexistisch fixiert. Dies muss er nicht beweisen, sondern nur tatsächlich plausibilisieren. Und der Clou: Der mögliche Streitstifter tritt seinen Schadenersatzanspruch an die professionellen Ehrenamtlichen ab, die die Sache dann als Schutzverein, auf derartige Fälle spezialisiert, bei seinem Betrieb eintreiben können, und derjenige, der möglicherweise einfach nur mobben wollte, behält in diesem vergifteten Klima dann auch noch seinen Posten. Die Gefahr, dass das ADG den Spieß regelmäßig umdreht und zum Handwerkszeug von Diskriminierung Unschuldiger wird, ist unkontrollierbar groß.
Wer sich Historie und den Wachstumsprozess des ADG anschaut, kommt kaum umhin festzustellen, dass es im Wesentlichen ein Frauenförderungsgesetz sein soll und Männer benachteiligt werden. Frauen werden gleich den anderen im Gesetz genannten Gruppen wie eine diskriminierte Minderheit behandelt. Dabei entsteht der etwas makabere Eindruck, dass beispielsweise die Behinderten nur notgedrungen in dem Gesetz mitgeschleppt werden. Ausgerechnet in der aktuellen Initialphase des ADG sehen dessen Macher seelenruhig zu, wie in einigen Bundesländern, vorneweg Niedersachsen, das aus kapitalistischen Zeiten stammende Blindengeld radikal gekürzt wird, und dies, obwohl es für die Betroffenen überhaupt erst deren Wettbewerbsfähigkeit im Berufs- und Alltagsleben hergestellt hat. Wenn jetzt dieser oder jener tönt, dass das ADG besonders für die Behinderten notwendig sei, so wirkt dies vor dem realen Hintergrund heuchlerisch und zynisch.
In einem anderen Punkt werden die sonst begünstigten Frauen sinnwidrig benachteiligt: Weshalb soll die Schwangerschaft, die Vater und Mutter gleichermaßen angeht, auch zukünftig nur Versicherungstarife der Frauen belasten dürfen? Und wie sieht es mit der „Hackordnung“, den Konkurrenzen der Merkmale, aus? Wenn sich eine Homofrau und ein gleich qualifizierter behinderter Mann bewerben. Wer bekommt die Stelle?
Grundsätzlich kommt das ADG ein bisschen als Unterstellungsgesetz daher, das viel mehr Diskriminierung von Frauen in Deutschland postuliert, als es überhaupt geben kann. Und dies obwohl zum Beispiel inzwischen belegt ist, dass Jungs in den allgemeinbildenden Schulen zunehmend ins Hintertreffen geraten. Die umgekehrte Frage, welche möglichen geschlechtsbedingten Benachteiligungen für Männer bestehen könnten, wird in dem Gesetz zwar abstrakt offen gehalten, aber tatsächlich negiert. Die absoluten Drecksarbeiten und die lebensgefährlichen Aufgaben und Berufe sollen wohl, wie gehabt, bei den Männern bleiben – über derartig Unangenehmes spricht man eben vornehm in einem edlen Gesetz gar nicht erst. Stattdessen ist überall nur die Rede von den der Zahl nach geringen Führungspositionen, die die Frauen erobern sollen. Das sollen sie ja auch. Fraglich ist nur, ob dafür das ADG geeignet ist. Warum muss sich in Deutschland eigentlich der Staat, der doch zur Zeit an allen Ecken und Enden reduziert werden soll, immer in alles einmischen und nun auch noch zwischen Mann und Frau stellen und den Mann in Wahrheit nun gesetzlich unter Generalverdacht nehmen.
Der Kanzler (selber kein besonderer Freund des ADG) diszipliniert schon mal seine Abweichler, er geht davon aus, dass seine Bundestagsmehrheit das zweifelhafte Gesetz verabschiedet und möchte keinen Zweidrittelblock im Bundesrat gegen das ADG einfangen. Der Kanzler könnte einem Irrtum aufsitzen:
Art. 12a GG beschränkt die Grundrechte, allerdings allein die der Männer in Gestalt deren Wehrpflicht zwischen dem 19. und dem 59. Lebensjahr. Dieser uralte, geschlechtsspezifische Nachteil (der Männer), ist eigentlich eines der so genannten Merkmale von Diskriminierung, die das ADG vorgibt, gerade abschaffen zu wollen. Eine Abschaffung der Wehrpflicht oder eine gleich verpflichtende Einführung des Wehrdienstes für Frauen ist jedoch nicht vorgesehen. Das SADG (das ein Teil des im Wortlaut weitestgehend identischen ADG ist) schafft die geschlechtsdiskriminierende Wehrpflicht für Männer nicht ab, sondern geht ausdrücklich von deren Fortbestand aus. Tatsächlich produziert das SADG damit einen schwer wiegenden Widerspruch in sich selbst, in dem es wortlos diesen augenfälligen Tatbestand als bedeutungslos, hinnehmbar oder nicht erkannt behandelt, respektive die erkannte Benachteiligung der Männer wissentlich wegdekretiert. Sind Männer nicht diskriminierbar?
Will das SADG in Wahrheit klammheimlich doch die Wehrpflicht der Männer abschaffen, wäre es verfassungswidrig. Will es nicht in die Verfassung eingreifen und die Wehrpflicht nicht abschaffen, kann es kein gerechtes und billiges Antidiskriminierungsgesetz sein und wäre aus diesem Grunde ebenfalls nicht verfassungskonform. Es kann nicht hinnehmbar sein, dass den Wehrpflichtigen eine Grundrechtseinschränkung zugemutet wird, die ihnen als Sonderbelastung nicht anerkannt wird. Man bedenke, dass es sich bei der Bundeswehr um eine gemeinwohlverpflichtete Aufgabenerfüllung handelt, die mit Entbehrungen und dem Risiko des Todes behaftet ist. Der Anwendungsbereich des gesamten SADG bliebe im Wesentlichen beschränkt auf die Sanitäterinnen und Musikerinnen, also auf die einzig zugelassenen Soldatinnen, die vor allem vor sexuellen Belästigungen oder Benachteiligung gegenüber männlichen Sanitätern und Musikern geschützt werden sollen. Ein ganzes Soldaten-ADG extra für die Kleinstminderheit von Soldatinnen – abstrakt formuliert, damit diese Absurdität nicht auffällt – dürfte wohl eine ziemliche Kuriosität sein.
Der Anspruch des allgemeinen ADG, die Frauen in ausnahmslos alle Lebensbereiche hinein in eine absolute Parität zu bringen und damit mögliche, geschlechtsspezifische, unterschiedliche Neigungen zu ignorieren, lässt sich angesichts der grundgesetzlich normierten Wehrpflicht für Männer nicht durchsetzen. Damit wird man im Zweifel wohl nach allgemeinen Grundsätzen sagen müssen, dass die Nichtigkeit eines wesentlichen Teils (SADG) des besagten Gesamtkunstwerks die Nichtigkeit des Ganzen (ADG) zur Folge hätte, mit der Wirkung, dass nur eine Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Parlaments das Machwerk als Verfassungsänderung beschließen könnte. Allein das würde auch der Sache gerecht. Es handelt sich bei dem Antidiskriminierungsgesetz nicht um irgendeine an- und abschaltbare Norm, sondern um eine Regelungsmaterie von Verfassungsrang. Am besten wäre natürlich, man schaffte alle Armeen dieser Welt ab. Dann hätte man die Crux, wie Männer und Frauen auf dem Schlachtfeld miteinander umzugehen haben, nicht mehr zu regeln.
Auch diese Frage muss angesprochen werden: Hat Rot-Grün jede Sensibilität dafür verloren, dass Hartz IV im Angesicht der immensen Reichtumsvermehrung weniger Diskriminierung der Arbeitslosen sein kann? Wie sieht es also mit der sozialen Diskriminierung aus. Müsste die nicht im Vordergrund stehen? Hierzu schweigt das ADG.
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