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Antisemitismus-ResolutionAutoritäre Zeitenwende statt Antisemitismus-Bekämpfung

Baha Kirlidokme
Kommentar von Baha Kirlidokme

Die nun ehemalige Ampel, Union und AfD stimmten für die Antisemitismus-Resolution. Das wird Folgen haben für das Leben von Migrant:innen.

Pro-palästinensische Demonstration in Berlin am 6. Oktober 2024 Foto: Christian Mang/reuters

G esinnungsprüfung à la McCarthyismus. Nichts anderes ist die am Donnerstag vom Bundestag verabschiedete sogenannte Antisemitismus-Resolution: Auch, wenn ihr offizielles Ziel der dringendst verbesserungswürdige Schutz von jüdischen Menschen in Deutschland ist.

Viele Jü­d:in­nen leben seit den Hamas-Angriffen vom 7. Oktober 2023 wieder vermehrt in Angst, antisemitische Übergriffe sind gewaltig angestiegen. Das kann niemand bestreiten. Und es ist schändlich. Dass die Politik jüdische Menschen nun besser schützen möchte, ist begrüßenswert und könnte ein wichtiges Signal sein. Doch leider verfehlt die verabschiedete Resolution ihr Ziel.

Einige haben den Verdacht, dass es um Kriminalisierung von Kritik an Israel geht, nicht um den Schutz jüdischer Menschen. Dass in dem Papier wortwörtlich die Rede davon ist, „repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen“, nährt diesen Verdacht. Genauso wie die Nutzung der umstrittenen IHRA-Definition als Maßgabe für die Bewertung, ob etwas antisemitisch ist oder nicht.

Nun ist diese Resolution zwar rechtlich nicht bindend. Doch als Orientierung kann sie dennoch herangezogen werden, so wie es beispielsweise in der Praxis bei der umstrittenen BDS-Resolution des Bundestages von 2019 der Fall ist. Besonders gefährlich wird es dann, wenn die Vergabe staatlicher Mittel an die Resolution geknüpft wird, oder gar das Aslyrecht, wie es im Papier vorgesehen ist.

Zu denken geben sollte auch, dass Wis­sen­schaft­le­r:in­nen und Künst­le­r:in­nen in den vergangenen Wochen appelliert haben, die Resolution in ihrer Form nicht zu verabschieden. Nicht zuletzt, weil sie auch für linke Jü­d:in­nen Folgen haben kann.

Brandmauer zur AfD bröckelt

Einige Be­für­wor­te­r:in­nen führen als Pro-Argument an, dass bestimmte jüdische Organisationen die Resolution befürworten. Doch das ignoriert, dass es andere nicht tun – dass jüdisches Leben eben nicht homogen, sondern vor allem auch politisch vielfältig ist.

Was der Tragik der Geschichte aber die Krone aufsetzt, ist, dass diese Resolution für die AfD nicht nur zustimmungsfähig war: Die extrem rechte Partei bedankte sich sogar für den Antrag. Die ohnehin schon bröckelnde Brandmauer wird zu einer Schandmauer. Und die Querfront, vor der die Be­für­wor­te­r:in­nen dieser Resolution immer warnen, ist spätestens hiermit da.

Auf kurz oder lang wird diese Resolution einschneidende Folgen haben für das Leben von Migrant:innen, für die Arbeit von Ak­ti­vis­t:in­nen – die sowieso schon massiven Repressionen ausgesetzt sind -, für die Kultur und auch für die Forschung. Sie wird dem sowieso schon vergifteten Klima in Deutschland einen Bärendienst erweisen. Die autoritäre Zeitenwende, sie hat gerade erst begonnen.

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Baha Kirlidokme
Volontär bei der Frankfurter Rundschau. Aktuell im taz-Parlamentsbüro. Schreibt über Gesellschaft, Politik, Wirtschaft. Vornehmlich über Nahost, Linkspartei und Debatten. Macht manchmal laute Gitarrenmusik.
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9 Kommentare

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  • Hm. Ich zweifle zwar auch daran, dass man damit erfolgreich Antisemitismus bekämpft, aber ich wundere mich doch darüber, dass der große Aufschrei aus Kultur und Wissenschaft mehr oder weniger ausbleibt, wenn israelische WissenschaftlerInnen oder Kulturschaffende aus Israel boykottiert und ausgeschlossen werden oder zum Boykott aufgerufen wird,allein,weil sie Israelis sind, unabhängig von vertretenen inhaltlichen Positionen. Dadurch wird jetzt die Freiheit von Wissenschaft und Kunst nicht bedroht, oder wie? An der Stelle sind so manche auf dem linken Auge blind.

  • Es wäre sicher besser, wenn man sich im Kulturbetrieb gar nicht erst Gedanken über das Thema „Antisemitismus in den eigenen Reihen“ machen müsste. Aber leider sind gerade auch in dem Umfeld erschreckend viele vorurteilsbeladene Menschen unterwegs. Das kann und darf der Staat nicht mehr einfach übersehen.

  • Es geht diesem absurden Entwurf - der die (politische) Pluralität jüdischer Menschen negiert und diese einem homogenen Ethnos einschliesst (Z. Bauman nennt derart Allosemitismus) - um die Verhinderung von Dissens und Kritik auch und gerade an den Politiken Israels.

  • "Was der Tragik der Geschichte aber die Krone aufsetzt, ist, dass diese Resolution für die AfD nicht nur zustimmungsfähig war: Die extrem rechte Parteibedankte sich sogar für den Antrag."

    Okay, also nur noch gegenteil Politik?

    Dann plädiert die AfD demnächst alle Migranten unter allen Umständen zu halten und die Linke schmeißt diese dann mit Gewalt raus? Na dann packen ich schon mal.

    Das "vergifteten Klima in Deutschland" kommt durch die "From the River to the Sea" Rufe. Durch Unibesetzungen. Verprügelte jüdische Studenten. Durch den Aufruf zur Intifada. Durch markierte Hauswände in denen Juden wohnen. Durch öffentliche Amtsträger die Israel einen Genozid vorwerfen. Wenn jüdische Fußballfans in Europa wie Tiere durch die Straßen gejagt werden von einem Mob.

    Aber schön, dass Sie es als Tragik empfinden wenn eine (ekelhaft) rechte Partei strenger gegen Antisemitismus vorgehen will als die Linke. Dies sollte eher zu denken geben.

    Wir sind beim Thema Rassismus zurecht sehr repressiv, und sollten dies beim Thema Antisemitismus auch sein. Auch wenn es uns nicht schmeckt dass dieser nicht vom üblichen Feindbild kommt, sondern nur zu häufig aus den eigenen Reihen.

  • Welche konkreten Befürchtungen hat der Autor denn. Vielleicht sollte jedem Migranten, der dauerhaft in Deutschland leben will, die deutsche Geschichte bekannt sein, denn wenn er anstrebt Deutscher zu werden, wird es auch seine Geschichte werden. Und damit geht eine besondere Verantwortung einher.

    Wer das nicht will - in anderen Ländern sieht man das anders, in Schweden zum Beispiel würden sehr viele Menschen unter die Antisemitismusdefinition fallen, die jetzt gilt.

    Schließlich: wer erwartet, vom Steuerzahler finanziert zu werden, wird sich wohl an gewisse Regeln halten müssen.

  • Die Antisemitismus - Resolution ist angesichts der momentanen Zustände in Amsterdam mehr als notwendig und wird nur für die Migrant*innen Folgen haben, die meinen ihre Kulturkämpfe und ihren Israelhaß in Deutschland austragen zu müssen !

  • Aus einer Diskussion über den (damals noch) Entwurf: 'Dass wir diese antisemitische Propaganda nicht auch noch staatlich alimentieren, ist das Mindeste!' Finde ich auch.

    • @vjr:

      Was verstehen Sie genau unter 'antisemitischer Propaganda'?

      • @hamann:

        Bsp. dieser Kommentar: taz.de/Israelische...bb_message_4875401

        "Israelis verlasst das Land nicht!"

        oder: x.com/andanothergu...791808670835122685

        oder: Ramsis Kilanis Verteidigung des Hamas Angriff am 7. Oktober

        oder: der Ausschluss von israelischen queeren Verbänden aus internationalen Vereinen

        oder: Kunstbetrieb die israelische DJs ausladen

        oder: Wissenschaftler*innen die Juden*Jüd*innen boykottieren

        oder: Menschen die Bajzel als feindlichen Ort markieren und nicht mit dem Lokal, selbst bei Brandanschlägen auf sie, solidarisch sind

        oder: was beim Linken Parteitag passiert ist und wie viele "Linke" "Linke" sagen es gäbe keinen Antisemitismus

        oder: viele "freie" Theaterproduktionen bei denen ich war

        oder: die gekaperte Queer Pride

        oder: die Verteidigung von Assad der Hundertausende umbringt

        oder: die Verteidigung des Irans

        oder tausend andere Beispiele.

        Z.B. wenn jüdische Kindersportler*innen beschimpft und gejagt werden