piwik no script img

Konflikt zwischen Iran und IsraelWar's das?

Israel bombardiert erstmals offen zahlreiche militärische Einrichtungen im Iran. Teheran steht nun vor einem bereits bekannten Dilemma.

In den frühen Morgenstunden waren in Teheran mehrere starke Explosionen zu hören, berichtete der staatliche Fernsehsender IRIB Foto: Yao Bing/dpa

Jerusalem taz | Nur Stunden nach dem israelischen Luftangriff auf den Iran am frühen Samstagmorgen hat sich der Konflikt bereits wieder auf die Kommunikationsebene verlagert: Hört man auf die iranische Seite, hat das beispiellose israelische Bombardement mit Dutzenden Kampfflugzeugen in der Nacht kaum Schäden hinterlassen. Die Luftabwehr habe die israelische „Aggression“ erfolgreich abgewehrt, meldete die iranische Armee. Es gebe „begrenzte Schäden“, zwei Soldaten seien getötet worden. Der Flughafen in Teheran sei im Normalbetrieb. Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.

Auf israelischer Seite verlautbarte der Armeesprecher Daniel Hagari am Morgen: Das Militär habe seine „Mission erfüllt“. Man habe Raketenfabriken und -abschussrampen sowie die iranische Luftabwehr getroffen. Hagari ließ zwischen den Zeilen Zurückhaltung durchblicken: Die Ziele seien „nach politischen Vorgaben ausgewählt“ worden, Israel könne weitere Ziele angreifen, wenn nötig. Die Botschaft: Israel sieht die Angelegenheit als abgeschlossen an.

Der Iran steht damit vor einem alten Dilemma. Einerseits will Teheran keinen offenen Krieg mit dem militärisch deutlich überlegenen Israel riskieren. Andererseits kann es den ersten offenen Großangriff auf sein Gebiet seit dem Golfkrieg kaum unbeantwortet lassen. Das Regime drohte seit Wochen mit Vergeltung im Falle eines israelischen Angriffs. Israel müsse mit einer „angemessenen Antwort“ rechnen, sagte ein anonymer Vertreter Teherans am Morgen der Nachrichtenagentur der iranischen Revolutionsgarden, Tasnim.

Bisher ist bekannt, dass gegen 2.30 Uhr in der Nacht auf Samstag rund 100 israelische Kampfflugzeuge etwa 20 Ziele an mehreren Orten des Landes angriffen. Der israelische Sender Kan berichtete von drei Angriffswellen. Explosionen wurden laut iranischen Medien aus Teheran sowie dem nahe gelegenen Karadsch und der Stadt Maschhad im Osten des Iran gemeldet.

Der Angriff war eine Reaktion auf den iranischen Raketenbeschuss Israels am 1. Oktober. Teheran hatte am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes Rosch Haschana rund 180 ballistische Raketen auf zwei Armeebasen und das Hauptquartier des Geheimdienstes Mossad gefeuert. Der Iran sprach seinerseits von einem Vergeltungsschlag für die Ermordung des Hamas-Anführers Ismail Hanijeh in Teheran im Juli. Viele der Raketen konnten abgefangen werden, Dutzende aber schlugen auf dem Luftwaffenstützpunkt Nevatim ein und bewiesen, dass Israels Luftabwehr keineswegs undurchdringlich ist.

Nun scheint sich die israelische Führung für einen eher begrenzten Rückschlag entschieden zu haben. Unter den Zielen waren nach allem, was bisher bekannt ist, weder Einrichtungen des iranischen Atomprogramms, noch Infrastruktur der iranischen Ölindustrie.

Ersten Anzeichen zufolge könnte die große Eskalation vorerst ausbleiben. So hatte Israel den Iran offenbar am Freitag vorgewarnt, berichtet die US-Nachrichtenseite Axios unter Berufung auf drei Quellen. Über mehrere Kanäle soll Teheran demnach unter anderem unterrichtet worden sein, „was Israel allgemein angreifen wird und was nicht“. Auch die Bemühungen der iranischen Führung, die Folgen des Angriffes kleinzureden, erinnern an deren Strategie Mitte April. Damals hatte Teheran einen israelischen Vergeltungsschlag am 19. April heruntergespielt und anschließend nicht direkt beantwortet.

Aus Washington hieß es, die USA sehen die „präzise und umfassende“ Operation als „Ende des gegenseitigen Beschusses zwischen Israel und dem Iran.“ Die iranischen Revolutionsgarden hatten vergangene Woche durchblicken lassen, dass sie einen „begrenzten“ israelischen Angriff ohne Opfer unbeantwortet lassen könnten. Am Samstagmorgen berichtete der Sender Sky-News Arabia, der Iran habe Israel über einen Vermittler informiert, dass er nicht zurückschlagen werde. Zuvor hatten Vertreter Israels und der USA gegenüber dem Nachrichtenportal Axios geäußert, sie würden eine begrenzte militärische Antwort erwarten.

Inmitten der gespannten Lage kann der kleinste Fehler zur Eskalation führen. Beide Seiten hatten sich zuletzt gegenseitig gewarnt, dass der Tod von Zivilisten schwere Konsequenzen haben würde. Im Falle eines regionalen Krieges zwischen Iran und Israel würden auch die USA kaum außen vor bleiben können. Verteidigungsminister Lloyd Austin erneuerte gegenüber seinem israelischen Amtskollegen Joav Galant noch am Morgen am Telefon das „eiserne Bekenntnis“ seines Landes zu Israels Sicherheit.

Zumindest auf diplomatischer Ebene könnte die Reaktion Saudi-Arabiens Teherans Dilemma erleichtern. Das Königreich verurteilte die Attacke scharf. Der frühere Gegner des Iran in der Region rückt damit weiter von Israel ab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Das iranische Regime hat eine weitere Option:

    Es könnte versuchen seinen extremen Judenhass zu reflektieren. Die Ursache des ganzen riesigen Nahost-Problems.

    Bundeszentrale für politische Bildung:



    "Der Antisemitismus des iranischen Regimes



    Antijudaismus – Holocaustleugnung – Israelhass"



    www.bpb.de/themen/...ranischen-regimes/

    und die Rede der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in Wien wo sie mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet wurde.



    Exquisit wie sie da den Mullah-Mind analysiert.



    »Das Wort ›Märtyrer‹ verachtet das Leben schlechthin«



    www.juedische-allg...leben-schlechthin/

    Die Mullahs werden nie aufhören. Die Hoffnung liegt auf dem iranischen Volk, welches extrem unter dem Regime leidet.

    • @shantivanille:

      Es trägt nicht unbedingt zur Erkenntnis bei, wenn man sich nur auf Quellen stützt, die ohnehin die eigene Meinung bestätigen (in den Geschichtswissenschaften spricht man von einem "Zitationskartell"). Zumal dann nicht, wenn man deren Verlässlichkeit bestreiten kann: über Grigat will ich mich kein weiteres Mal auslassen; Müller ist zweifellos eine passable Schriftstellerin, aber sicher keine NO-Expertin. Eine Mischung aus orientalistischen Klischees und klaren Feindbildern ist weder exquisit, noch eine Analyse. Aber um zum Inhaltlichen zu kommen:



      -Die Feindschaft Irans zu Israel (nicht zu den Juden - es gibt eine jüdische Gemeinde im Iran) trägt sicher zu der explosiven Mischung bei, ist aber kaum ursächlich; der NO-Konflikt ist älter als die Islamische Republik.



      -Auch die Aussage, dass "die Mullahs" nie aufhören werden, ist objektiv falsch: Iran hat die arabische Friedensinitiative von 2002 unterstützt - und diese beinhaltete eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel.



      Für den NO-Konflikt einen Schuldigen zu suchen, greift immer zu kurz; man könnte aber, ab und an, auch fragen, welche Rolle Israel und seine Besatzungspolitik spielt.

      • @O.F.:

        Die Iraner sehen sich nicht als Teil der arabischen Welt. Warum sollte sie die "israelische Besatzungspolitik" besonders stören? Unter dem Schah hatten beide Länder gute Beziehungen. Nein, die religiös-apokalyptische Komponente spielt für die Mullahs eine große Rolle - die entscheidende.



        Wie ernst die "arabische Friedensinitiative" und vor allem das Kleingedruckte darin war, darüber kann man lange streiten.



        Wie "groß" und bedeutend die jüdische Gemeinde im Iran ist, lässt sich auf Wikipedia nachlesen. Oder gehört das auch zum "Zitationskartell"?

        • @Kai Ayadi:

          Die Iraner sind zum Großteil keine Araber, aber sie - bzw. der religiöse Teil der Bevölkerung - sehen sich als Teil einer islamischen Welt und die Palästina-Solidarität ist im globalen Süden generell recht groß; Südafrika ist weder arabisch, noch muslimisch und trotzdem sehr propalästinensisch. Übrigens hat sich die Nähe beider Länder unter dem Shah nicht unbedingt in der öffentlichen Meinung widergespiegelt.



          Es gibt keinen Grund, an der Ernsthaftigkeit der arabischen Friedensinitiative zu zweifeln - zumal die Annäherung in den letzten 20 Jahren ja gezeigt hat, dass man diesen Konflikt gerne beenden würde - das allerdings würde auch Schritte Israels erfordern, womit man wieder bei der Besatzung ist.



          Dass die jüdische Gemeinde auf einige tausend Mitglieder geschrumpft ist, weiss ich (auch ohne Wikipedia), aber das bestätigt immer noch meinen Punkt: im Iran leben Tausende Juden - das widerspricht dem unterstellten Vernichtungswillen doch deutlich (übrigens: die Juden, die den Iran verlassen haben, sind nicht nur vor einer durchaus realen Diskriminierung geflohen, sondern z.B. auch vor irakischen Raketen im 1. Golfkrieg oder in jüngerer Zeit vor den Folgen der Sanktionen).

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @O.F.:

        Könnten Sie bei Gelegenheit die menschenrechtlichen Fortschritte, die unten den Mullahs im islamistischen Iran erreicht wurden?

        In puncto Frauenrechte? LGBTQ-Rechte? Rechte auf die freie Meinungsäußerung?

        Und mit welchem völkerrechtlich anerkannten Recht genau mischt sich der Iran in die Angelegenheiten der Gazaner und der Libanesen ein? Solche Übergriffigkeiten, die von weißen Europäern ausgeübt werden nennt man „kolonialistische“ Handlungen. In diesem Sinne agiert der Iran als Imperialmacht.

        Beim Westen immer die Schuld zu suchen, greift viel zu kurz. Und dieser Reflex erklärt immer noch nicht, warum der toxische Antisemitismus der Mullahs toleriert werden sollte.

        • @Michaela Dudley:

          Iran betreibt regionale Machtpolitik, da haben Sie sogar Recht, aber die Frage war eine andere: die nämlich, ob Iran ursächlich verantwortlich für den NO-Konflikt ist und sich grundsätzlich einer Lösung verweigert, weil er alle Juden vernichten will. Beides ist, wie ich erklärt habe, falsch. Dass umgekehrt Westen an allem Schuld wäre, habe ich nicht geschrieben und lasse ich mir auch ungern in den Mund legen.

      • @O.F.:

        www.bpb.de/shop/ze...riedensinitiative/

        "Noch am Tag der offiziellen Verkündung der Initiative verübten Mitglieder des militärischen Flügels der Hamas ein Selbstmordattentat in Netanya, das in Israel als das "Pessach-Massaker" bekannt wurde und bei dem 20 Menschen getötet und über 100 verletzt wurden. Der damalige Hamas-Führer Scheich Ahmed Jassin erklärte, dass der Angriff dem arabischen Gipfel die Botschaft übermittelt habe, "dass das palästinensische Volk den Kampf für das Land fortsetzen und sich weiterhin verteidigen wird, ganz gleich welche Maßnahmen der Feind unternimmt". Zur Auflösung der Fußnote[9] Das Pessach-Attentat und die folgende israelische Wiederbesetzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes führten zu einer Eskalation der zweiten Intifada und die API geriet völlig in den Hintergrund."

        • @ToSten23:

          Dass Hamas die Initiative abgelehnt hat, ändert nichts daran, dass die arabischen Staaten sie ernst gemeint haben (genauso wie die PLO).

  • Was Israel treffen wollte bzw. getroffen hat, wird ganz genau wohl nicht verkündet werden.



    Was die angesprochene Kommunikationsebene betrifft, hat Israel in aller Regel, was die Erfolge seiner Streitkräfte angeht, selten übertrieben (wenn darüber nicht ohnehin Schweigen herrscht). Worte waren durch Treffer gedeckt. Deshalb kann man davon ausgehen, dass die militärischen Ziele im Iran zerstört wurden.



    Und, was noch wichtiger ist, außer zwei iranischen Soldaten sind keine menschlichen Opfer zu beklagen sind. Sollte irgendein propalästinensischer Aktivist darauf "gehofft" haben, dass die IDF das ihnen sonst für gewöhnlich unterstellte Massaker anrichten, dann ist dies nicht eingetreten.



    Was das Statement des Irans betrifft: Vermutlich wurde gar nichts "erfolgreich abgewehrt". Den großen Worten folgen selten auch nur mittelmäßige Taten.

  • So richtig traurig war man bei den Verwandten in Teheran nicht, die haben gesagt, dass im Westen und Süden Explosionen bzw. Abwehrfeuer zu hören und zu sehen war. Das im Westen, in Karaj Rüstungsbetriebe sind ist allgemein bekannt und in Süden ist hinter dem Friedhof auch ein großes Industriegebiet. Wenn Israel dort gezielt was angegriffen hat müssen sie über gute Informationen verfügen, was wieder darauf hin deutet, dass es dort Informanten gibt. Das wird weitere Unsicherheit beim Regime und gegenseitiges Mißtrauen schüren. Einige sehen die Protagonisten des Regimes ohnehin als "Araber" an und mit denen wollen die Perser nicht in einen Topf gesteckt werden, da ist die Diskriminierung der "Türken" eher als folkloristisch anzusehen. Das Asad, Hisbollah und sogar die Sunniten der Hamas mit finanziell und militärisch unterstützt werden und im Gegenzug bei der Niederschlagung wohl auch aus deren Reihen Schlägertrupps im Iran im Einsatz waren erhöht den Haß auf das Regime.

    • @Axel Schäfer:

      Das sind wichtige Details, danke.

    • @Axel Schäfer:

      "Einige sehen die Protagonisten des Regimes ohnehin als "Araber" an..."



      Nun sind die "Protagonisten des Regimes" und ihre Anhänger aber keine "Araber", sondern Iraner (übrigens auch die Sicherheitskräfte, allen Gerüchte über "arabische" Schlägertrupps zum Trotz). Die Volk vs. Regime-Rhetorik geht am wesentlichen Punkt vorbei: sowohl die Islamische Republik als auch ihre inneriranischen Gegner können sich auf eine recht solide soziale Basis stützen - genau darin liegt ja die Tragik.