ausgetrollt: Geheimdienst will Antifa sein, CDU und AfD finden das ganz schlimm
Man sollte wirklich aufhören, Debatten auf X (früher Twitter) nachzuerzählen, weil das zunehmend sinnlos ist – einfach weil dieses Paralleluniversum kaum noch Bezüge zur Realität aufweist. Aber diese hier ist wirklich zu lustig. Und immerhin hat sie es bis auf die Tagesordnung des Niedersächsischen Landtags geschafft, wenn auch nur als eine von diesen Nonsens-Aktuellen-Stunden, die von der AfD so gern beantragt werden.
Die Geschichte geht so: Mitte Oktober bereitete das Social-Media-Team des Niedersächsischen Verfassungsschutzes eine Reihe von Posts zum Thema „Antifa“ vor. In denen sollte es auch darum gehen, wo antifaschistischer Protest legitim und im Rahmen ist und ab wann er ins Extremistische kippt. Ein wenig übermütig schrieb man in einem Kommentar darunter: „Auch wir sind Antifa. Selbstverständlich.“
Man hätte nun natürlich ein empörtes Aufheulen auf der Linken erwarten können. Die wirft dem Verfassungsschutz schließlich aus Gründen immer mal wieder vor, lieber die Falschen zu beobachten und sich das rechte Auge zuzuhalten. Aber vielleicht waren sie zu sehr damit beschäftigt, im Plenum nach Spitzeln zu fahnden oder sind alle gar nicht mehr auf X. Die Rechten schon. In Nullkommanichts skandalisierten sie den Post und reichten ihn durch die rechtsextreme Blog- und Medienlandschaft. Etablierte Medien sprangen auf, die AfD und die CDU natürlich auch.
Es folgt das, was die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) „ein Lehrstück digitaler Diskurskultur“ nennt. Die einen verstehen „Antifa“ im ursprünglichen Wortsinn als „alle, die irgendwie gegen Faschismus sind“, die anderen als historisch verseuchten „linken Kampfbegriff“, mit dem sich nur extremistische Gewalttäter identifizieren können. Und so debattiert man munter aneinander vorbei.
Hübsch ist, was sich dabei für Konstellationen ergeben. So stimmt die CDU in ihrer Empörung mit der AfD vollkommen überein. Als „untragbar“ und „unerträglich“ bezeichnet der Abgeordnete Christoph Plett den Post. In einem verzweifelten Versuch, sich trotzdem von der AfD abzugrenzen, bescheinigt er dieser aber, sie solle gefälligst keine Verfassungsmitarbeiter beschimpfen, sie werde schließlich selbst beobachtet. Aber das entspricht ja irgendwie auch der historischen Rolle bürgerlich-konservativer Politiker: Den Faschisten den Steigbügel halten und gleichzeitig über ihr ungehobeltes Benehmen die Nase rümpfen.
Historisch neu dürfte dagegen sein, dass der Grünen-Abgeordnete Michael Lühmann sich in der Verlegenheit sah, plötzlich den Verfassungsschutz verteidigen zu müssen. Mit dem Appell: „Wenn Sie schon Verfassungsschutzkritik für sich als Topos entdecken, liebe CDU, dann doch bitte richtig. Da geben wir gern Nachhilfe, da haben wir viele Jahre Vorsprung“, versuchte er zu retten, was zu retten ist.
Nur die Innenministerin, von der AfD zum x-ten Mal zum Rücktritt aufgefordert, ließ die Wortklaubereien und historischen Diskurse links liegen. Diese Versuche der AfD, den Verfassungsschutz zu diskreditieren, seien doch nichts als ein Ablenkungsmanöver, bescheinigte sie kühl. Das ändere aber nichts an der Einstufung als Verdachtsfall und auch nichts daran, dass man der AfD im letzten Verfassungsschutzbericht nun schon ein ganzes, eigenes Kapitel habe widmen müssen. Nadine Conti
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