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Protest in Unterwäsche im IranDie laute Haut

Kommentar von Shahrzad Eden Osterer

Die iranische Studentin Ahoo Daryayi zog sich offenbar aus Protest bis auf die Unterwäsche aus. Sie zeigt: Die Frau-Leben-Freiheit-Bewegung im Iran lebt.

Seit Samstag steht ein Video im Netz, das den Protest der iranischen Studentin Ahoo Daryayi in Teheran zeigt Foto: social media

I hr Name ist Ahoo Daryayi. Ahoo – das bedeutet Gazelle. Eine Gazelle bewegt sich leicht und wendig – und doch immer wachsam. Auch Ahoo bleibt nicht stehen. In den Videos sieht man sie durch die Straßen laufen, als wolle sie sich nicht einfangen lassen von Blicken, Regeln und Menschen, die ihren Körper und ihr Leben einschränken sollen.

Eine junge Frau, die genug hat. Die Nase voll von den Gesetzen, die ihren Körper als fremdbestimmtes Territorium behandeln, von Vorschriften, die festschreiben, wie sie sich zu verhüllen und zu verhalten hat. Auf dem Campus, zwischen den Büchern und den Blicken, hat sie sich von der Hülle ihrer Kleidung befreit, um etwas sichtbar zu machen, das unsichtbar bleiben soll.

Der Körper einer Frau in der Islamischen Republik ist ein Schlachtfeld. Familie, Gesellschaft und Staat beanspruchen ihn gleichermaßen als Besitz, als ein Territorium, das zu kontrollieren, zu schützen oder zu züchtigen ist. Systematische Unterdrückung der Frauen im Iran ist ein Grundpfeiler der Islamischen Republik. Frausein ist ein Raum, den der Staat durch gesetzliche Vorschriften zu zähmen versucht, eine Leinwand, die Regeln, Dogmen und Bestrafungen übermalt haben. Die Haut erzählt Geschichten von staatlicher Gewalt und Einschränkungen, von Kämpfen, die oft nur still geführt werden. Doch Ahoo ­Daryayi hat sich entschieden, laut zu sein. Ihre Haut spricht jetzt lauter als jedes gesprochene Wort, ihre Haltung ist ein Schrei in einer stummen Welt.

Dieser Protestakt zeigt auch, dass die Frau-Leben-Freiheit-Bewegung nicht zu Ende ist, sondern von iranischen Frauen tagtäglich gelebt wird. Er zeigt, dass diese Generation der Frauen ein neues Bewusstsein trägt, das die Islamische Republik herausfordert und ihr zeigt, dass ihre Tage früher oder später gezählt sind. Die Kraft und Entschlossenheit, die in Ahoos Gestik und Haltung liegen, sind keine isolierten Momente; sie spiegeln eine landesweite Erschütterung wider, die in jeder Frau ihre Stärke findet und die Fesseln der systematischen Unterdrückung sprengt.

Ein Körper, der sich weigert, Besitz zu sein

Ahoos Körper auf diesem Bild ist verletzlich und stark zugleich, weich und doch unnachgiebig, ein Ort des Widerstands, der niemanden gleichgültig lässt. Es ist ein Aufruf, der Freiheit fordert, der Gerechtigkeit verlangt, der zu sehen und zu fühlen gibt, was allzu oft übersehen wird. Hier, wo der eigene Leib zur politischen Botschaft wird, durchbricht Ahoo die Ketten von Stille und Zensur. Ahoo ­Daryayi ist eine Stimme, die sich nicht mehr verstecken will, ein Herz, das unerschrocken schlägt in einem Körper, der sich weigert, Besitz zu sein.

Das Bild ist mehr als nur ein Schnappschuss. Es ist eine Einladung, genau hinzusehen, genauer hinzuhören und zu verstehen, dass die iranischen Frauen ihr Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung nicht länger leise fordern. Sie sind Teil einer Bewegung, die größer ist als eine Person, größer als ein Bild: ein Widerstand, der lebt und weiterschreibt, was „Frau, Leben, Freiheit“ bedeutet.

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11 Kommentare

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  • Das Vorgehen dieser Frau ist leider kontraproduktiv im Kampf von Frauen für ihre Rechte. Nicht nur das Regime, auch die Bevölkerung im Iran ist stock konservativ. Man wird nicht nur diese Frau als psychisch krank darstellen, sondern sie auch als Mittel nutzen, um die Freiheitskämpfe der Frauen allgemein zu diskreditieren.



    Die Aktion war leider ein Schuss in den eigenen Ofen, ein weiterer Rückschritt für die Bewegung um Frauenrechte und Freiheit. Schade.

    • @Micha.Khn:

      Ihr Kommentar ist wirklich einer der übelsten Sorte - Sie diskreditieren Ahoo Daryayi, ein Opfer des Mullah-Regimes, mit dem "Argument", dass eben dieses Mullah-Regime sie als "psychisch krank" darstellen würde und nehmen dies zum Anlass, ihre Aktion als "kontraproduktiv" zu diffamieren. Wie tief kann man bloß sinken?!

  • Woman, Life, Freedom!

  • Danke für den Beitrag zu diesem beeindruckenden Widerstand. Ich hoffe sehr, dass Ahoo Daryayi nicht schon jetzt im Gefängnis ist, das wäre die normale Reaktion des iranischen Folterregimes gegen jedes Zeichen von Kritik und Widerstand. Der Iran setzt Inhaftierung, Folter und Hinrichtung gezielt dazu ein, den Widerstand der Zivilgesellschaft zu brechen. Aber auch von Deutschland aus kann man die Bewegung Frau Leben Freiheit weiter unterstützen und z.B. Amnesty Petitionen, die sich an die iranische Führung richten, unterschreiben. Es gibt natürlich keine Garantie, dass die iranische Regierung sich davon beeindrucken lässt, aber viele Unterschriften oder Briefe üben durchaus Druck aus und helfen auch jenen, die aktuell in Gefängnissen sind und über Besuche erfahren, dass sich Menschen weltweit für sie einsetzen.



    Hier z.B. eine aktuelle Petition gegen die drohende Hinrichtung von Pakhshan Azizi.



    www.amnesty.de/mit...ichtung-2024-10-01



    Weitere Infos hier:



    amnesty-iran.de/

    • @Nina Janovich:

      www.el-shai.com/ah...-irans-dress-code/

      Sie wurde festgenommen und, so wird hier auf dieser ägyptischen Newsseite berichtet, schnell von offizieller Seite als psychisch krank usw. tituliert, ein typischer Weg des Regimes.

      Der Mut dieser Frauen, diesem frauenverachtenden System derart zu trotzen, angesichts der absehbaren Folgen für sie selbst, beeindrucken mich zutiefst. Ja, der Mut der widerständigen Männer natürlich auch!

      Danke für den Link zur Petition

    • @Nina Janovich:

      Es tut mir leid, aber islamistische Regierungen interessieren sich nicht so sehr dafür, was wir wollen oder nicht wollen oder wogegen wir protestieren. Die machen traditionell, was sie glauben, für richtig zu halten.

  • Respekt! Wenn man bedenkt, dass die Journalistinnen die über den Tod von Jonas Amini berichtet haben, gerade zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurden,.hat man eine Ahnung, was die Frau riskiert.



    Schade, dass die iranischen Vertretungen geschlossen wurden, eigentlich müsste frau aus Solidarität vor deren Fenstern dasselbe tun.



    Ich hoffe, Ahoo Daryary bekommt die nötige Unterstützung und bleibt frei.

  • Tja, so wird gerne mal geschwärmt vom Widerstand der Frauen im Irak, aber der politische Umgang mit dem Irak von europäischer oder deutscher Seite aus, ist dann wieder ernüchternd.

  • Das macht mich sprachlos. Unglaublich mutig im Kampf gegen das Mullah-Regime und deren Unterdrückung der Frauen im Namen der Religion.

    Irans Frauen gehören zu den mutigsten Frauen der Welt. Volle Solidarität!

    Da darf auf keinen Fall mehr so etwas passieren wie Baerbocks Sätze im Bundestag, die Gewalt der islamischen Sittenwächter im Iran habe „nichts, aber auch gar nichts mit Religion zu tun“.

    Oh, mein Gott! Das unterminiert den Kampf der Frauen!

    EMMA: " . . . verkünden islamische Theologen mit dem Verweis auf religiöse Texte, dass die Unterordnungen von Frauen ein „göttliches Gesetz“ darstelle und dass die Frauen Haupt und Körper blickdicht verhüllen müssten."

    www.emma.de/artike...gion-zu-tun-339811

  • Eine sehr mutige und beeindruckende, junge Frau, der nun voraussichtlich Furchtbares angetan wird. Ich hoffe, dass unsere Außenministerin versucht, sie zu schützen oder vielleicht, wenn Ahoo Daryayi das möchte, Asyl für sie in Deutschland anbieten kann. Bei ihr müsste meiner Meinung nach auch kein aufwändiges Asylprüfungsanspruchverfahren durchgeführt werden; dass sie verfolgt und vielleicht getötet werden wird, ist offensichtlich.

    Ich wünsche mir auch von den afghanischen Männern mittlerweile nur noch das Eine, dass sie wenigstens den Frauen und Mädchen, die Afghanistan verlassen wollen, erlauben, ohne männliche Begleitung ausreisen zu dürfen. Schade, dass die afghanischen Männer immerhin so klug sind zu wissen, dass sie für die Reproduktion auf Frauen angewiesen sind.

  • Hut ab vor dem mut dieser Frau