Bundeskongress Grüne Jugend: Zwischen Klassenkampf und Klimapolitik
Jette Nietzard und Jakob Blasel sind das neue Bundesprecher-Duo. Es gibt viel Kritik an den Ehemaligen und einen großen Wunsch nach mehr Klimapolitik.
Daran lässt sich der Zustand des grünen Jugendverbandes illustrieren: Dieser ist gespalten, nachdem der bisherige Bundesvorstand Ende September seinen Rücktritt und Austritt bei den Grünen bekannt gegeben hatte. Die Ehemaligen, unter ihnen auch einige Mitglieder der jeweiligen Landesvorstände, wollen nun unter dem Motto „Zeit für was Neues“ eine neue linke Jugendorganisation gründen. Der ausschlaggebende Grund war das ständige Hadern mit den vielen Kompromissen, die die Grünen in der Bundesregierung eingegangen sind. Zudem kritisierten sie einen fehlenden Fokus auf sozialpolitische Themen.
Beim Bundeskongress wollen sich die Verbliebenen am Wochenende neu aufstellen. Die meisten Redner*innen betonen mehr als nur einmal, dass sie im Gegensatz geblieben sind. Bereits beim Auftakt am Freitag zeigte sich, dass großer Unmut über die abtrünnigen Verbandsgenoss*innen herrscht. Dort sprachen sich die Mitglieder gegen eine Entlastung des bisherigen Vorstands aus und kritisierten diesen für die Vernachlässigung des grünen Hauptthemas Klimaschutz und warfen ihm vor, sich an „linker Zersplitterung“ beteiligt zu haben.
Am Samstag, dem zweiten Tag des Kongresses, ist die Stimmung noch immer angespannt. Nachdem über den Leitantrag debattiert wurde, folgte die Wahl der neuen Bundesvorsitzenden. Künftig werden Jette Nietzard und Jakob Blasel als Bundesprecher-Duo an der Spitze der Grünen Jugend stehen.
Kein Bock auf Kohledeals
„Andere sagten die letzten Wochen, wir seien verloren. Doch diese volle Halle sagt das Gegenteil“, eröffnet der aus Kiel stammende Jakob Blasel seine Rede. Blasel ist ein bekanntes Gesicht aus der Klimabewegung rund um Fridays for Future. Die Kritik des ehemaligen Bundesvorstands an der Ampel und den Grünen teilt er zwar, doch „politische Utopien erreicht man nicht durch Kapitulation“, sagte er auf dem Podium.
Das Klimathema steht in Blasels Rede im Vordergrund. „Während das Wasser in die Keller unserer Großeltern steigt, baggert RWE mit dem Segen der Grünen Lützerath ab“, so der 24-Jährige. Dass die Grünen daraufhin Kohledeals zusagten und Abstriche beim Klimaschutzgesetz als Erfolg verkauft hätten, bezeichnet er als „peinlich.“ Auf Ausreden habe er keinen Bock mehr. Neben dem Klimaschutz will Blasel für eine humane Asylpolitik und soziale Gerechtigkeit eintreten.
Blasel zufolge sei zu viel Vertrauen verspielt worden, das wolle er nun zurückgewinnen. Als er nach seiner Rede gefragt wird, wie er das Image der jungen Grünen nach den Austritten wieder ändern wolle, reagiert er optimistisch. Veränderungen würden leichter werden, wenn sich die jungen Grünen gesprächsbereit zeigen, ohne dabei ihre Positionen in Richtung Mutterpartei zu verrücken.
Menschenwürde statt Obergrenzen
Die Kritik an der Mutterpartei machen die jungen Grünen vor allem beim Thema Asyl konkret. „Wenn Menschen in der Bundesregierung mir erzählen, wir bräuchten Obergrenzen, wir müssen schneller abschieben, dann möchte ich sie anschreien!“, sagt die zweite neue Sprecherin, Jette Nietzard, auf dem Podium. Statt Obergrenzen, brauche es Menschenwürde.
Nietzard betont den strukturellen Charakter von politischen Problemen wie Armut, hohen Mieten und sozialer Ungleichheit. Eine Politik, in der „die Löhne steigen, statt die Zahl der Milliardäre“ ist laut der 25-Jährigen möglich. Das unterscheidet sie von den abtrünnigen jungen Grünen, die auch soziale Gerechtigkeit fordern, aber nicht mehr daran glauben, dass die Grünen sie verwirklichen kann.
Der gemeinsame Feind stehe zwar immer rechts der Mitte und nie links, aber, wenn jemand eine neue Mitgliedschaft haben wolle, dann solle man in die Gewerkschaft eintreten – ein Seitenhieb auf die Ausgetretenen. An der Spitze des neuen Bundesvorstands scheint Jette Nietzard für die sozialpolitische Komponente sorgen zu wollen. Auf ihrem TikTok Kanal wirbt sie zudem für feministische Themen.
Wieder mehr Klimapolitik
Im taz-Gespräch vertiefen Mitglieder der grünen Jugend ihre Kritik am vorigen Bundesvorstand. Patrick Vexler vom Kreisverband Stuttgart nahm den letzten Bundesvorstand als „weniger offen“ als seine Vorgänger wahr. Diesem wirft er vor, innerhalb seiner Amtszeit versucht zu haben, eine Parallelorganisation aufzubauen. Dafür seien die Verantwortlichen jedoch nicht gewählt worden. Auch Mario Dietel vom Kreisverband Hohenlohe übt Kritik. Als Grüne Jugend solle man sich nicht in Marx Lesekreisen und abstrakten Debatten verlieren. Das würde bei den Menschen nicht ankommen.
Auf dem Bundeskongress wurden längst nicht alle Fragen geklärt, die Zukunft des Jugendverbands ist noch ungewiss. Sie steht irgendwo zwischen Klassenkampf und Klimapolitik. Aber es wird klar, dass sich viele der grünen Jugend wieder einen größeren Fokus auf Klimapolitik wünschen.
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