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Industriegipfel in BerlinEine Krise, zwei Gipfel

Der Kanzler sucht im Gespräch mit Ver­tre­te­r:in­nen von Industrie und Gewerkschaften Auswege aus der Krise. Die FDP macht ihr eigenes Ding.

Bundesfinanzminister Lindner im Aufzug abwärts zum Gipfeltreffen Foto: Liesa Johannssen/reuters

Mit Blick auf den Industriegipfel am Dienstagnachmittag im Bundeskanzleramt fordert die Naturschutzorganisation WWF mehr Ehrgeiz der Bundesregierung beim klimagerechten Umbau der Wirtschaft. „Wir machen die Industrie nur dann zukunftsfähig und erfolgreich, wenn wir sie auch auf Klima- und Umweltschutz ausrichten“, sagte WWF-Vorstand Jan Peter Schemmel. Investitionen würden nur getätigt, wenn Risiken kalkulierbar seien. „Richtungsweisende politische Entscheidungen unter Führung des Bundeskanzlers sind das Gebot der Stunde für die erfolgreiche Industrietransformation in Deutschland – und keine politischen Kaffeekränzchen“, sagte er. Dazu gehöre eine langfristige Finanzierungsstrategie der Regierung, damit genug Mittel für den Klimaschutz zur Verfügung stehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte für Dienstagnachmittag Ver­tre­te­r:in­nen von Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften zu Gesprächen eingeladen. Dabei sollte es um Maßnahmen gegen das Konjunkturtief gehen. Deutschland steuert auf das zweite Rezessionsjahr in Folge zu.

Zu den Teilnehmenden gehörte Oliver Blume, Chef des mit Massenentlassungen drohenden Autobauers VW, und IG-Metall-Chefin Christiane Benner. „Heute muss das Signal sein: Wir haben verstanden“, sagte Benner im Vorfeld. Die IG Metall erwarte konkrete Maßnahmen, etwa zum Ausbau der Ladeinfrastruktur von E-Autos und zu planbaren Energiekosten für Unternehmen. Das Treffen dauerte bei Reaktionsschluss noch an.

Wenige Stunden vor dem Industriegipfel fand im Reichstagsgebäude ein Spitzengespräch der FDP-Fraktion mit Ver­tre­te­r:in­nen von Wirtschaftsverbänden statt, die zu dem Treffen im Kanzleramt nicht eingeladen worden waren, etwa der Verband der Familienunternehmen. Verbandsvertreter forderten nach dem Treffen mehr Deregulierung und die Entlastung des Mittelstands, etwa durch Verschieben des Rentenpakets. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte, er werde Argumente der Verbände in die anstehenden Beratungen der Regierung einbringen. In den kommenden Wochen müssen sich die Ampel-Fraktionen auf einen gemeinsamen Haushalt einigen.

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3 Kommentare

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  • Das das Alles peinlich ist, ist eine Sache (zwei Gipfel, Wirtschaftsminister nicht eingeladen, ...). Das es aber weiterhin die Wirtschaft und den Standort Deutschland schädigt, ist viel schlimmer. Dann wird sich vertagt, in zwei Wochen mal in aller Ruhe weiter. Es ist Zeit mal Zeichen zu setzen, dass heißt für mich, da wird Tag und Nacht besprochen wie es weiter gehen soll und am Ende kommen Maßnahmen raus, die sofort umgesetzt werden.



    Aber es hat ja System, auch bei der Ukraine können ruhig Menschen sterben, bis man mal über weitere Waffenlieferungen und Art der Waffenlieferungen eine Entscheidung trifft . Und dann muss die Lieferung noch annehmt werden.

  • Das Scholz-Treffen ist sicherlich das entscheidende, aber Scholz verprellt schon ein wenig seinen Partner FDP. Andererseits geht es dank Friedrich Merz jetzt in eine Phase der permanenten Kampagne. Scholz wird ohne Pause sich etwas ausdenken müssen, wenn er weiterhin Kanzler bleiben will. Fragt sich nur, mit wem, aber die Frage stellt sich für Merz genauso.



    Und die Krise bei VW hat eine sehr große Wirkung für die organisierten Arbeitnehmer in Deutschland. Da sollte Scholz genau hinsehen. Die FDP wird sich nicht daran stören, wenn Tausende IG_Metall-Arbeiter von VW nach Hause gehen oder ganze Werke geschlossen werden. Die FDP findet Deregulierung und Marktkräfte ja sehr gut, wenn VW mehr Gewinne durch günstigere Produktion im Ausland macht, liegt das ganz auf der Linie der Liberalen. Dafür treten sie ja an. Umso wichtiger, dass die SPD jetzt mit guten Konzepten für Regulation und Weitsicht sorgt.

  • Die Ampel hatte noch nicht einmal 2021 einen Regierungsauftrag, weil die Wähler keiner der drei Ampelparteien damals mehrheitlich diese Koalition wollten. Demokratie ist komplexer.